Das Gründerteam von QiTech Industries

Elektrotechnik bietet beste Möglichkeiten, ein Start-up aufzubauen. Die Jungs von QiTech Industries haben schon zu Schulzeiten gegründet.

| Jonas Wresch
01.10.2024 VDE dialog

Gründerleben: Start-ups unter Strom

Die Elektrotechnik bietet beste Möglichkeiten, um schon während des Studiums oder direkt danach ein Unternehmen aufzubauen – und es schnell wachsen zu lassen. Neben Fachwissen ist dafür auch Durchhaltevermögen nötig. Eine Stippvisite bei fünf jungen Start-up-Teams.

Von Manuel Heckel

QiTech Industries: Tüftler in der dritten Dimension

Studium und Start-up ausbalancieren? Kein einfacher Job, weiß Simon Kolb: „Im ersten Jahr war es ziemlich stressig“, erinnert sich der 21-Jährige. Gemeinsam mit seinem Mitgründer Milan von dem Bussche baut er seit fast drei Jahren QiTech Industries auf. Das junge Unternehmen hat zwei Bereiche: Zum einen recycelt es alten Kunststoff und macht daraus Filament – das Betriebsmittel für 3D-Drucker. Zum anderen konstruiert und baut das Team zentrale Anlagen für den 3D-Druck, etwa eine Filament-Wickelmaschine.

Schon in der Schule mischte Kolb begeistert in der Robotik-AG mit, kurz danach entstand dann die Idee zur Unternehmensgründung. Bis heute ist dabei die Tüftelei ein wichtiger Bestandteil: Die Gründer und das dreiköpfige Team, das sie mittlerweile aufgebaut haben, entwickeln die Software ebenso selbst wie die meisten Komponenten. Ebenfalls kein einfacher Job. „Wenn man sich selbst um Maschinenbau, Software und Elektrotechnik kümmert, holt man sich eine ganze Menge Probleme ins Haus“, sagt Kolb und lacht.

Doch die jungen Gründer schreckt das nicht ab. „Wir haben zu Beginn ewig nach einer Steuerung gesucht, die man so programmieren kann, wie wir das gerne hätten“, sagt Kolb. Als sie nicht weiterkamen, entwarfen sie eine eigene Industriesteuerung, designten die notwendige Steuerungsplatine und bastelten noch die notwendige Luftkühlung dazu – um in der Wunschumgebung programmieren und das Bauteil zuverlässiger gegen elektromagnetische Strahlung abschirmen zu können. Ein Teil des nötigen Fachwissens fanden sie bei Google, ein Teil kam aus Gesprächen mit Fachleuten. Zum Tüfteln stehen ihnen 200 Quadratmeter Werkstattfläche in einem Industriepark zur Verfügung, samt schwerer Maschinen und Starkstromanschluss. „Es ist faszinierend, was wir bei dieser Arbeit dazulernen“, sagt Kolb. Langfristig soll sich die Eigenentwicklung auch finanziell rechnen – bei größeren Stückzahlen könnte das auch gelingen. „Aber der Aufwand zu Beginn ist natürlich deutlich größer“, sagt Kolb.

Nach dem ersten stressigen Jahr mit der Doppelbelastung von Hochschule und Start-up hat das Team einen neuen Rhythmus gefunden: Jetzt bestellen die Gründer kurz vor der Klausurenphase alle benötigten Teile, ziehen sich während der Lieferzeit zum Lernen zurück – dann folgen zwei bis drei intensive Monate für Entwicklung, Zusammenbau und Auslieferung. „Und dann geht der Zyklus wieder von vorne los“, sagt Kolb.

Inventife: Alle Bewegungen im Blick

Elektrotechnik im Fernsehen – und das zur besten Sendezeit: Robin Göbel und Max-Felix Müller präsentierten ihr Start-up Inventife in diesem Frühjahr in der Gründershow „Höhle der Löwen“. Den Investoren brachten sie ihren innovativen Raumsensor mit. Entstanden ist das Produkt, weil der damalige Elektrotechnik-Student Göbel vor einigen Jahren die Beleuchtung in seinem Zimmer automatisieren wollte. „Alle reden von Smart Home, aber im Endeffekt gab es dafür gar kein passendes Gerät“, erinnert sich Göbel.

Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) verfolgte er diese Idee weiter. Und entwickelte mit Müller, ebenfalls studierter Elektrotechniker, ein kombiniertes System: Ein optischer Sensor erfasst, was an welcher Stelle in einem Raum passiert. Die dahinterliegende Software kann diese Eindrücke analysieren. „Wir haben viel Entwicklung betrieben, um den genauen Zustand zu detektieren – liegt da ein Objekt auf dem Boden oder bewegt es sich durch den Raum?“, sagt Müller.

Der Vorteil: Im Gegensatz zu Wärmefeldsensoren arbeitet ihr System deutlich kleinteiliger – so kann unterschieden werden, ob in einem Raum das Licht über dem Schreibtisch oder in der Couchecke gerade benötigt wird. Und zudem werden noch viel umfassendere Anwendungen möglich. Inventife will auch in Alten- und Pflegeheimen zum Einsatz kommen. Dort könnte die Kombination aus Sensor und Software das Personal alarmieren, wenn ein Bewohner in einem unbeobachteten Moment stürzt.

