Sonnenkollektoren auf der Balkonterrasse in den Bergen
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01.07.2025 VDE dialog

USA: „Solarkraft ist gekommen, um zu bleiben”

Die Geschäftsführer von VDE Americas und RETC, Brian Grenko und Cherif Kedir, über politisch bedingte Unsicherheit in der Erneuerbare-Energien-Branche und warum die Zukunftstechnologien nicht aufzuhalten sind.

Interview: Katja Dombrowski

VDE dialog: Die Politik der US-Regierung unter Donald Trump ist ziemlich erratisch, aber eins hat der Präsident unmissverständlich klar gemacht: dass er erneuerbare Energien nicht mag. Wirkt sich diese Haltung bereits auf Ihre Arbeit aus?

Brian Grenko: Erratisches Verhalten hat zur Folge, dass die Menschen im Ungewissen bleiben. Das Problem dabei ist, dass politische und regulatorische Unsicherheit Investoren in Wartestellung verharren lässt. Ein starker Rückgang des verfügbaren Kapitals kommt einer Vollbremsung für die Entwicklung von Projekten und Technologien gleich. Und wenn weniger Projekte gebaut und betrieben werden, bedeutet das weniger Umsatz für unser Geschäft.

Cherif Kedir: Der entscheidende Punkt ist das aktuelle Klima der Unsicherheit. Das führt zu einer Verlangsamung in der Branche, da Hersteller ihre Produktion herunterfahren, weil Projektentwickler Bestellungen verschieben oder stornieren. Beachtenswert sind die Bemühungen der Regierung, Produktion in die Vereinigten Staaten zurückzuholen. Als langfristige Strategie ist das ein logisches und verständliches Ziel. Allerdings ist das in der heutigen Zeit der Zölle und spezialisierten Fertigungsanlagen, die fast ausschließlich in China stehen, mit diverse Hürden verbunden. Mehrere Firmen, die Fabriken in den USA bauen wollten, überdenken ihre Pläne nun wieder, weil die Preise für benötigte Technik stark gestiegen sind. Investitionspläne liegen auf Eis.

Die Solarindustrie in den USA ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Denken Sie, dieser Trend wird sich unter Trump fortsetzen – oder werden nur die fossilen Industrien profitieren? Anders ausgedrückt: Hat die Regierung die Macht, die Entwicklung zu stoppen?

Porträtfoto von Brian Grenko

Brian Grenko ist Geschäftsführer von VDE Americas

| VDE Americas

Brian Grenko: Solarenergie ist heute in den meisten Teilen der USA billiger als Kohle und Erdgas, mancherorts sogar ohne jegliche finanzielle Förderung. Das stellt ein sehr überzeugendes Argument für unsere Branche dar. Wenn Sie ein Versorgungsunternehmen sind, das Strom an Haushalte verkauft, mit welcher Begründung wollen Sie Ihre Kunden davon überzeugen, höhere Preise für Strom aus fossilen Energien zu zahlen? Eine Regierung kann Maßnahmen ergreifen, um das Wachstum der Erneuerbaren zu bremsen, aber die Solarkraft ist gekommen, um zu bleiben, und wird immer weiter wachsen.

Der Inflation Reduction Act (IRA), 2022 unter Trumps Vorgänger Joe Biden verabschiedet, pumpte Milliarden Dollar in die Erneuerbare-Energien-Branche. Er steht jetzt auf dem Prüfstand. Was passiert, wenn die Regierung den IRA kippt?

Cherif Kedir: Seit seiner Einführung 2022 bildete der Inflation Reduction Act das Rückgrat der US-amerikanischen Industrie- und umweltfreundlichen Energiepolitik. Bis Anfang 2025 hatte er mehr als 600 Milliarden Dollar an privaten Investitionen mobilisiert und über 400000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Im Kern bietet der IRA die Möglichkeit, Spillovers aus dem internationalen Handelssystem umzuleiten und damit, in Form von Steuergutschriften und Subventionen, Anreize für die heimische Produktion zu schaffen. Es ist ein System von Instrumenten, das den Zollhammer durch den Hebel langfristiger industrieller Wettbewerbsfähigkeit ersetzt. Und wenn es der aktuellen Regierung gelingt, den IRA abzuschaffen oder so stark zu schwächen, wie es der vom Repräsentantenhaus verabschiedete Gesetzesentwurf vorsieht, wird das der US-Industrie und der Entwicklung erneuerbarer Energien einen Schlag versetzen. Es würde auch notwendige Steuererleichterungen für die Produktion und Investitionen in sauberen Strom beenden sowie das Verbot von Vorhaben beschleunigen, an denen „verbotene ausländische Unternehmen“ beteiligt sind. Derartige Änderungen bergen die Gefahr, die Anreize, die Unternehmen zu Investitionen in die Fertigung in den USA motiviert haben, zu unterhöhlen.

Es ist ein weit verbreiteter Mythos, dass Zölle ein nachhaltiger Ersatz für Subventionen seien. Tatsächlich führen sie häufig dazu, dass die Kosten an heimische Firmen weitergereicht werden. Wir mussten beispielsweise vor Kurzem die Einfuhr eines wichtigen Geräts im Wert von 500000 Dollar stoppen, weil die Einfuhrzölle zu dem Zeitpunkt den Preis auf 1,75 Millionen hochgetrieben hätten. Das sind keine Kosten, die dem Exporteur aufgebürdet werden – das sind direkte Kosten für uns. In vielen Fällen wird die Spezial-Ausrüstung, die wir brauchen, gar nicht in den USA hergestellt. Diese Zölle haben nicht nur einen hohen Preis, sondern sind auch selbstzerstörerisch.

