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05.09.2023 Publikation

E-Fuels: Theoretisch top

Synthetische Kraftstoffe könnten im Schwerlastverkehr viele Probleme lösen. Dass es dazu kommt, gilt aber als mehr als unwahrscheinlich. Denn es gibt Anwendungsbereiche, für die der teure Stoff weitaus dringender benötigt wird: zum Beispiel der internationale Flug- und Schifffahrtsverkehr.

Von Martin Schmitz-Kuhl

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Eigentlich spricht nichts gegen E-Fuels. Das meint zumindest Uniti, der Verband der mittelständischen Mineralölunternehmen, also jene Industrie, die bislang mit Fossilem gute Geschäfte machte. Auf seiner Website www.e-fuels.de informiert der Verband über synthetische Kraftstoffe und möchte dabei mit gängigen Vorurteilen und Irrtümern aufräumen. Denn aus Wasserstoff hergestellte E-Fuels sind aus Sicht der Mineralöllobby ein unverzichtbarer Teil des Kampfes gegen den Klimawandel. Schließlich soll für die Herstellung nur Strom aus erneuerbaren Energiequellen genutzt werden. Der entscheidende Vorteil der Technologie sei jedoch, dass für den Einsatz von E-Fuels keine Umrüstung von Motoren oder Anlagen erforderlich ist: Millionen von Lastwagen müssten also nicht verschrottet werden, sondern könnten auch künftig über Deutschlands Straßen rollen. Nur eben CO2-neutral! Zudem wäre die nötige Infrastruktur bereits vorhanden. Keine einzige neue Tankstelle müsste man bauen – auch diesbezüglich wäre diese Technologie also nicht nur klimaneutral, sondern auch nachhaltig.

Porträtfoto von Prof. Dr. Martin Wietschel

»Eine vermeintlich leichte Lösung, bei der die Betroffenen sich wenig umstellen müssen, ist eine angenehme Botschaft. Aber was nutzt es, wenn dies letztlich die teurere Lösung wird?«

Prof. Dr. Martin Wietschel, 
Leiter des Competence Center Energietechnologien und Energiesysteme Fraunhofer ISI

| Privat

Selbst das immer wieder – auch vom VDE – vorgebrachte Argument, dass der Wirkungsgrad von synthetischen Kraftstoffen deutlich schlechter sei als bei der Direktstromverwendung von batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen, lässt Elmar Kühn nicht durchgehen: „In gängigen konventionellen Effizienzanalysen bleiben vor allem standortspezifische Faktoren der Erzeugung erneuerbarer Energien und die damit einhergehende Ertragseffizienz der erneuerbaren Stromgewinnung unberücksichtigt”, kritisiert der Uniti-Geschäftsführer gegenüber dem VDE dialog. Mit anderen Worten: Es ist doch egal, wieviel Energie verbraucht wird, wenn dies in Ländern geschieht, in denen es Erneuerbare wie Sonne und Wind in quasi unbegrenzter Menge gibt. Denn während der Ladestrom für E-Fahrzeuge aufgrund von Speicher- und Transportrestriktionen nah am Ort der Verwendung erzeugt werden muss, könne man E-Fuels problemlos auch in Afrika oder Südamerika produzieren und dann nach Europa verschiffen – wenn die Tanklastschiffe dabei mit E-Fuels betrieben werden würden, wäre selbst der Transport klimaneutral. Eine perfekte Lösung, sollte man meinen.

Technologieoffenheit heißt nicht Unentschiedenheit

Dabei stellt Kühn klar, dass er gar nicht gegen eine batteriegestützte E-Mobilität sei, weder bei Pkw noch bei Lkw. Er plädiere für ein „sowohl als auch“. Denn: „Wenn wir die Klimaziele erreichen möchten, werden wir auf sämtliche nachhaltige Lösungspfade im Straßenverkehr angewiesen sein“, so der Uniti-Geschäftsführer. Ein Satz, der so oder ähnlich auch von Verkehrsminister Volker Wissing oder Finanzminister Christian Lindner (beide F.D.P.) hätte kommen können. Beide setzten sich im März dieses Jahres in Brüssel dafür ein, dass das für 2035 geltende Aus für Neuwagen mit Verbrennermotoren aufgeweicht wurde, um synthetischen Kraftstoffen nicht den Hahn abzudrehen. Und auch bei dem für 2040 geplanten Verbot für Verbrenner-Lkw möchte man Ausnahmen. Technologie­offenheit ist das Wort der Stunde, allein der Markt soll entscheiden, welche Technologie sich letztlich durchsetzt.

