VDE dialog: Der VDE steht wie kaum eine andere Organisation für „Made in Germany“, ist aber selbst mittlerweile ein Global Player. Wie kam es dazu?
Sven Öhrke: Das war irgendwann aus Kundensicht einfach folgerichtig. Viele Produkte –einzelne Komponenten wie auch ganze Haushaltsgeräte – werden heute nicht mehr in Deutschland produziert. Der VDE war lange einer der Letzten, der gesagt hat: „Wir prüfen trotzdem alles in Deutschland.“ Aber als wir uns eingestehen mussten, dass wir so Kunden verlieren, war das nicht mehr zu vertreten, und das Prüf- und Zertifizierungsinstitut hat deshalb nach und nach erste Standorte in Asien aufgebaut.
Der erste Standort außerhalb Deutschlands wurde 1987 in China eröffnet.
Ja, das war unser erstes Vertriebsbüro. Es folgten dann noch weitere Büros auf der ganzen Welt, zum Beispiel in Korea, Japan und Taiwan. In diesen Büros wurden unsere Kunden vor Ort beraten und unterstützt, die Produkte wurden aber weiterhin nach Deutschland geschickt. Heute haben wir neben diesen Büros, die inzwischen über die ganze Welt verteilt sind, aber auch Partnerlabore vor Ort, die nach deutschen Standards akkreditiert sind. Und wir haben in Italien, vor allem aber in China auch eigene Labore aufgebaut. Heute prüfen wir einen Großteil unserer Produkte nicht mehr direkt im Institut in Offenbach. Aber diese Entwicklung – also mehr zu haben als nur einzelne Personen vor Ort – startete erst so um die Jahrtausendwende.
Im Jahr 2001 wurden die VDE Global Services gegründet. Welche „Services“ werden denn von Ihnen angeboten?
Im Prinzip macht die VDE Global Services GmbH an ihren unterschiedlichen Standorten das Gleiche wie das VDE Prüf- und Zertifizierungsinstitut in Offenbach: Wir prüfen die Produkte unserer Kunden. Dabei decken wir nicht das gesamte Portfolio des Instituts ab, aber einen sehr großen Teil. Die Zertifizierungsstelle bleibt allerdings – anders als bei manch einem Mitbewerber – in Deutschland, dort läuft also die finale Freigabe des Zertifikats. Hiermit sichern wir die gleichbleibende Qualität des VDE weltweit ab.
Wie stark ist die Marke VDE im Ausland?
In Europa ist sie sehr bekannt. Der Name VDE öffnet aber auch weltweit viele Türen. Chinesische Hersteller wissen zum Beispiel ganz genau: Wenn ich nach Deutschland liefern will, fragt spätestens der dritte Einkäufer nach dem VDE-Zeichen. Und auch in China selbst, also auf dem heimischen Markt, ist das Zeichen relevant. Große Elektro- und Haushaltsgerätehersteller wie Haier oder Midea nutzen unser Performance-Zeichen.
Ihre Kunden sind hauptsächlich asiatische Unternehmen, die Produkte für den europäischen Markt prüfen lassen wollen. Richtig?
Ja, das ist unser Schwerpunkt. Aber es geht auch in die andere Richtung: Das chinesische Pendant zum europäischen CE-Zeichen ist das Triple-C (China Compulsory Certificate). Für 22 Produktgruppen ist eine solche Zertifizierung verpflichtend, darunter Elektrogeräte, Kabel und Maschinen. Und: Im Gegensatz zur CE-Kennzeichnung erfolgt die Zertifizierung nicht durch den Hersteller, sondern durch autorisierte chinesische Stellen wie die unsrige. Das heißt, wir können unseren deutschen Kunden, wenn sie mit ihren Produkten nach China wollen, für einen Teil der Produktgruppen im eigenen Labor vor Ort eine solche Zertifizierung anbieten.
In Deutschland gibt es das Prüfinstitut in Offenbach, in China haben Sie jetzt aber sogar schon mehrere Standorte mit eigenen Prüflabors eröffnet. Warum denn das?
Einfach, weil das Land um ein Vielfaches größer ist als Deutschland, mit ungefähr 17-mal so vielen Einwohnern. Zudem konnten wir unsere letzten beiden Labore – in Zhongshan und in Cixi – mit Unterstützung der lokalen Regierungen aufbauen. China verlagert nämlich Industrie gezielt aus ihren Großstädten und bietet Fördermittel für den Aufbau in neuen Regionen. Davon haben wir, genauso wie manch andere deutsche Unternehmen, profitiert.
