Der Zugang zu relevanten Rohstoffen beschäftigt Unternehmen, Politik und Gesellschaft. Dabei geht es auf vielen Wegen voran: Das Spektrum reicht von einer verstärkten Wiederverwertung von Rohstoffen über die Forschung an möglichen Ersatzstoffen mit vergleichbaren Eigenschaften bis hin zur Erschließung neuer Rohstoffvorkommen. „Das Ziel ist es, die Abhängigkeit der Europäischen Union möglichst zu minimieren“, sagt Tim Brückmann, Koordinator Umwelt und Nachhaltigkeit bei der DKE.
Die derzeitige Situation: ernst. Der Ausblick: bedrohlich. Die EU stuft aktuell 34 Materialien als „kritische Rohstoffe“ ein, vom besonders elektrisch leitfähigen Arsen bis zu Wolfram, das wegen seiner hohen Dichte in der Luftfahrt- oder Telekommunikationstechnik geschätzt wird. Die Hälfte davon wird als „strategisch relevant“ definiert – sie sind besonders wichtig, um grüne und digitale Technik zu entwickeln oder sich in den Bereichen Verteidigung, Luft- und Raumfahrt stabil aufstellen zu können. Die Elektronik- und Elektrotechnikindustrie, erster Abnehmer vieler Rohstoffe und zentraler Zulieferer für viele dieser Zukunftsbranchen, steckt dabei mitten in diesem Thema. Und arbeitet daran, Lösungen zu suchen.
Die Notwendigkeit dafür ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Viele Jahrzehnte lang schwankten zwar immer wieder die Rohstoffpreise, doch Unternehmen fanden Wege, sich damit zu arrangieren. Das ist jetzt vorbei. Erstens steigt der weltweite Rohstoffhunger, weil die Technologisierung und Digitalisierung immer schneller voranschreitet – und etwa Speicher, Solar, Wasserstoff-Elektrolyse oder KI-Chips zwingend bestimmte Materialien benötigen, die es nur in vergleichsweise geringen Mengen gibt. Die Internationale Energieagentur (IEA) registrierte etwa allein zwischen 2022 und 2023 ein 30-prozentiges Nachfrageplus bei Lithium. Bei Nickel, Kobalt, Graphit und Seltenen Erden stieg die Nachfrage zwischen 8 und 15 Prozent.
Zweitens blicken viele Industriestaaten mittlerweile deutlich kritischer auf die ökologischen und sozialen Realitäten rund um die Rohstoffgewinnung. In Südamerika wird Lithium beispielsweise häufig dadurch gewonnen, dass mineralienhaltiges Grundwasser in riesige Reservoirs gepumpt wird und dort verdunstet. In den ohnehin trockenen Regionen verdorrt die Vegetation rund um diese Abbauvorhaben. Aus China gibt es Berichte über Dörfer nahe an Abbaugebieten, in denen überproportional viele Menschen an Krebs erkranken. Und in den Kobalt-Minen in der Demokratischen Republik Kongo sollen immer wieder auch Kinder unter Einsatz ihres Lebens arbeiten.
Drittens ist die Konkurrenz um diese Ressourcen härter geworden. Mehr Länder wollen die Rohstoffe entweder für sich nutzen – oder kontrollieren viel strikter, wer das in ihren Grenzen abgebaute Material nutzen darf. Ein wichtiges Abbauland wie Russland, führend bei Nickel, Titan oder Palladium, führt seit drei Jahren einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. China stellte vor knapp zwei Jahren Gallium und Germanium, höchst relevante Metalle für die Halbleiterfertigung, unter eine strenge Ausfuhrkontrolle. „Es geht um eine wirtschaftspolitische und geopolitische Instrumentalisierung“, sagt Simon Glöser-Chahoud, Professor für Corporate Sustainability and Environmental Management an der Technischen Universität (TU) Freiberg. Der Wohlstand steht auf dem Spiel: Eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger gemeinsam mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat errechnet, dass der deutschen Wirtschaft ein Wertschöpfungsverlust von bis zu 115 Milliarden Euro droht, sollte China als Lithium-Lieferant ausfallen.