Porträtfoto von Prof. Dr. Manfred Strohrmann
H-KA (Heiko Stock)
01.10.2024 VDE dialog

KI im Job: „Auch wir werden uns verändern müssen“

Seit einem Jahr bietet die Hochschule Karlsruhe den Studiengang „Künstliche Intelligenz in den Ingenieurwissenschaften“ an. Das ist sinnvoll, weil KI zwar keine Gefahr für Ingenieurinnen und Ingenieure sei, ihr Berufsbild aber massiv verändern wird – so der zuständige Dekan, Prof. Dr. Manfred Strohrmann.

VDE dialog: Seit vielen Jahren wird darüber diskutiert, ob KI schlecht oder gut für den Arbeitsmarkt ist. Was glauben Sie?

Prof.Dr. Manfed Strohrmann: Wenn wir uns überlegen, was für ein großer Fachkräftemangel allerorten herrscht – gerade, aber nicht nur im Bereich der Elektro- und Informationstechnik –, bin ich bei dieser Frage völlig entspannt. Wie schon bei der Automatisierung wird die KI zu einer Effizienzsteigerung führen, was den Verlust einiger Arbeitsplätze bringen mag, aber in Summe auch dazu führen wird, dass bessere und attraktivere Arbeitsplätze entstehen.

Verstehe ich Sie richtig: Sie sagen, KI führt vielleicht zum Abbau von Stellen, aber das ist auch gar nicht so schlimm, weil wir ohnehin zu wenig Menschen haben, um diese zu besetzen?

Richtig! Wohin man auch schaut, fehlen ja überall die Arbeitskräfte. Und ich denke, wenn wir durch den Einsatz von KI ein Stück weit dazu beitragen, dass diese Stellen besetzt werden können, wäre das doch für uns als Gesellschaft sicherlich ein Vorteil. Natürlich müssen wir uns dazu verändern, das ist klar. Aber das war auch schon bei früheren technischen Entwicklungen der Fall. Nehmen wir dieses Interview: Sie lassen es später von einer KI transkribieren und von einer anderen KI für die englische Fassung übersetzen. Früher haben das alles Menschen gemacht, die heute diese Tätigkeit nicht mehr ausführen können und sich umorientieren mussten. Das mag für den einzelnen Menschen ein Problem sein, aber für uns alle als Gesellschaft bewerte ich die mit der KI verbundene Effizienzsteigerung durchaus positiv.

Das heißt, es wird Gewinner dieser Entwicklungen geben wie auch Verlierer. Die Frage ist, auf welcher Seite werden die Menschen stehen, die selbst im KI-Bereich arbeiten, darunter auch Elektro- und Informationstechniker? Sägen sie vielleicht an dem Ast, auf dem sie gerade selbst sitzen?

Auch wir werden uns verändern müssen, weil sich unsere Tätigkeit natürlich auch durch die KI verändert. Dennoch glaube ich aus heutiger Sicht, dass Ingenieurinnen und Ingenieure niemals komplett ersetzt werden. Der Mensch mit seinem Fachwissen wird immer gebraucht werden, um die Arbeit der KI zu interpretieren und zu validieren. Wir lassen in den seltensten Fällen KI allein Entscheidungen treffen. Wir trainieren und testen die Algorithmen, wählen bewusst die Modelle und Strukturen aus. KI kann große Faktenmengen auswerten, aber neue Ideen generieren, das kann sie nicht. Nehmen wir die Solarzelle: Ich glaube nicht, dass eine KI in der Lage gewesen wäre, so etwas zu entwickeln. Dazu fehlt ihr einfach die Kreativität, zumindest vorerst.

"Wir sehen in der KI nur ein neues Tool. Ein sehr mächtiges Tool, zugegebenermaßen."

Auf die Idee, aus Sonnenenergie elektrischen Strom zu gewinnen, wäre eine KI vielleicht nicht gekommen. Aber dazu hätte man dann auch vielleicht nur einen Menschen mit einem Geistesblitz gebraucht. Diese Idee umsetzen könnte dann aber möglicherweise die KI und würde damit Elektroingenieure arbeitslos machen. Oder?

