Caroline Schalk ist 19 Jahre alt, sie hat gerade ihr Abitur gemacht, 15 Punkte in Physik und Mathe. Ihre Eltern arbeiten beide in Ingenieurberufen, und für Caroline Schalk stand lange fest: Auch sie möchte Ingenieurin werden. Bis sie dann, in der Oberstufe, immer mehr Respekt vor dem Studium entwickelte; eine, wie sie selbst sagt, „irrationale Angst“. Sie habe plötzlich das Gefühl gehabt, andere seien ihr voraus, sie traute sich das Studium nicht mehr zu. Also rückte sie immer weiter von ihren ursprünglichen Plänen ab, informierte sich über BWL-Studiengänge, sah sich schließlich selbst doch eher in einem Hörsaal für „International Business“.
Woher kam diese plötzliche Angst? Warum verließ Caroline, die gute Noten in naturwissenschaftlichen Fächern, einen klaren technischen Berufswunsch und auch noch ihre Eltern als Vorbilder hatte der Mut? Caroline sagt, sie habe andere – vor allem Jungs – deutlich weiter als sich gesehen. Die hätten vielleicht schon vor Jahren angefangen zu programmieren, Dinge zu entwickeln, zu bauen, während sie selbst von alldem noch keine Ahnung hatte. Trotz ihrer Mutter als Vorbild – sie habe das Gefühl gehabt, die technischen Studiengänge seien noch immer „eine Männerwelt“ und dass viele um sie herum unbewusst davon ausgingen, dass „Männer einfach mehr dafür geeignet sind als Frauen“.
Diese Gedanken von Caroline Schalk passen nicht nur zu den Studierendenzahlen an deutschen Universitäten und Hochschulen, sie decken sich auch mit den Studien, die bereits zahlreich danach fragten, warum junge Frauen sich gegen MINT-Fächer entscheiden, obwohl sie sehr gute Noten in den entsprechenden Schulfächern haben. Elektrotechnik ist – zusammen mit Informatik und Maschinenbau – der unbeliebteste Studiengang bei Frauen, hier liegt ihr Anteil dauerhaft deutlich unter 20 Prozent.
Selbstbewusstsein ist nicht angeboren, sondern wird vom Umfeld geprägt
Im Rahmen einer VDE Studie zum Image der Elektrotechnik wurden auch Gründe identifiziert, die junge Frauen von einem Studium der Elektrotechnik abhalten. Dass Elektrotechnik nun mal eine Männerdomäne sei, das sagten einige der befragten Mädchen; und auch, dass sie Angst davor hätten, in diesem Fach nicht zu genügen. Sie stellen sich vor, dass es ihnen deshalb mit diesem Beruf auch persönlich nicht gut gehen würde, dass sie etwas kaputt machen könnten. Studienleiterin Dr. Maya Götz schreibt: „Die eigenen Konstruktionen von ‚Frauen haben eine schwächere Psyche‘ und ‚Männer haben mehr Selbstbewusstsein und Aggressionspotenzial‘ werden zu Aversionsfaktoren, die sie von dieser Studienrichtung abhalten.“
Mit Selbstzweifeln kennt die Psychologin und psychologische Psychotherapeutin Alina Zinn sich aus. In ihre Praxis kämen häufig Frauen, deren Unsicherheiten sie im Berufsleben einschränken; um Frauen dabei zu unterstützen, hat sie ein Selbstvertrauensbooster-Programm entwickelt. Wichtig sei zu verstehen, sagt Zinn, dass Selbstbewusstsein genauso wie Selbstzweifel nicht angeboren seien, das habe also erst mal gar nichts mit dem Geschlecht zu tun. „Je nachdem, wie wir aufwachsen, wie wir sozialisiert werden, welche Menschen um uns herum sind, entwickeln wir aber bestimmte Muster in unserem Denken, Fühlen und Verhalten.“ Viel hänge von der Stärkung und Bestätigung durch das persönliche Umfeld ab. Dies beeinflusst stark, ob jemand sich fähig und in der Lage fühlt, etwas zu schaffen – oder meint, dass andere besser sind. Gerade bei überbehüteten Kindern, sagt Zinn, deren Eltern ihnen wenig zutrauten, könnte sich später die Annahme entwickeln, immer Hilfe zu brauchen. Das gelte prinzipiell für Jungen genauso wie für Mädchen.