Sind alle Standorte außerhalb Deutschlands Teil der VDE Global Services?
Nein, nicht alle. Viele Standorte in Europa bestehen nur aus einzelnen Inspektoren, die beim Prüfinstitut angestellt sind. In der Türkei zum Beispiel haben wir zwei Inspektoren, zwei Prüfer und einen Vertriebsmitarbeiter – alle beim Institut angestellt. Global Services umfasst nur die Standorte in China, Hongkong, Korea, Taiwan, Japan und Italien. Und auch die USA ist wiederum ein separater Bereich – VDE Americas.
Warum eigentlich ein Labor in Italien?
Der italienische Markt ist groß – viele Haushaltsgerätehersteller wie Whirlpool, Electrolux oder Haier haben dort Produktionsstätten oder Zentralen. Zudem wollten italienische Kunden Ansprechpartner vor Ort. Daher haben wir 2018 in Fabriano ein eigenes Labor aufgebaut.
Gibt es Unterschiede zwischen den Standorten, für die Sie zuständig sind?
Ja, die gibt es. Zum Beispiel: In Taiwan haben wir ein Partnerlabor, das sich nur mit Komponenten beschäftigt, etwa Schalter und Stecker. In Japan machen wir hauptsächlich Vertrieb und haben seit Kurzem ein Partnerlabor für Motoren und Ventilatoren. In Korea liegt der Fokus auf vielen Neuentwicklungen im Energiebereich genauso wie auf „Altbewährtem“ – dort arbeiten wir auch viel mit der Regierung zusammen, aber wir haben kein eigenes Labor, nur eigene Prüfer. In China decken wir dagegen das komplette Portfolio ab.
Warum ist der VDE zum Beispiel in Indien noch nicht stark vertreten?
Der Markt für unsere Produktkategorien war bisher vor allem in China, Korea und Japan. Aber wir haben Indien und Vietnam jetzt als Fokusländer definiert. Dort bauen wir derzeit Strukturen auf – meist über Partner, da wir nicht unbegrenzt Ressourcen für den Aufbau eigener Labore haben. Indien ist also im Kommen.
Sie haben auch kaum Präsenz in Südamerika. Warum?
Aus dem gleichen Grund. Südamerika ist zudem schwierig, weil jedes Land dort eigene Vorschriften hat – das macht den Markt unübersichtlich. Und der Rückfluss aus Investitionen ist dort oft langsamer. Unsere Strategie ist, schnelles Wachstum und große Wirkung. Da liegt der Fokus aktuell eher auf Asien, Osteuropa und den USA.
Das Engagement in den USA ist aber noch vergleichsweise jung.
Ja, leider. Wir müssen uns einfach eingestehen, dass wir den US-Markt lange verschlafen haben, weil wir dort mit Partnern wie UL oder CSA zusammengearbeitet haben. Dann jedoch wollten diese „Partner“ selbst ihre Geschäfte in Europa machen, wir dagegen hatten dort keinen eigenen Fuß in der Tür. Inzwischen sind wir im Bereich Renewable Energy (VDE Americas) allerdings sehr gut positioniert und wollen nun auch ein National Recognized Test Lab (NRTL) werden, um den US-Markt selbst bedienen zu können. Aber wie gesagt: Das ist innerhalb der VDE Gruppe ein eigener Bereich, die VDE Americas.
Was erwarten Sie von der politischen Lage in den USA?
Das ist schwer vorherzusehen. Die Prozesse, zum Beispiel für unsere Zulassungen, verzögern sich gerade. Wir bekommen aktuell keine Rückmeldung von US-Behörden. Sollte sich das verschärfen, könnten Kunden abspringen und direkt in den USA prüfen lassen – das wäre für uns negativ. Andererseits könnte ein Handelskonflikt mit China dazu führen, dass sich chinesische Unternehmen stärker auf Europa konzentrieren – das wäre für uns natürlich ein großer Vorteil.
Zur Person: Sven Öhrke ist Geschäftsführer von VDE Global Services und Mitglied der Geschäftsführung des VDE-Prüf- und Zertifizierungsinstituts.