Viele Experten sehen jedoch Technologieoffenheit in diesem Fall eher kritisch. Denn einerseits ist es zwar sinnvoll, sich nicht zu früh auf eine bestimmte Technologie festzulegen. Erstens, weil Konkurrenz das Geschäft belebt. Und zweitens, weil man ansonsten riskiert, „aufs falsche Pferd“ zu setzen und von der Entwicklung abgehängt zu werden. Anderseits geht es letztendlich um Technologieförderung und den Aufbau entsprechender Infrastrukturen. Und hier kann man es sich nicht leisten, auf Dauer vielgleisig zu fahren und grundsätzlich alles zu unterstützen, was Klimaneutralität im Straßenverkehr verspricht. „Man muss natürlich offen sein und sich die verschiedenen technologischen Optionen ganz genau anschauen“, meint auch Prof. Dr. Martin Wietschel, Leiter des Competence Center Energietechnologien und Energiesysteme im Fraunhofer ISI. „Dann wird man aber nicht darum herumkommen, sich irgendwann zu entscheiden.“ 

Porträtfoto von Dr. Falko Ueckerdt

»E-Fuels bleiben knapp und teuer. Daher sind sie am besten dort aufgehoben, wo sie unbedingt benötigt werden – beim internationalen Flug- und Schiffsverkehr und in der Chemieindustrie.«

Dr. Falko Ueckerdt,
Leiter Energiewende-Teams, Potsdam-­Institut für Klimafolgenforschung

| PIK / Karkow

Und ganz genau angeschaut haben sich die Fraunhofer-Experten die technologische Option E-Fuels durchaus. Im Unterschied zu Uniti, dem Verband der mittelständischen Mineralölunternehmen, machte das Team um Wietschel allerdings in einem im April diesen Jahres publizierten Diskussionsbeitrag kein Hehl daraus, dass sie den Einsatz von synthetischen Kraftstoffen bei Pkw und Lkw nicht für sinnvoll erachten. Dagegen sprächen einige Punkte. So ist es für Fraunhofer ISI zum Beispiel gar nicht ausgemacht, dass die Verbrennung dieser Kraftstoffe tatsächlich so emissionslos ist wie versprochen („Hier fehlen einfach noch die Forschungen“). Vor allem jedoch sind die Expertem überzeugt, dass E-Fuels preislich schlichtweg nicht konkurrenzfähig sind, zumal es im Straßenverkehr eben deutlich günstigere Alternativen gäbe. Dies gelte für Pkw, aber eben auch für Lkw. „Energiekosten sind hier der entscheidende Faktor“, erklärt Wietschel, „viel wichtiger als die Anschaffungskosten für einen Lkw. Denn die haben sich ganz schnell wieder amortisiert, bei den Strecken, die dieser in der Regel jedes Jahr zurücklegt“.

Energiekosten sind wichtiger als Anschaffungskosten

Zudem erscheint es Wietschel und seinen Kollegen fragwürdig, auf unbegrenzte Mengen Erneuerbare Energien aus Ländern wie Namibia oder Chile zu setzen, wenn man wüsste, dass diese Länder derzeit selbst noch auf fossile Brennstoffe aus ihren Nachbarländern angewiesen sind. „Wenn man wirklich weltweit Klimaschutz betreiben will, sollte man ihnen erst einmal helfen, ihre eigene Energieversorgung umzustellen“, so Wietschel. Der Export wäre erst ein zweiter – sinnvoller – Schritt, für dessen Umsetzung noch viel Zeit ins Land streichen würde.