Nein, sicher nicht arbeitslos. Aber sie wird uns bei der Entwicklung und beim Produktentstehungsprozess unterstützen. Und das ist ja auch gut so.

Sie gehen davon aus, dass die KI nur ein zusätzliches Tool ist und ein solcher technischer Fortschritt – wie früher bei der industriellen Revolution oder der Digitalisierung – letztlich immer einen positiven Impact hat. Aber ist die KI tatsächlich „nur“ ein Tool oder nicht doch viel mehr als das?

Auch wir haben hier im Kollegenkreis diese Frage durchaus diskutiert. Und ja, wir sehen in der KI in der Tat nur ein neues Tool. Ein sehr mächtiges Tool, zugegebenermaßen. Ein Tool, das mehr kann als die, die wir in der Vergangenheit hatten. Aber trotzdem bleibt es für uns ein Tool, das uns in erster Linie bei unserer Arbeit hilft. Nehmen wir mal das Programmieren. Natürlich könnte ich das auch alleine machen und selbst beispielsweise die ganzen Manuals durcharbeiten. Aber ich wäre viel langsamer als eine KI. Das heißt, alles in allem ist für mich die KI tatsächlich im Moment nicht mehr als ein neues und sehr gutes Werkzeug.

Sie schränken aber selbst ein: „im Moment“! Wer sich heute für ein Studium der Elektrotechnik entscheidet, hat jedoch noch 40, vielleicht 50 Berufsjahre vor sich. Und was dann eine Künstliche Intelligenz zu leisten vermag, ist doch gar nicht absehbar.

Richtig ist, dass die Fortschritte auf diesem Gebiet in einem rasanten Tempo vonstattengehen. Ich habe selbst gerade getestet, wie sich ChatGPT allein innerhalb der letzten anderthalb Jahre verbessert hat, und das war wirklich enorm. Von daher ist es tatsächlich schwer vorhersehbar, was in 20, 30 oder gar 50 Jahren noch alles passieren wird. Dennoch bin ich auch langfristig gerade für die Elektro- und Informationstechnik sehr zuversichtlich. Denn unsere Disziplin steht ja vor allen Dingen auch für Produkte, seien es Brennstoffzellen, Energie- oder Datenspeicher, um nur wenige aufzuzählen. Unsere Disziplin ist so vielseitig und wird überall gebraucht, sodass ich mir wirklich überhaupt keine Sorgen mache, dass wir nicht auch noch in ferner Zukunft gebraucht werden könnten – selbst wenn ich natürlich auch nicht genau weiß, wie in 50 Jahren der Job des Elektroingenieurs dann konkret aussehen wird.

Sie haben eben betont, wie schnell sich KI weiterentwickelt. Aber ist es überhaupt für uns Menschen möglich, da noch hinterherzukommen – gerade auch für die Menschen, die damit arbeiten, also auch Elektroingenieure?

Das Problem ist mir durchaus bekannt. Ich selbst bin ja auch von Haus aus kein KI-Mensch. Aber man muss sich natürlich bemühen, up to date zu bleiben und sich ein entsprechendes Wissen anzueignen, sodass man mitreden kann und eine solide Grundbasis im Vokabular hat. Natürlich hat man dann nicht das Know-how, auf Anhieb jedes einzelne neuronale Netz sofort zu durchschauen, aber man hat doch ein gewisses Grundlagenwissen, das einen dazu befähigt, sich in alles Geforderte einzuarbeiten. Im Grunde genommen ist das alles aber für uns nichts Neues: man muss als Ingenieurin oder Ingenieur sowieso immer technisch am Ball bleiben und vor allem die entsprechenden Methoden lernen, um dann für alle Anforderungen gewappnet zu sein. Ich würde sogar sagen, dass es für uns vielleicht sogar einfacher wird, schließlich haben wir mit der KI auch ein neues Lerntool, um uns neue Dinge besser beizubringen.

