Blick in einen Bergbauschacht in Pöhla

Bergbauschacht der deutschen Saxony Minerals & Exploration AG im Erzgebirge.

| Saxony Minerals & Exploration
01.04.2025 VDE dialog

Rohstoffe: Auf der Jagd nach verborgenen Schätzen

Die Nachfrage nach Technologie-Rohstoffen steigt. Unternehmen, Politik und Gesellschaft suchen nach zusätzlichen Quellen und alternativen Wegen, um Deutschland und die EU unabhängiger vom Weltmarkt machen zu können. Die Zeit ist reif für neue Ideen.

Von Manuel Heckel

Es geht um ganz heiße Ware – buchstäblich: 170 Grad warm ist das Wasser, was das Unternehmen Vulcan Energy Resources im rheinland-pfälzischen Landau aus der Tiefe des Erdreichs pumpt. Die stark salzhaltige Flüssigkeit läuft zunächst über ein Filtermaterial, an dem Pulver hängen bleibt. Knapp 130 Kilometer nördlich, im Industriepark Frankfurt-Höchst, geht es dann weiter mit der Verarbeitung: Mithilfe eines Elektrolyseurs entsteht zum einen Salzsäure, zum anderen – nach einer weiteren Trocknung – Lithiumhydroxidmonohydrat. Dann ist ein wertvoller Grundstoff für eine Zukunftstechnologie gewonnen.

Autobatterien made in Germany – das ist das ehrgeizige Ziel von Vulcan Energy. Im Januar dieses Jahres vermeldete die Firma die erste erfolgreich produzierte Charge. Stimmt die Qualität, gelingt die Finanzierung, will das deutsch-australische Unternehmen 2027 mit der kommerziellen Produktion starten. Dann sollen bald 24.000 Tonnen Lithiumhydroxidmonohydrat pro Jahr gefördert werden. Das würde ausreichen, um eine halbe Million Elektrofahrzeuge mit den nötigen Speicherkapazitäten auszurüsten. „Das ist nicht alles, was wir in Europa benötigen“, sagt Christian Freitag, Chief Commercial Officer von Vulcan Energy, „aber es hilft, um mehr Autarkie bei diesem Rohstoff zu schaffen.“

Kolben zur Direkten Lithiumextraktion durch Adsorption

Um aus geförderter Sole Lithium für die Batterieherstellung zu gewinnen, wendet Vulcan Energy das Verfahren der Direkten Lithiumextraktion durch Adsorption (A-DLE) an.

| Vulcan Energie Ressourcen GmbH

Der Zugang zu relevanten Rohstoffen beschäftigt Unternehmen, Politik und Gesellschaft. Dabei geht es auf vielen Wegen voran: Das Spektrum reicht von einer verstärkten Wiederverwertung von Rohstoffen über die Forschung an möglichen Ersatzstoffen mit vergleichbaren Eigenschaften  bis hin zur Erschließung neuer Rohstoffvorkommen. „Das Ziel ist es, die Abhängigkeit der Europäischen Union möglichst zu minimieren“, sagt Tim Brückmann, Koordinator Umwelt und Nachhaltigkeit bei der DKE.

Die derzeitige Situation: ernst. Der Ausblick: bedrohlich. Die EU stuft aktuell 34 Materialien als „kritische Rohstoffe“ ein, vom besonders elektrisch leitfähigen Arsen bis zu Wolfram, das wegen seiner hohen Dichte in der Luftfahrt- oder Telekommunikationstechnik geschätzt wird. Die Hälfte davon wird als „strategisch relevant“ definiert – sie sind besonders wichtig, um grüne und digitale Technik zu entwickeln oder sich in den Bereichen Verteidigung, Luft- und Raumfahrt stabil aufstellen zu können. Die Elektronik- und Elektrotechnikindustrie, erster Abnehmer vieler Rohstoffe und zentraler Zulieferer für viele dieser Zukunftsbranchen, steckt dabei mitten in diesem Thema. Und arbeitet daran, Lösungen zu suchen.

Die Notwendigkeit dafür ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Viele Jahrzehnte lang schwankten zwar immer wieder die Rohstoffpreise, doch Unternehmen fanden Wege, sich damit zu arrangieren. Das ist jetzt vorbei. Erstens steigt der weltweite Rohstoffhunger, weil die Technologisierung und Digitalisierung immer schneller voranschreitet – und etwa Speicher, Solar, Wasserstoff-Elektrolyse oder KI-Chips zwingend bestimmte Materialien benötigen, die es nur in vergleichsweise geringen Mengen gibt. Die Internationale Energieagentur (IEA) registrierte etwa allein zwischen 2022 und 2023 ein 30-prozentiges Nachfrageplus bei Lithium. Bei Nickel, Kobalt, Graphit und Seltenen Erden stieg die Nachfrage zwischen 8 und 15 Prozent.