Genau an diesem Punkt setzt das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung an. Die Ergebnisse aus dessen Papier „E-Fuels – Aktueller Stand und Projektionen“ sind ernüchternd: So seien zwar bis 2035 etwa 60 neue E-Fuel-Projekte angekündigt, die zu erwartende Menge an synthetischem Treibstoff ist aber so gering, dass man diese nach Ansicht der Autoren der Studie für die Bereiche aufsparen sollte, in denen sie unbedingt gebraucht werden. Genannt werden hier die drei Bereiche Luft- und Schifffahrt sowie die chemische Industrie. Denn während es im Straßenverkehr vor allem mit der Elektromobilität eine andere Möglichkeit gäbe, wäre dort der Einsatz von E-Fuels alternativlos.Doch selbst hier soll man keine unrealistischen Hoffnungen haben, so der Co-Autor des Papiers Dr. Falko Ueckerdt: „Nehmen wir einmal an, dass alle diese Projekte realisiert werden, und nehmen wir außerdem an, dass sich Deutschland – rein hypothetisch – das gesamte weltweite Angebot sichert. Dann könnten damit etwa zehn Prozent der flüssigen fossilen Kohlenwasserstoffe in den drei genannten unverzichtbaren E-Fuel-Anwendungen in Deutschland ersetzt werden.”

Porträtfoto von Dr. Ralf Petri

»Denkbar ist, dass E-Fuels für einen Nischenmarkt von Bestandsfahrzeugen mit Verbrennungsmotor im Markt relevant bleiben. Darüber hinaus werden E-Fuels im Straßenverkehr aber keine Rolle spielen.«

Dr. Ralf Petri, 
Leiter VDE Mobility 

| VDE

Unverzichtbar für den Klimaschutz – aber nicht in Pkw und Lkw

Man ist also so weit weg davon, auch nur annährend den Bedarf an synthetischen Kraftstoffen zu decken, dass selbst ein extrem ambitionierter Hochlauf von E-Fuel-Projekten („der dringend notwendig und zu empfehlen ist!”) nicht ausreichen würde. Mit anderen Worten: Es wäre grob fahrlässig, die Nachfrage noch weiter anzukurbeln, wenn man eigentlich genau weiß, dass die benötigten Mengen nicht da sein können und an anderer Stelle gebraucht werden. „E-Fuels sind unverzichtbar für den Klimaschutz“, stellt Ueckerdt klar, „aber eben nicht für Autos und Lastwagen“.

Und was meint der VDE zu dieser Diskussion? „Denkbar ist aus unserer Sicht allenfalls, dass E-Fuels später für einen Nischenmarkt von Bestandsfahrzeugen mit Verbrennungsmotor im Markt relevant bleiben – dort, wo auch eine hohe Zahlungsbereitschaft vorhanden ist, beispielsweise aus Liebhaberzwecken, um Oldtimer oder Motorsportwagen zu fahren“, erklärt Dr. Ralf Petri, Leiter VDE Mobility. Zwar stehe man dem Thema E-Fuels grundsätzlich sehr positiv gegenüber. Bereits in der VDE-Studie „Antriebsportfolio der Zukunft“ von 2021 habe man jedoch deutlich gemacht, dass man die Zukunft beim gewerblichen Güter- und Schwerlastverkehr aus den genannten Gründen allein im Batterie- und Brennstoffzellen-Antrieb sehe. Das Festhalten an der Idee, dass synthetische Kraftstoffe im Antriebsportfolio für Neufahrzeuge im Straßenverkehr eine Rolle spielen könnten, hält Petri für strategisch motiviert. „Hier geht es wohl weniger darum, tatsächlich einen Beitrag zu mehr Klimaschutz leisten zu wollen, sondern vielmehr darum, die bestehende Verbrenner-Infrastruktur zu bewahren, um das florierende Geschäftsmodell nicht aufgeben zu müssen.“

E-Fuels: „Nicht konkurrenzfähig“

Wasserstoffmolekül

E-Fuels benötigen Wasserstoff – doch der ist rar und die Nachfrage insbesondere in Industrie, Luft- und Schifffahrt groß. 

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05.09.2023 Publikation

E-Fuels gehören nicht in den Tank von PKWs und LKWs – sagt Prof. Dr. Martin Wietschel vom Fraunhofer-Institut ISI. Nicht nur, weil sie viel zu teuer sind, sondern auch weil sie an anderer Stelle gebraucht werden.

Interview: Martin Schmitz-Kuhl

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