VDE dialog: Um zu verstehen, worüber wie genau reden: Was sind die wichtigsten Unterschiede zwischen Mikro- und Nanorobotik?
Dr. Anna C. Bakenecker: Wie der Name schon sagt, spielt die Größe der Roboter da eine große Rolle. Von Mikrorobotik wird teilweise schon bei Robotern von einigen Millimetern bis zu einigen Mikrometern Größe gesprochen. Dabei ist auch die Form wichtig: Bei Mikrorobotern werden häufig Systeme mit einer helikalen Form verwendet. Im Bereich der Nanoroboter reden wir häufig eher über steuerbare sphärische Partikel – also kleinste Kugeln, die mit einem Wirkstoff beladen und dann durch den Körper gesteuert werden. In der Praxis ist der Übergang zwischen Mikro- und Nanorobotik fließend.
Wo liegen denn jeweils die Einsatzbereiche?
Zuerst einmal befindet sich das alles noch in der Entwicklung. Natürlich sind Nanobots immer dann interessant, wenn es um sehr kleine Strukturen wie vaskuläre Kapillaren geht. Da passen Mikroroboter schlichtweg nicht mehr durch. Allerdings gibt es auch Ansätze, dass Mikroroboter mit Nanobots beladen werden. Wenn es dann in die Kapillaren geht, setzt der Mikroroboter die Nanobots frei. Grundsätzlich geht es beim Einsatz der Technologien immer um die Behandlung lokaler Krankheiten: Das können ein Tumor, eine Gefäßverengung oder andere schwer zu erreichende Krankheitsherde sein.
Das klingt kompliziert. Wie werden Mikro- und Nanoroboter zielgenau durch den Körper gesteuert?
Es gibt mehrere Arten, um Mikro- und Nanoroboter zu steuern. Möglich ist eine Steuerung durch Licht, durch Ultraschall oder durch chemische Reaktionen auf der Oberfläche von Mikro- und Nanobots, die dann zur Fortbewegung führen. Ich beschäftige mich vor allem mit der magnetischen Steuerung.
Warum das?
Magnetfelder haben den Vorteil, dass sie in den verwendeten Feldstärken und Frequenzen unbedenklich für den menschlichen Körper sind. Im Gegensatz zur Steuerung per Licht wirken sie tief in den Körper hinein. Blickt man auf die aktuelle wissenschaftliche Forschung dazu, erscheint mir der magnetische Antrieb als am weitesten verbreitet. Ebenfalls vielversprechend sind aber auch die chemischen Reaktionen. Bei Blasenkrebs können Nanobots zum Beispiel durch Harnstoff angetrieben werden. Das funktioniert mit Enzymen, die auf der Hülle der Nanopartikel angelagert sind. Die Enzyme spalten dann den Harnstoff, was einen Vorwärtsantrieb des Partikels verursacht.
Sie haben beschrieben, dass Magnetfelder unbedenklich sind. Wie sieht es denn im allgemeinen Einsatz von Mikro- und Nanobots im Körper aus?
Da gibt es noch einige Herausforderungen zu bewältigen. Egal ob Magnetfelder oder ein anderer Steuerungstyp, man muss immer eine sichere Nachverfolgung der Mikroroboter gewährleisten. Dort kommt dann Bildgebung ins Spiel: Wir brauchen eine zuverlässige, dreidimensionale Bildgebung in Echtzeit, die es ermöglicht, den Roboter präzise nachzuverfolgen und steuern zu können. Das sehe ich aktuell als die größte Herausforderung in der Entwicklung an. Die Sicherheit der Steuerung ist vor allem auch dann wichtig, wenn es um den tatsächlichen Einsatz in der Klinik geht.
Was passiert denn mit den Mikrorobotern nach getaner Arbeit?
Da gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wird er zurückgefahren oder er löst sich an Ort und Stelle auf. Es wird deshalb viel an abbaubaren Materialien geforscht oder solchen, die auf einen Wärmetrigger hin einen Wirkstoff freisetzen und sich dann auflösen. Bei der magnetischen Steuerung setzen wir häufig Eisenoxid ein – ein Stoff, der magnetisch genug ist, aber auch sehr gut verträglich für den Körper.
Mikro- und Nanobots sind winzig. Wie läuft eigentlich die Herstellung ab?
Die Entwicklungen im Bereich der Additiven Fertigung – auch als 3D-Druck bekannt – haben tatsächlich zu einem Entwicklungsschub in diesem Feld geführt. Das Stichwort ist die Zwei-Photonen-Lithographie: Das ist ein Verfahren der Photopolymerisation, mit der Auflösungen von weniger als 25 Nanometer möglich sind. Mit der Technologie können sehr kleine Strukturen mit sehr großem Freiheitsgrad an Formen hergestellt werden. Es gibt noch weitere Verfahren, darunter zum Beispiel die Abscheidung von Stoffen. In der Nanorobotik wird zudem die chemische Synthese von verschiedenen Nanopartikeln verwendet.
Wo stehen Wissenschaft und Industrie denn in der Entwicklung?
Es gibt erste zaghafte Versuche, die Technologien tatsächlich in Start-ups zu gießen, um damit in den Markt zu kommen. Vor allem Sicherheit, Bildgebung und Nachverfolgung bedürfen aber noch einigem an Forschung. In Deutschland stehen wir vor allem bei der magnetischen Mikrorobotik gut da, da es einige Forschungsgruppen gibt. Insgesamt ist die wissenschaftliche Mikro- und Nanorobotik-Community aber sehr international, hier wird gute Arbeit geleistet.
Dr. Anna C. Bakenecker ist Gruppenleiterin Magnetische Methoden an der Fraunhofer-Einrichtung für Individualisierte und Zellbasierte Medizintechnik IMTE und beschäftigt sich dort unter anderem mit der Neu- und Weiterentwicklung innovativer magnetischer Methoden im medizinischen Einsatz.