Zweitens blicken viele Industriestaaten mittlerweile deutlich kritischer auf die ökologischen und sozialen Realitäten rund um die Rohstoffgewinnung. In Südamerika wird Lithium beispielsweise häufig dadurch gewonnen, dass mineralienhaltiges Grundwasser in riesige Reservoirs gepumpt wird und dort verdunstet. In den ohnehin trockenen Regionen verdorrt die Vegetation rund um diese Abbauvorhaben. Aus China gibt es Berichte über Dörfer nahe an Abbaugebieten, in denen überproportional viele Menschen an Krebs erkranken. Und in den Kobalt-Minen in der Demokratischen Republik Kongo sollen immer wieder auch Kinder unter Einsatz ihres Lebens arbeiten.

Drittens ist die Konkurrenz um diese Ressourcen härter geworden. Mehr Länder wollen die Rohstoffe entweder für sich nutzen – oder kontrollieren viel strikter, wer das in ihren Grenzen abgebaute Material nutzen darf. Ein wichtiges Abbauland wie Russland, führend bei Nickel, Titan oder Palladium, führt seit drei Jahren einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. China stellte vor knapp zwei Jahren Gallium und Germanium, höchst relevante Metalle für die Halbleiterfertigung, unter eine strenge Ausfuhrkontrolle. „Es geht um eine wirtschaftspolitische und geopolitische Instrumentalisierung“, sagt Simon Glöser-Chahoud, Professor für Corporate Sustainability and Environmental Management an der Technischen Universität (TU) Freiberg. Der Wohlstand steht auf dem Spiel: Eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger gemeinsam mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat errechnet, dass der deutschen Wirtschaft ein Wertschöpfungsverlust von bis zu 115 Milliarden Euro droht, sollte China als Lithium-Lieferant ausfallen.

Fünf unterschiedliche Gesteinsarten

Wertvoll für die Industrie, unverzichtbar für die Energiewende: Kobalt, Nickel und Lithium werden in der Batterieherstellung verwendet, Arsen in Halbleitern, Wolfram unter anderem für Leuchtmittel.

| björn wylezich / agnieszka / s_e / hjschneider / stock.adobe.com

Die EU hält unter anderem mit dem „Critical Raw Materials Act“ dagegen, der im März 2024 final verabschiedet wurde. Er sieht unter anderem vor, dass zehn Prozent des jährlichen Verbrauchs von strategischen Rohstoffen innerhalb der EU produziert werden sollen. Die Herausforderung: Der Bergbau, insbesondere rund um Technologie-Rohstoffe wie Metalle, wurde in weiten Teilen Deutschlands seit Jahrzehnten vernachlässigt. „Die Herausforderung ist, so eine Industrie wieder zu aktivieren und in die Wertschöpfungskette einzubinden“, formuliert es Glöser-Chahoud.

Denn: Bis Vorkommen identifiziert werden, Abbaustätten genehmigt sind und die Produktion ins Rollen kommt, vergehen schnell ein, zwei oder drei Jahrzehnte. „Bergwerke brauchen Jahre, um zu starten – und Jahrzehnte, um sich zu rentieren“, sagt Glöser-Chahoud. Der „Critical Raw Materials Act“ will diese Genehmigungszyklen verkürzen und auch Fördermittel für wichtige Projekte bereitstellen. Doch es passiert schon jetzt etwas. In Pöhla im Erzgebirge ist beispielsweise der Abbau von Wolfram, Flussspat und Zinn geplant, der ab 2027 starten soll. Mehrere Dutzend andere Vorhaben allein in Sachsen sind in Vorbereitung, viele davon wollen Lithium erschließen.

Vulcan Energy, das die lithiumhaltige Sole des Oberrheingrabens nutzt, kennt diese Herausforderungen. Das Unternehmen rechnet mit etwa 1,4 Milliarden Euro Investitionsausgaben, um dann 2027 mit der kommerziellen Anlage in den Betrieb gehen zu können. Bevor Bohrungen erfolgen, müssen ausführliche Gespräche mit Anwohnern geführt werden – die Skepsis gegenüber Bergbauprojekten ist oft groß. „Der Erfolg dieser Projekte steht und fällt mit einer stetigen Transparenz“, sagt Vulcan-Energy-Manager Freitag. Sein Unternehmen bringt dabei ein überzeugendes Zusatzargument mit an den Tisch: Die heiße Flüssigkeit wird zudem noch dazu eingesetzt, um ein Geothermiekraftwerk zu betreiben – und damit über eine nachhaltige Fernwärmeversorgung CO2-freie Energie in die Region zu bringen.

