Blick in eine Werkhalle mit Kuka-Robotern
KUKA Group
01.01.2025 VDE dialog

Deutschland und China: Gemeinsam gut im Geschäft

Kooperation, Mega-Deal oder komplette Übernahme: Deutsche Robotikfirmen kommen auf vielen Wegen mit chinesischen Unternehmen zusammen. Selten ohne Kritik, aber oft wirtschaftlich lohnend. Trotzdem ist das nicht für alle Start-ups das Mittel der Wahl zum Erfolg.

Von Jan Kaulfuhs-Berger

Kuka, ein weltweit führender Anbieter von Automatisierungslösungen und Industrierobotern, ist bereits seit über 25 Jahren im chinesischen Markt aktiv. Das Unternehmen aus Augsburg, das im Jahr 2023 sein 125-jähriges Bestehen feierte, erhielt seinerzeit von der Audi AG den Großauftrag, Roboter in deren Werk nach Changchung zu liefern. Kuka gehöre damit „zu den ersten weltweit agierenden Unternehmen, die Roboter nach China exportieren“, wie es in einer Meldung des Unternehmens heißt. Das war 1998. In den folgenden Jahren eröffneten die Augsburger mehrere eigene Niederlassungen und Produktionsstätten in China. Eine internationale Zusammenarbeit, die in der Öffentlichkeit kaum weitere Beachtung fand. Doch dann kam es 2016 zum großen Aufschrei. Dass das Augsburger Robotikunternehmen von der chinesischen Midea übernommen wurde, ein Unternehmen, das bis dato im Reich der Mitte eher durch die Produktion von Klimaanlagen, Mikrowellen und Reiskochern aufgefallen war, galt als großer Sündenfall. Vom „Ausverkauf der deutschen Wirtschaft“ und einem Know-how-Transfer „von Augsburg nach China“ war in den Medien die Rede.

Der Deal hat Kuka wirtschaftlich nicht geschadet. Im Gegenteil: Tatsächlich verzeichnete das Unternehmen einen Anstieg der Mitarbeiterzahlen kurz nach der Übernahme um 8,1 Prozent. Der Umsatz ist von 3,5 Milliarden Euro (2017) auf 4,1 Milliarden Euro (2023) gestiegen. War die Übernahme durch die chinesische Midea trotz aller Kritik also genau die richtige Entscheidung? Prof. Johannes Fottner, Inhaber des Lehrstuhls „Fördertechnik Materialfluss Logistik“ an der TU München und ebenfalls viel in China unterwegs, kommentiert pragmatisch: „Es hat jedenfalls keine deutschen Investoren gegeben, die entsprechend mitgeboten haben.“ Natürlich müsse man, so Fottner, zwischen einer kompletten Übernahme und einer Kooperation, die in der Öffentlichkeit meist eher akzeptiert wird, unterscheiden. Aber auch eine Übernahme sei per se nichts Schlechtes. „Es gibt in China, genauso wie in den USA, gute und schlechte Investoren.“

eine Reihe von Robotern von Neura Robotics

„Made in Germany“ als „Gütesiegel für Qualität und Exzellenz“: Neura Robotics will mit seiner Produktion wieder komplett nach Deutschland umziehen und von hier aus den Weltmarkt erobern.

| Neura Robotics GmbH

Auf Investitionen war im letzten Quartal 2023 auch das sich im vorläufigen Insolvenzverfahren befindliche Robotikunternehmen Franka Emika angewiesen. Letztlich interessierten sich drei Unternehmen für das Münchener Start-up: die Beteiligungsgesellschaft Schoeller, der Roboterhersteller Neura und Agile Robots. Den Zuschlag erhielt Agile Robots, ein in München ansässiges, chinesisch geführtes Unternehmen. Was die Unternehmerbrüder Schoeller, ebenfalls interessiert an der Übernahme, zur Intervention beim Bundeswirtschaftsministerium brachte. Agile sei ein chinesisches Unternehmen, ihnen erschien „eine faktische Veräußerung dieser einzigartigen Hochtechnologie in die Volksrepublik China“ als wahrscheinlich. Ihre Bedenken verhinderten den Deal nicht.

