Aufziehender Hagelsturm
Mike Olbinski
01.07.2025 VDE dialog

USA: Global Player

Am Anfang war die Zertifizierung. Doch mittlerweile haben die VDE Tochterunternehmen VDE Americas und RETC ihr Portfolio deutlich darüber hinaus erweitert.

Von Katja Dombrowski

Am Anfang der VDE Expansion auf die andere Seite des Atlantiks stand die Idee, eine Zertifizierung für große Solarkraftwerke in den USA einzuführen – damals wie heute ein Land mit einem stark wachsenden Photovoltaik-(PV)-Markt. Bereits kurz nach seiner Gründung 2013 entwickelte VDE Americas zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE ein Prüf- und Zertifizierungssystem, das Qualität, Leistung und Sicherheit aller Komponenten großer PV-Anlagen umfasst. Damit verbunden war die Kennzeichnung „VDE Quality Tested for PV Power Plants“ („VDE qualitätsgeprüftes Kraftwerk“).

Seitdem ist viel passiert. VDE Americas mit Sitz im kalifornischen San José im Silicon Valley ist gewachsen und hat sein Spektrum deutlich erweitert. „Die ursprüngliche Kennzeichnung war sehr technisch, es ging zum Beispiel darum, wie gut die Anlage konstruiert war und ob sie ordnungsgemäß beauftragt und vor der Inbetriebnahme getestet worden war“, erklärt Geschäftsführer Brian Grenko. „Heute gehen wir weit darüber hinaus, indem wir unabhängige Ingenieurberichte verfassen.“ Auftraggeber seien zum einen Projektentwickler und zum anderen Banken, die Großprojekte, oft im Wert von Hunderten Millionen Dollar, finanzieren.Hagelsturm

Zu der Beratungsleistung, die VDE Americas anbietet, gehören beispielsweise eine genaue Standortbewertung, die Analyse aller für das Projekt erstellten Studien und eine Bewertung der zu verbauenden Komponenten inklusive Gewährleistung und Wartungsplänen. „Und das Wichtigste, was wir tun, ist, dass wir vorhersagen oder einschätzen, wie viel Strom eine Anlage produzieren wird“, betont Grenko. Das sei letztlich die wichtigste Frage: wie lukrativ das Projekt am Ende ist.

Seit 2021 gehört RETC zur Unternehmensfamilie, anfangs zu 70 Prozent, mittlerweile als hundertprozentige VDE Tochter. Der 2009 gegründete Dienstleister mit Hauptsitz im kalifornischen Fremont, nicht weit von San José entfernt, betreibt Testcenter für PV-Module, Wechselrichter, Speicher und Montagesysteme. „Ein wichtiger Input, den Brian und sein Team brauchen, um das Risiko einer Investition, eines Projekts zu bewerten, ist die technische Prüfung des Produkts selbst“, sagt RETC-Chef Cherif Kedir, „und darauf konzentrieren wir uns.“

Zwei Mitarbeiter und ein Prüfgerät für Solarzellen

Um zu prüfen, wieviel Leistung Solarzellen beim ersten Kontakt mit Licht verlieren, werden sie im Labor bestrahlt.

| © RETC

Hersteller von PV-Modulen aus aller Welt lassen ihre Neuentwicklungen von RETC testen. Da die meisten Produzenten in China sitzen, kommen von dort auch die meisten Kunden, weshalb RETC in dem Land ein eigenes Testcenter betreibt. Für Kunden aus Europa hingegen nutze man das Labor im Fraunhofer ISE. „Als Teil der VDE Gruppe haben wir Zugang zu allen VDE Laboren weltweit“, so Kedir.

Ein großer Teil der Produkte bestehe das strenge Testverfahren nicht. Wenn ein PV-Modul jedoch in allen Kategorien top abschneide, werde es in den jährlichen PV Module Index (PVMI) Report aufgenommen. Dafür müsse es in puncto Zuverlässigkeit, Leistung und Qualität überzeugen. Laut Kedir sind die RETC-Kriterien wesentlich strenger als bei anderen Ranking-Systemen in den USA. Dadurch sei die Auszeichnung ein Gütesiegel, das auf dem Markt zähle. Daneben untersucht der Bericht auch aktuelle Branchentrends und stellt Herausforderungen dar.

Untersuchung von Solarpaneelen

Damit´s wieder besser läuft: RETC bietet forensische Untersuchungen von Solaranlagen vor Ort an, um zu ermitteln, warum die Module nicht die erwartete Leistung liefern

| © RETC

Zu Letzteren gehört in den USA bereits seit Jahren das Risiko von Hagelschäden, was zum Riesenfaktor für die Versicherbarkeit von PV-Anlagen geworden ist, wie Kedir erklärt. Viele Großkraftwerke würden mittlerweile in der sogenannten Tornado-Gasse gebaut, die den Mittleren Westen und Texas umfasst. Hagelstürme sind dort aufgrund der geografischen und klimatischen Bedingungen häufig, und Hagelbälle treten in einer Größe auf, die etwa in Deutschland gar nicht vorkommt. Dass dort trotzdem gebaut wird, liegt an den günstigen Landpreisen – ein wichtiger Faktor, um profitable Freiflächenanlagen zu bauen, so Kedir. Das Risiko sei jedoch erheblich: „Hagel macht zwar nur zwei Prozent der Versicherungsschäden aus, aber 50 Prozent der Schadenshöhe.“

VDE Americas Chef Grenko beschreibt ein Ereignis von 2019 als „Weckruf“ für die Branche: Damals zerstörte ein Hagelsturm eine Groß-PV-Anlage in Texas, woraufhin die Versicherungsunternehmen rund 75 Millionen Dollar Schaden zahlen mussten. „Plötzlich wurde es sehr schwierig, eine Versicherung zu bekommen. Und deshalb wurde Hagel zu so einer großen Sorge für die Solarbranche“, erklärt Grenko. VDE Americas konzentrierte sich auf diese Sorge und ist heute nach eigenen Angaben Marktführer darin, das Hagelrisiko von Projekten zu prognostizieren. „Wir haben zwei Jahre in die Entwicklung von Algorithmen gesteckt, die Wetterradardaten verarbeiten“, so Grenko. Auf Grundlage dieser Daten könne vorhergesagt werden, welche Hagelgröße bei einem schweren Gewittersturm zu erwarten ist.

Um das Hagelrisiko für alle Standorte in den USA sichtbar zu machen, brachte VDE Americas im Februar einen Hagel-Risiko-Atlas heraus. In der Internet-Anwendung können Nutzer auch sehen, welche Möglichkeiten es gibt, das Risiko zu minimieren. Dazu gehören zum Beispiel PV-Module mit dickerem Glas. „Aber es ist ehrlich gesagt billiger, dafür zu sorgen, dass die Paneele in Sicherheit gebracht werden können“, sagt Grenko. PV-Freiflächenanlagen in den USA würden in der Regel mit Nachführsystemen installiert, sodass die Sonne immer im optimalen Winkel auf die Module trifft. Sei ein Hagelsturm im Anmarsch, könnten die Module senkrecht gestellt und so vor Bruch geschützt werden.

„Die Technologie, die wir entwickelt haben, war wirklich notwendig für den Markt“, ist Grenko überzeugt: ein echter Gamechanger, der auch die Marke VDE in den USA noch mal deutlich bekannter gemacht habe.

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USA: „Solarkraft ist gekommen, um zu bleiben”

Sonnenkollektoren auf der Balkonterrasse in den Bergen
makistock / stock.adobe.com
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