Ein Risiko bleibt jedoch: Ob und in welchem Maße bestimmte Rohstoffe in einigen Jahrzehnten benötigt werden, lässt sich nicht immer zuverlässig vorhersagen. Gleichzeitig ist klar, dass sich der wachsende Bedarf nach den Technologie-Rohstoffen keineswegs durch eine EU-eigene Produktion decken lässt. Schon deshalb, weil relevante Vorkommen schlicht nicht in dieser Weltregion vorhanden sind. Aktuell bezieht die EU beispielsweise 100 Prozent der sogenannten schweren Seltenen Erden aus China.

Zu dieser Kategorie gehört etwa auch – trotz des irreführenden Namens – der Rohstoff Europium. Dieses silbrig glänzende und weiche Metall kommt beispielsweise in Flachbildschirmen oder Leuchtmitteln zum Einsatz, aber auch in Lasern oder elektronischen Messgeräten. Einem Forscherteam der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich ist es nun gelungen, das wertvolle Material aus alten Leuchtstofflampen zu gewinnen. Dabei setzen die Wissenschaftler auf sogenannte Tetrathiometallate, die eine vergleichsweise einfache Trennung des Seltenerdmetalls ermöglichen. „Damit gewinnen wir Europium in wenigen einfachen Schritten – und das in Mengen, die mindestens 50-mal höher sind als mit bisherigen Trennmethoden“, sagt Doktorandin Marie Perrin.

Eine junge Frau in einem Labor

In der einen Hand die Leuchtstofflampe als Rohstofflieferant, in der anderen das gelbe Reagenz, das seltene Erden trennen kann: ETH-Doktorandin Marie Perrin präsentiert den neuen Recycling-Ansatz.

| Fabio Masero / ETH Zürich

Dieses Beispiel zeigt, welches Potenzial im Recycling von Rohstoffen steckt, die sich heute bereits in Europa im Umlauf befinden. Laut Plänen der EU sollen solche wiederverwendeten Materialien bis 2030 schon mindestens 15 Prozent des jährlichen Verbrauchs ausmachen. Im Elektroschrott, der heute vielfach noch bedenkenlos in Drittstaaten exportiert wird, stecken bislang vernachlässigte Schätze. Damit gewinnt die Kreislaufwirtschaft, die auch aus ökologischen Gründen innerhalb der EU forciert wird, noch einmal an Bedeutung. „Natürlich kostet es Geld, die heutigen Lieferketten und Abläufe umzuwerfen“, sagt DKE Koordinator Tim Brückmann.

Doch je knapper bestimmte Rohstoffe werden, je höher die Preise auf dem Weltmarkt steigen, je drängender das Material benötigt wird, desto eher lohnen sich die neuen Wertschöpfungsketten. „Wir müssen anfangen, sorgsam zu sammeln und zu sortieren“, sagt Brückmann. Ein wichtiges Element auf diesem Weg ist der digitale Produktpass. Wenn man künftig weiß, welche Rohstoffe in einem Auto, einer Turbine oder einer Waschmaschine enthalten sind, ist eine entsprechende Aufbereitung überhaupt erst möglich.

Dennoch gibt es auch hier Grenzen – insbesondere bei extrem raren Rohstoffen. „Wir können nur das recyclen, was vorher überhaupt auf den Markt gebracht wurde“, sagt Wissenschaftler Glöser-Chahoud. Zu den notwendigen Maßnahmen, um als EU unabhängiger vom Weltmarkt agieren zu können, gehören daher auch politische Abkommen mit wichtigen Lieferländern. Und ein Wandel in der Kultur: „Wir müssen dahin kommen, dass wir ein investitions- und innovationsfreudiges Klima haben“, sagt Vulcan-Energy-Manager Freitag.

Für sein Unternehmen geht es voran. Nach langwierigen Diskussionen im Ludwigshafener Gemeinderat durfte Vulcan Energy zu Beginn dieses Jahres Erkundungsfahrten in der Stadt am Rhein beginnen. Gemeinsam mit dem Chemiekonzern BASF wird untersucht, ob unter dessen Stammwerk ebenfalls lithiumhaltiges Thermalwasser gewonnen werden kann. Das Thema, ebenso wie die Sole, bleibt heiß.

Rohstoffförderung: „Geologische Karten aus dem vorletzten Jahrhundert“

Bodeninspektion und -scannen aus der Luft mit Drohne
thieury / stock.adobe.com
01.04.2025 VDE dialog

Jochen Kolb, Professor für Geochemie und Lagerstättenkunde am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) bemängelt, dass das Wissen über mögliche Rohstoffvorkommen in Deutschland fehlt – und wirbt für moderne Erkundungsmaßnahmen.

Interview: Manuel Heckel

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