Dabei bauen die Gründer ganz bewusst viele offene Schnittstellen in ihr Produkt ein. Die sollen eine Anbindung an andere Sensoren und Plattformen sicherstellen. „Jeder kann das System so nutzen, wie er oder sie es braucht“, sagt Göbel, „das ist der wahre Smart-Living-Gedanke.“ Die aufwendige Entwicklung stemmt das Gründerteam vorerst allein – weil in der „Höhle der Löwen“ sich keiner der prominenten Investoren beteiligen wollte. Ihre Ausbildung hilft dabei entscheidend weiter: „Wir sind erfahrene Elektroingenieure, die so eine Produktentwicklung nicht zum ersten Mal machen“, sagt Göbel. „Dadurch können wir viel selbst machen, wodurch wir die Kosten hier und da drücken können.“

Inventife-Gründer in der „Höhle der Löwen“: „Die Absage war ein Ansporn für uns“

Das Gründerteam von Inventife

DIe Gründer von Inventife präsentieren ihr Start-up in der Höhle der Löwen

| RTL / Bernd-Michael Maurer
01.10.2024 VDE dialog

Zwei Elektrotechniker stellten ihr Start-up auf der ganz großen TV-Bühne vor. Wie sie den Auftritt vor Investoren wie Carsten Maschmeyer, Nils Glagau und Co. erlebten – und was seit der Ausstrahlung alles passiert ist.

Von Manuel Heckel

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Fisego: Feuer und Flamme für den Brandschutz

Am Anfang stand ein Kellerbrand: Vor einigen Jahren rückte Fabian Goedert als freiwilliger Feuerwehrmann zum Löschen aus. Vor Ort stellte sich heraus: Eine Waschmaschine, angeschlossen an eine defekte Mehrfachsteckdose, hatte das Feuer verursacht. Eine alltägliche Gefahr – doch Goedert fand auf dem Markt kein einfaches Gegenmittel. Aus dem ersten Impuls wurde das Start-up FISEGO. Das tritt mit dem Ziel an, Brände bereits vor der Entstehung zu verhindern – oder sie kurz nach dem ersten Funken zu ersticken.

Nun ist eine Mehrfachsteckdose entstanden, die genau diesen Schutz bieten soll. Doch hinter dem vermeintlich simplen Gerät steckt komplexe Technik, kombiniert aus Hard- und Software. Das System analysiert ständig den Leistungsverbrauch und die Stromsignaturen der eingesteckten Geräte. „Man kann über die elektrotechnischen Auswertungen erkennen, ob eine Komponente einen Defekt entwickelt“, sagt Goedert. Über eine eigens entwickelte App lassen sich Lastbegrenzungen pro Steckdose definieren – werden die überschritten, folgt eine Warnung. Zudem fungiert die Steckdosenleiste als Stromzähler und Strommessgerät und kann in Smart-Home-Systeme integriert werden.

Bislang finanziert sich das Start-up aus eigenen Mitteln. Sowohl Goedert als auch seine Mitgründerin Sophia Reiter haben an der Technischen Hochschule Mittelhessen studiert. Feuerwehrmann Goedert Bauingenieurwesen, Reiter Elektrische Energietechnik. „Ich fand die Idee zu gründen schon immer spannend – wusste aber nicht, womit ich mich selbstständig machen will“, sagt die 25-Jährige.

Die Erfindung der beiden Mittzwanziger liegt aktuell dem VDE Institut zur Prüfung vor. Danach soll es im Vertrieb richtig losgehen: Kindergartenbetreiber haben bereits genauso Interesse an der Mehrfachsteckdose signalisiert wie Kommunen und Behörden. Bei Brandschutzbeauftragten, Berufsgenossenschaften, Prüforganisationen und Versicherungen stoße man mit dem Produkt auf offene Ohren, betont das Gründerteam.

Ihre Ideen gehen noch weiter. Mit der Technologie lassen sich modular auch andere Brandschutzsysteme für Maschinen und Anlagen bauen, die jeweils mit passenden Löschmitteln verknüpft sind. „Was der Aquastop für die Waschmaschine ist, wollen wir für den Brandschutz sein“, sagt Goedert.

Mitarbeitende von Fisego
FISEGO

I3Denergy Weitblick für Strom und Wärme

Statt mit Daten starten Rachel Maier und Christopher Ripp ihre Präsentation gerne mit einem Bild von Caspar David Friedrich. Der „Wanderer über dem Nebelmeer“ soll symbolisieren, wie das Energiemanagement heute in vielen Unternehmen aussieht: Die Verantwortlichen schauen von oben auf den eigenen Betrieb – und blicken doch vor allem ins graue Ungewisse. Ihr Start-up I3DEnergy will das ändern, indem es die Informationen aus Strom-, Wärme-, Kälte- und Gasmessgeräten verknüpft: „Jedes Unternehmen kann dank uns seinen digitalen Zwilling entwickeln und damit Kosten und Emissionen sparen“, fasst Ripp das Angebot des 2023 gegründeten Unternehmens zusammen.

