Darstellung eines Nanoroboters in der Blutbahn
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01.01.2025 VDE dialog

Medizintechnik: Roboter im Blut

Mikro- und Nanobots, die sich in allen Winkeln des menschlichen Körpers bewegen, sind keine Science-Fiction mehr. Kleinste Roboter könnten bei der Behandlung von Krankheiten helfen an Stellen, an die sonst keiner herankommt. Im Fokus der Forschung stehen der Antrieb und die Steuerung.

Von Julian Hörndlein

Netzhauterkrankungen sind für Betroffene mit großem Leid verbunden. Bei der altersabhängigen Makuladegeneration geht die Sehfähigkeit im Bereich des Gelben Flecks zurück, das kann zu Sehbehinderungen führen. Das Problem: Netzhauterkrankungen sind aufgrund ihrer schlechten Erreichbarkeit schwierig zu behandeln, Betroffene bekommen regelmäßig aufwendig Spritzen ins Auge.

Das zu ändern, ist das Ansinnen von Prof. Dr. Peer Fischer, Professor für Experimentelle Physik am Institute for Molecular Systems Engineering der Universität Heidelberg. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich mit dem Einsatz von Robotik im menschlichen Auge. Er will kleinste Roboter, beladen mit Wirkstoffen, durch das Auge steuern, um sie an der Netzhaut wirken zu lassen. „Wir möchten einen direkten Transport ermöglichen, der minimalinvasiv direkt durch den Glaskörper erfolgt“, sagt Fischer. Minimalinvasiv bedeutet auch: Je kleiner, desto besser. Daher werden entweder Mikroroboter, die weniger als einen Millimeter klein sind, eingesetzt oder Nanoroboter, die nur 500 Nanometer breit sind. Das ist rund 200-mal kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haares. Wissenschaftler setzen unter anderem speziell beschichtete Propeller dieser Größe ein, die durch dichtes Gewebe wie den Glaskörper navigiert werden können. Diese Roboter weisen eine helikale Struktur auf – „wie ein Korkenzieher“, veranschaulicht Fischer.

Da bei solchen Dimensionen allerdings kein Platz für einen klassischen Motor ist, werden spezielle Antriebsarten benötigt. Wenn Roboter durch den Körper gesteuert werden sollen, gibt es mehrere Möglichkeiten: Neben Ultraschall und akustischen Lösungen kommt die Steuerung per Licht, zum Beispiel durch Infrarot, infrage. Auch ein chemischer oder biologischer Antrieb ist je nach Aufbau des Roboters möglich. „Am weitesten fortgeschritten ist der magnetische Antrieb“, sagt Dr. Erdost Yildiz, Postdoktorand am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Stuttgart. Er arbeitet in der Neurostimulation unter anderem an der Behandlung von Alzheimer und Parkinson mit mikroskopisch kleinen Robotern.

Mikroskopische Aufnahme von Mikroroboter und Neuronen

Um Parkinson zu behandeln: Mikroroboter (violett) stimulieren die Verzweigungen von Neuronen (rot) mit elektrischen Signalen.

| Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme

Die Anwendungsfälle sind sehr vielfältig und reichen von neurodegenerativen Erkrankungen bis zu Krebs, von Thrombosen bis zu Infektionen. „Die Behandlung von Krebs ist natürlich eines der wichtigsten Forschungsinteressen“, erklärt Yildiz. Konkret geht es um die Arten, die im Körper nur schwer zu erreichen sind, wie Tumore im Gehirn, in der Leber oder der Bauchspeicheldrüse. Mikro- und Nanoroboter könnten aber auch dazu verwendet werden, um mit Ultraschall Thrombosen aufzulösen oder andere Gefäßerkrankungen wie Stenosen oder Aneurysmen zu behandeln.

„Es gibt Aneurysmen, an die man mit einem Katheter nicht herankommt“, sagt Dr. Anna C. Bakenecker, Gruppenleiterin Magnetische Methoden an der Fraunhofer-Einrichtung für Individualisierte und Zellbasierte Medizintechnik IMTE in Lübeck zum Thema. Zur magnetischen Steuerung der kleinen Roboter kommen unterschiedliche Verfahren zum Einsatz. Zum einen kann ein magnetisches Gradientenfeld angelegt werden, das in seiner Stärke zu- und abnimmt. Mit solchen elektromagnetischen Spulenaufbauten werden die Mikroroboter an die richtige Stelle gezogen, aber die erreichten Kräfte sind oft sehr klein. Etwas besser steuerbar sind rotierende, homogene Felder, die ein Drehmoment erzeugen. Das kommt vor allem Robotern in Helixform zugute – wie dem Nanopropeller durchs Auge. „Der Roboter rotiert dann mit derselben Rotationsfrequenz wie das Magnetfeld“, erklärt Bakenecker. Zusätzlich werden in der Forschung auch oszillierende Magnetfelder verwendet, die eine Schwimmbewegung bei den Mikrorobotern verursachen.

Bis es allerdings einen klinischen Einsatz von Mikro- und Nanorobotern gibt, wird es wohl noch dauern. „Wir sind aktuell in der präklinischen Phase“, sagt Erdost Yildiz. In China und Japan gebe es erste Forschungsanwendungen am menschlichen Körper. Yildiz schätzt, dass man in fünf bis zehn Jahren in Deutschland mit den ersten Tests beginnen könne. „Die größte Herausforderung ist die Sicherheit dieser Anwendungen“, sagt auch Bakenecker. Gerade in Deutschland und Europa sei man sehr stark auf die Sicherheit bedacht. „Bei Firmen und Spin-offs ist das Ausland weiter, in der Forschung stehen wir aber gut da“, sagt Peer Fischer.

Dass die Weiterentwicklung von Mikro- und Nanorobotik in der Medizin vorangetrieben werden soll, dem sind sich die drei Forschenden sicher: „Es besteht ziemlich großes Potenzial für den Einsatz dieser Technologien“, sagt Peer Fischer. Und auch medizinische Probleme, die es zu lösen gilt, sind zur Genüge vorhanden.


Mikro- und Nanorobotik im Körper: Gezielter behandeln

Nanobots
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01.01.2025

Sie sind teils kleiner als menschliche Zellen: Mikro- und Nanoroboter bergen großes Potenzial in der Medizin. Während der 3D-Druck dem Forschungsfeld einen Aufschwung beschert hat, sieht sich die Forschung noch mit einigen Herausforderungen konfrontiert. Ein Gespräch mit Dr. Anna C. Bakenecker vom Fraunhofer IMTE in Lübeck zu den Potenzialen kleinster Robotik.

Interview: Julian Hörndlein

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