Franka Emika, nun unter dem Namen Franka Robotics auf dem Markt, bietet seine Produkte und Lösungen aktuell über ein weltweites Händlernetz in vielen Ländern Europas sowie im Nahen Osten, den USA, Kanada, Thailand, Taiwan und Südkorea an. Neben der Kritik über den Verlust von Spitzentechnologie an China bleibt der Fakt, dass Franka Emika vor der sicheren Insolvenz bewahrt worden und international im Geschäft ist.

Wenn chinesische Firmen deutsche Robotik-Start-ups retten, bleibt fast immer die Angst, Spitzentechnologie vorschnell aus der Hand gegeben zu haben.

Dass man mit China gut ins Geschäft kommen kann, zeigt auch das Beispiel der Circus Group. Das Küchenrobotik-Start-up aus Hamburg baut mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz und Robotik autonome Küchen-Robotersysteme, die in der Lage sind, frische Gerichte in hoher Stückzahl und Qualität zuzubereiten. Hierfür hat man mit dem „Beijing University Food Raw Material Joint Procurement Centre“ in China eine mehrstufige Exklusivvereinbarung unterzeichnet. Ziel der Partnerschaft sei eine Integration über mehrere Wachstumsphasen der Circus-Robotertechnologie in insgesamt 92 Pekinger Bildungseinrichtungen mit einem Gesamtvolumen von 5400 Robotern. Über die nächsten Jahre schätzt man das hieraus resultierende Umsatzpotenzial auf einen niedrigen einstelligen Milliardenbetrag in Euro. Experte Fottner: „Das ist ein Paradebeispiel einer gelungenen Kooperation.“

Porträtfoto von Prof. Johannes Fottner

Prof. Johannes Fottner, Lehrstuhl für Fördertechnik Materialfluss Logistik, TU München betont, dass die Chancen unternehmerischer Partnerschaften im Vordergrund bleiben müssten.

| TUM / A. Eckert

Andere gehen den Weg in die umgekehrte Richtung. Neura Robotics, 2023 interessiert an der Übernahme von Franka Emika, hat im Jahr darauf angekündigt, seine komplette Produktion von China nach Deutschland zu verlagern. Die Firma mit Expertise im Bereich der kognitiven Robotik mit Hauptsitz in Metzingen habe damit einen entscheidenden Meilenstein gesetzt, heißt es in einer Mitteilung. Man wolle zum „Next German Hero“ werden. Und David Reger, Gründer von Neura Robotics, erklärt: „Wir sind davon überzeugt, dass internationale Innovationsführerschaft und regionale Verbundenheit sich nicht ausschließen.“ Seiner Meinung nach sei „Made in Germany“ nach wie vor ein Gütesiegel für Qualität und Exzellenz, „insbesondere in Bereichen, in denen Spitzen-Hardware gefragt ist“.

Neura Robotics hat eigenen Angaben zufolge „in nur drei Jahren den Weltmarkt erobert“, indem es den ersten marktreifen kognitiven Cobot entwickelte. Dieser Durchbruch macht Neuro, wie es in einer Mitteilung des Unternehmens heißt, „zum globalen Vorreiter und Innovationsführer der Branche“. Kognitive Roboter gehen über Sehen, Hören und Tasten hinaus, indem sie die Umgebung und Menschen vollständig wahrnehmen und autonom handeln können. Das schwäbische Unternehmen vertraut – das zeigt die Ankündigung, die Produktion von China zurück nach Deutschland zu verlagern – auf den Standort Deutschland. Man zähle darauf, so Reger weiter, „dass auch die Politik zeitnah ins Handeln kommt“. Und Dr. Bernd Heinrichs, Chief Growth Officer (CGO) bei Neura, ist davon überzeugt, dass „starke inländische Standorte (…) der nächste logische Schritt für Neura in unserer Expansionsstrategie“ sind.

„Trotz der momentanen Delle oder Schwäche wird China ein für deutsche und europäische Firmen extrem wichtiger Markt bleiben“, erläutert Johannes Fottner. Dabei dürfe man aber auch die enorme Weiterentwicklung der chinesischen Unternehmen hinsichtlich Technologien und Qualität nicht vergessen. Auf die Frage, ob nicht gerade dies ein Risiko darstelle, meint der China-Kenner: „Das sollte eben nicht nur als Risiko gesehen werden, sondern vielmehr die Möglichkeiten von unternehmerischen Partnerschaften aufzeigen. Wie in jeder Partnerschaft sollte das damit verbundene Risiko aufgezeigt werden, aber die interessanten Chancen müssen im Vordergrund bleiben.“

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