Und noch ein Punkt: Mit der Abschaffung des IRA würden wir nicht nur die Schaffung von Arbeitsplätzen und das Wirtschaftswachstum gefährden, sondern es US-Unternehmen zudem stark erschweren, global wettbewerbsfähig in Bereichen wie sauberer Energie und fortschrittlicher Fertigung zu sein. Der richtige Weg beinhaltet, inländische Kapazitäten durch intelligente, gezielte Anreize zu steigern, damit wir alle unter den gleichen Bedingungen in den Wettbewerb treten können – nicht die Errichtung von Barrieren, die amerikanischen Unternehmen schaden.

Sie haben Prüfeinrichtungen auf der ganzen Welt, einschließlich China – könnte es eine Strategie für die Zukunft sein, mehr als bisher außerhalb der USA zu arbeiten?

Porträtfoto von Cherif Kedir

Cherif Kedir ist CEO von RETC

| VDE Americas

Cherif Kedir: Wir bauen unsere globale Präsenz immer weiter aus, zumal wir uns in einem zunehmend komplexeren Energie- und Handelsumfeld bewegen. Das ist strategisch sinnvoll.

Die USA sind nach wie vor einer der lukrativsten und strategisch wichtigsten Märkte für Photovoltaik-Hersteller. Große Nachfrage, ein unterstützendes politisches Umfeld und solide Margen machen sie zu einem Hotspot für Solarinvestitionen. Und abgesehen von ökonomischen Gewinnen spielt der US-Markt auch eine wichtige Rolle für die heimische Produktion und nationale Energieziele.

Sonnenkraft ist heute eine der wettbewerbsfähigsten Energiequellen, und Anlagen im industriellen Maßstab im ganzen Land haben neue Niedrigpreisrekorde erreicht. Es ist inzwischen genauso billig oder billiger, Solar- oder Windkraftanlagen zu bauen und zu betreiben wie Kohle- oder Gaskraftwerke. Dieser Kostenvorteil ist notwendig, um Energieunabhängigkeit zu erreichen und ein zuverlässigeres, nachhaltiges Netz zu schaffen.

So wie ich es verstehe, will die Regierung genau das: den US-Markt schützen.

Cherif Kedir: Ja, das scheint das Ziel der Regierung zu sein – den US-Markt durch Zölle abzuschotten. So ehrenwert das Bestreben, die heimische Industrie zu stärken, auch sein mag – die Mittel sind Grund zu großer Besorgnis. Die Zölle dienen nicht nur dazu, Handelsungleichgewichte auszugleichen, sondern auch als Verhandlungsinstrument. Das Problem an dieser Strategie ist, dass sie enorme Unsicherheit in der Weltwirtschaft schafft. Ich habe zwar keinen direkten Einblick in die Pläne der Regierung, aber Zölle werden dafür benutzt, eine ganze Reihe von Zielen zu erreichen. Leider ist nicht ganz klar, was das für langfristige Folgen nach sich ziehen wird.

Hohe Zölle sind keine Lösung. Und oft schaden sie am Ende genau den Unternehmen, denen sie eigentlich nutzen sollen, indem die Preise wichtiger Importgüter steigen, vor allem in Branchen, in denen es keinen heimischen Ersatz gibt. Das wirkt sich auf die gesamte Lieferkette aus, schreckt von Investitionen ab und kann letztlich zu Inflationsdruck und verminderter Wettbewerbsfähigkeit führen.

Was wir im Moment erleben, ist ein Zustand wirtschaftlicher Spannung, der weltweit bedeutende Auswirkungen haben könnte. Es ist in jedermanns Interesse, sowohl in den USA als auch international, eine Lösung zu finden, die Stabilität wiederherstellt. Ich habe die Hoffnung, dass wir zu einer ausbalancierten, zukunftsgerichteten Einigung gelangen, bevor diese politischen Maßnahmen noch größeren wirtschaftlichen Schaden anrichten. Wenn es zu einer Rezession käme, könnte der Weg zur Erholung deutlich länger und schwieriger werden.

Brian Grenko: Teil der Geschichte hier ist, dass es in den vergangenen Jahrzehnten zu einer Auflösung der verarbeitenden Industrie in der US-Wirtschaft gekommen ist. Das war der Ausgangspunkt für den Versuch, heimische Arbeitsplätze zurückzuholen – ein Hauptziel des  Inflation Reduction Act. Interessant ist, dass die meisten Fabriken, die in der kurzen Zeit seit Inkrafttreten des IRA gebaut wurden, in „roten Bundesstaaten“ stehen, wo also Trumps republikanische Partei die Mehrheit hat. Richtig ist zudem, dass die meisten Groß-PV-Anlagen in ländlichen Gebieten errichtet werden, die ebenfalls zu den Republikanern tendieren. Das heißt, die Menschen, die am meisten von den neuen Arbeitsplätzen profitieren, wählen mehrheitlich die Republikaner. Paradoxerweise schadet die Regierung, wenn sie das Wachstum der Solarbranche ausbremst, am meisten ihren eigenen Anhängern.

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