Die Idee: Die Software dockt sich an vorhandene oder neuinstallierte Messtechnik an. Die Nutzer zeichnen auf Straßenkarten, eignen Plänen, wie z.B. Grundrisse des eigenen Firmengeländes, die zugehörigen Bereiche der Messungen ein. Und schon zeigt das System an, wo wie viel Energie verbraucht wird – und wo vielleicht zu viel: „Bislang ist die Auswertung des Energiemanagements häufig noch aufwendig mit Stift, Papier oder Excel“, sagt Maier. „Wir wollen das Energiemanagement durchgehend automatisieren.“

Zudem können Unternehmen ihre CO2-Emissionen per Knopfdruck abrufen. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz will das Team künftig zudem noch Bedarfsprognosen abgeben können und mit mathematischer Optimierung die Energieversorgung verbessern. Das hilft Firmen, die Strom und Wärme tagesaktuell einkaufen oder teilweise in eigenen Kraftwerken produzieren.

I3DEnergy ist aus einem Forschungsprojekt an der TU Darmstadt entstanden. Dort erprobte das Gründerteam die Ideen direkt in der Praxis – und vernetzte einen kompletten Campus der Universität. Durch Aufweisung von ineffizientem Verbrauch sowie Empfehlungen zur optimierten Energieversorgung konnten Hunderttausende Euro an Einsparungspotenzialen aufgezeigt werden. Zudem sank der Verwaltungsaufwand für das Energiemanagement um 90 Prozent.

Aktuell schließt das Start-up seine erste Finanzierungsrunde ab, sucht Industriepartner als Kunden – und präsentiert sich bei Wettbewerben. So konnten Maier und Ripp in diesem Sommer den DKE Start-up-Preis „All Electric Society“ gewinnen. „Das sorgt für Sichtbarkeit und schafft Vertrauen bei den Expertinnen und Experten“, sagt Ripp.

Das Gründungsteam von I3DEnergy
Studio Hoffmann

Hydro Technology Motors: Gründer drehen am großen Rad

„In das Thema Start-up-Gründung sind wir etwas hineingestolpert“, sagt Maximilian Wack ganz offen. Der erste Anschub kam von einem engagierten Chemielehrer: Mit dem bauten Wack und Klassenkamerad Silas Hofmann zu Schulzeiten eine kleine Wasserstofferzeugungsanlage auf. Diese Technologie ließ die beiden Schulfreunde nicht mehr los, erinnert sich der heute 25-Jährige: „Es muss doch möglich sein, Wasserstoff als idealen Kraftstoff in günstigen Antriebssystemen einzusetzen.“

Ende 2019 gründeten die beiden mit diesem Ziel Hydro Technology Motors, später holten sie sich zwei weitere Gründer dazu. Seitdem arbeitet das Team daran, ein hybrides Antriebssystem zu entwickeln, in dem ein Wasserstoffverbrennungsmotor parallel zu einem Elektromotor läuft. „So schaffen die Fahrzeuge hohe Drehmomente beim Anfahren und können Lastspitzen meistern – gleichzeitig haben sie lange Laufzeiten“, so Wack.

Viel entsteht dabei in Eigenarbeit. Das Start-up-Team aus aktuell elf Personen rüstet einen Grundmotor auf Wasserstoff um, schreibt die Antriebsstrangsoftware selbst. Auch die Getriebeeinheit und das Batteriepaket sind eigens aus Komponenten zusammengebaut. Einen handelsüblichen Liefervan haben die Gründer bereits umgerüstet – mit dem gleichen Leergewicht, der gleichen möglichen Zuladung, ganz ähnlichen Leistungsdaten. Nur emissionsfrei angetrieben. „Unser System soll modular bei möglichst vielen verschiedenen Anwendungsfällen eingesetzt werden können“, sagt Wack.

Das größte Einsatzpotenzial sehen die Gründer überall dort, wo große Fahrzeugflotten permanent große Lasten bewegen müssen. „So bei etwa 100 Kilowatt Leistung fühlen wir uns wohl.“ Das können Kommunalfahrzeuge sein, Gabelstapler oder Flughafenvorfeldfahrzeuge, die unermüdlich etwa Anhänger mit Koffern umherfahren. Und gerade auf Flughäfen weltweit entstehen zurzeit Wasserstofftanks, um E-Fuels zu erzeugen.

Immer wieder kooperiert das Start-up dabei mit Instituten der TU Darmstadt, wo einige der Gründer studiert haben. 1,5 Millionen Euro Risikokapital haben die Mittzwanziger schon von Investoren einwerben können. Im Branchenvergleich wenig Geld für den Entwicklungsaufwand. Doch das kleine Team will Großes bewegen.

Gründerteam von Hydro Technology Motors

Gründerteam von Hydro Technology Motors

| Hydro Technology Motors
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