"Wir wollen unsere Studierenden befähigen, KI in der Praxis anzuwenden."

Dann machen wir doch gleich damit weiter, wie sich das Elektrotechnikstudium verändern muss bzw. was Sie in Ihrem Studiengang in Karlsruhe anders machen.

Wir bieten bei uns seit einem Jahr den neuen Studiengang „Künstliche Intelligenz in den Ingenieurwissenschaften“ an. Der besteht zum einen aus ingenieurwissenschaftlichem Grundwissen, das sich von dem Studium des Maschinenbaus und der Elektrotechnik nicht grundlegend unterscheidet. Zum anderen kombinieren wir das aber mit dem Thema KI, also Methoden der KI, Implementierungsvarianten von KI, Anwendungsgebiete von KI, Verifikation von KI. Zum einen machen wir das, weil es bei jungen Leuten gut ankommt und wir wie andere Hochschulen natürlich auch auf der Suche nach Studienanfängern sind. Zum anderen machen wir das aber auch, weil wir darin die Zukunft sehen und die Studierenden frühzeitig in Kontakt zu dem Thema bringen und sie befähigen wollen, KI auch in der Praxis anzuwenden.

Und es zeigt jungen Leuten vielleicht auch, dass sie nicht Informatik studieren müssen, um mit KI zu arbeiten. Oder?

Elektrotechnik, Maschinenbau, Informatik – all das geht ohnehin immer mehr zusammen. Bei uns geht es vielleicht etwas mehr um den Hardware-nahen Teil, etwa dem Steuergerät, dem Handy oder dem Mikrocontroller. Solche Devices haben Informatiker vielleicht nicht so vor Augen und da können wir als Ingenieure vielleicht mehr unsere Kompetenzen ausspielen.

Ich habe übrigens auch der KI selbst, also ChatGPT, die Frage gestellt, ob KI eine Gefahr für den Arbeitsmarkt von Elektroingenieurinnen und -ingenieuren sei. Sie meinte ebenfalls, die Einführung von KI führe eher zu einer Veränderung des Berufsbildes als zu einem massiven Jobverlust.

Sehen Sie! Und ich will Ihnen noch ein Argument dafür nennen: Ich glaube einfach, dass wir Menschen uns auch dadurch auszeichnen, dass wir soziale Wesen sind und im Team Dinge erarbeiten. Wenn ich an meine frühere Zeit bei Bosch zurückdenke, wie wir da Produkte mit VW und anderen Kunden zusammen entwickelt haben, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass eine Maschine in der Lage wäre, die erforderliche Interaktion selbstständig umzusetzen.


Dieses Interview wurde nicht nur mit Hilfe von KI transkribiert, sondern auch auf die benötigte Menge gekürzt. Das hat nicht perfekt, aber auch gar nicht mal schlecht funktioniert. Nur an der einen oder anderen Stelle musste eingegriffen werden, weil beispielsweise sonst nicht die Anschlussfrage funktioniert hätte.

Die Fragen stellte übrigens noch ein Mensch (Martin Schmitz-Kuhl)

Künstliche Intelligenz: Jobkiller oder Jobmaschine?

Grafik einer Frau, die mit einem Bot chattet
golden sikorka / stock.adobe.com
01.10.2024 VDE dialog

Künstliche Intelligenz (KI) wird zweifellos großen Einfluss auf den Arbeitsmarkt haben, bestimmte Jobs werden wegfallen, andere werden sich verändern. Ob die Gesamtbilanz positiv oder doch eher negativ sein wird, ist schon lange eine heiß diskutierte Frage. Aber wie könnte sich KI auf den Beruf des Elektroingenieurs auswirken? Ist die KI für ihn eher eine Gefahr oder gar eine Chance? Eine Antwort von einem Experten, der sich mit dem Thema KI vielleicht besonders gut auskennt – weil er selbst eine ist: OpenAI-Bot ChatGPT.

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