Bodeninspektion und -scannen aus der Luft mit Drohne
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01.04.2025 VDE dialog

Rohstoffförderung: „Geologische Karten aus dem vorletzten Jahrhundert“

Jochen Kolb, Professor für Geochemie und Lagerstättenkunde am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) bemängelt, dass das Wissen über mögliche Rohstoffvorkommen in Deutschland fehlt – und wirbt für moderne Erkundungsmaßnahmen.

Interview: Manuel Heckel

Porträtfoto von Prof. Dr. Jochen Kolb

Dr. Jochen Kolb ist Professor für Geochemie und Lagerstättenkunde am Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

| Manuel Balzer / KIT

VDE dialog: Welche potenziellen Vorkommen bei Technologie-Rohstoffen gibt es in Deutschland?

Prof. Jochen Kolb: Wir wissen von Kobaltvorkommen im Schwarzwald und im Odenwald, aber die Datensammlung wurde mit dem Bergbau im 19. Jahrhundert eingestellt. Die Datenlage in den neuen Bundesländern ist besser, da zu DDR-Zeiten intensiv nach Rohstoffen gesucht wurde. Daher gibt es dort auch intensive Exploration im fortgeschrittenen Stadium, zum Beispiel nach den Rohstoffen Lithium, Kupfer oder Wolfram und Zinn.

Insgesamt werden hierzulande aber nur wenige Abbauprojekte angeschoben. Sie sagen: Da könnte mehr passieren.

Genau. Doch die Datenlage ist schlecht und veraltet. Es wäre viel mehr möglich, wenn wir bessere Einblicke hätten, welche Rohstoffe wo genau in Deutschland zu finden sind. Das Rohstoff-Know-how beschränkt sich in Deutschland auf sehr wenige Einrichtungen. Viele geologische Landesämter haben sich in den vergangenen Jahrzehnten andere Schwerpunkte gesetzt. Wenn es um Vorkommen für Gips, Salz oder Kalksand geht, sind wir gut aufgestellt – und in manchen Bereichen Selbstversorger. Bei metallischen Rohstoffen ist das anders.

Weshalb gibt es bislang keine detaillierteren Einblicke?

Die grundlegende Forschung wurde massiv heruntergefahren. In Westdeutschland wurde seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges teilweise keine moderne Exploration gemacht. Wir wissen nicht, was 200 Meter unter unseren Füßen liegt. In Ostdeutschland wurden immerhin noch bis in die 90er-Jahre Daten gesammelt. Aber manche unserer geologischen Karten sind aus dem vorletzten Jahrhundert. Und in dem Zeitraum hat sich unsere Wissenschaft schon ein wenig weiterentwickelt.

Was wäre technisch möglich?

In Australien, Skandinavien oder Südafrika zeigt sich, welche enormen Fortschritte die Explorationstechnologie in den vergangenen Jahren gemacht hat. Rohstoffe an der Oberfläche kann man leicht finden und abbauen, in der Tiefe wird es dann schwieriger. Dafür benötigt man geophysikalische Daten, die man etwa durch magnetische, radiometrische, seismische oder Widerstands-Messungen erhalten kann. Durch die verbesserte Computertechnologie lassen sich solche Daten besser, sensitiver und effektiver auswerten. Zudem kann man heute Drohnenschwärme aufsteigen lassen, anstatt teure Flüge mit Flugzeugen oder Hubschraubern zu unternehmen.

Was lässt sich durch solche Explorationen alles entdecken?

Bis etwa 1500 Meter Tiefe kann man mögliche vorhandene Rohstoffe so sehr gut erkennen und abbilden. Auch tiefer sind noch Erkenntnisse möglich, aber dann wird es ein bisschen nebulöser. Technologisch ist das keine Herausforderung: Ein Bergwerk in Betrieb zu nehmen, das bis zu 1500 Meter Tiefe abbaut, das ist kein Problem.

Aber der Widerstand gegen solche Abbauprojekte dürfte groß sein, oder?

Beim Bergbau haben heute viele noch das Bild aus den 70er-Jahren im Kopf – wo der kohleverschmierte Arbeiter mit Staublunge unter Tage sitzt. Heute sieht das ganz anders aus. In modernen Bergwerken in Schweden arbeitet heute nahezu niemand mehr im Stollen. Die Arbeiter dort sitzen oben am Joystick und steuern die Abbauroboter fern. Da ist vieles passiert, was dem Untertagebergbau den Schrecken nimmt. Studien aus Schweden zeigen, welche Effekte damit einhergehen: Traditionell wird die Bergbaubranche von Männern dominiert. Heutzutage findet sich in manchen modernen Werken ein Frauenanteil von bis zu 50 Prozent.

Welche Folgen hat die schlechte Datenlage für die Rohstofferschließung?

Es fehlt an Investitionen, an Infrastruktur, an Datensätzen, die Unternehmen als Basis für ihre Suche nutzen könnten. Im Prinzip geht es dabei um eine Art Subvention des Staates, um einen Anschub, wenn die Firmen grundlegende Informationen zur Verfügung haben. Der südafrikanische geologische Dienst hat es sich etwa zum Ziel gesetzt, alle 25 Jahre neue Karten auszugeben, um der Bergbauindustrie aktuelle Daten bieten zu können.

Verursacht so eine Arbeit nicht enorme Kosten?

So teuer ist das gar nicht. Wir haben das hier mit einem Beratungsunternehmen für den Oberrheingraben in Baden-Württemberg durchgespielt. Einen geophysikalischen Datensatz für diese ganze Region zu erstellen, würde etwa zwei Millionen Euro kosten. Das ist nicht so viel Geld.

Haben Sie das Gefühl, dass sich da etwas tut?

Ich spüre schon ein wachsendes Interesse, aus den Medien, aus der Industrie und auch aus der Politik. Doch wissenschaftlich betrachtet ist das Thema Rohstoffe seit den 80er-Jahren im Niedergang. Wir haben vielleicht noch drei universitäre Standorte, die sich mit Rohstoffgeologie befassen. Ähnlich sieht es bei der Ausbildung von Verfahrenstechnikern, Bergbau- oder Aufbereitungsingenieuren aus. Die Studienzahlen gehen überall deutlich zurück. Das Thema mag in der Diskussion sein, aber in den Zahlen spiegelt es sich bislang nicht wider.

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