Smart Home Technologie - modernes zweistöckiges Haus, ausgestattet mit Wi-Fi-Konnektivität und intelligenten Geräten
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01.07.2024 VDE dialog

Home, Smart Home

Seit Jahren und Jahrzehnten wird vom Smart Home geträumt. Doch trotz großer Fortschritte bleibt die Umsetzung hinter den Hoffnungen und Erwartungen zurück. Die Gründe dafür sind bekannt: Vor allem Sicherheitsbedenken und fehlende Interoperabilität stehen der smarten Revolution in den eigenen vier Wänden entgegen. Das könnte sich jedoch bald ändern.

Von Martin Schmitz-Kuhl

Das „House of Tomorrow“ wurde bereits vor 90 Jahren präsentiert. Die Weltausstellung 1933/34 in Chicago zeigte dem staunenden Publikum, wie es morgen leben würde. Elektrisches Licht mit einstellbarer Dimmfunktion, die erste Spülmaschine von General Electric, einen „iceless“ Kühlschrank sowie eine Garage, deren Tür sich auf Knopfdruck öffnete und wieder schloss, waren nur einige der Innovationen, die das Haus bot. All dies schien damals noch pure Science-Fiction zu sein – und wurde doch schon wenig später Realität, zumindest in den wohlhabenderen Industriestaaten.

Es sollte weitere 50 Jahre dauern, bis der Begriff „Smart Home“ geprägt wurde. Auch dies geschah in den USA, Urheber soll die „National Association of Home Builders“ gewesen sein. Mit dem Konzept des Smart Homes war die Idee verbunden, verschiedene Geräte und Systeme im Haus über ein zentrales Steuerungssystem zu automatisieren, zu vernetzen und zu kontrollieren. Das Hauptziel bestand darin, den Bewohnern ein komfortableres Leben in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen und den Alltag zu erleichtern.

Thermostate & Co: Es werden vor allem Einzelprodukte abgesetzt

Seitdem ist viel passiert. Smart Home bietet Lösungen für Komfort, Sicherheit, Energieeffizienz und Unterhaltung. Egal, ob man seine Heizkörper automatisch steuern will, unterwegs die Beleuchtung regeln oder die Einfahrt im Blick haben möchte, für fast jedes Einsatzgebiet gibt es das passende Smart-Home-Gerät. An technischen Neuentwicklungen herrscht dabei kein Mangel – nicht nur für zwei-, sondern inzwischen auch für vierbeinige Bewohner eines Smart Homes. So gibt es heute sogar ein smartes, über eine App gesteuertes Katzenklo, das sich selbstständig reinigt und jeden einzelnen Besuch des Tieres protokolliert. Home, smart home!

Insgesamt hat sich das Geschäft mit solchen Produkten und Systemen zu einem wichtigen und durchaus expandierenden Bereich der Technologie- und Konsumgüterindustrie entwickelt. Doch entgegen aller Euphorie und der Hoffnung, dass das Smart Home das große neue „Ding“ werden würde, blieb der vorhergesehene Boom bislang weitgehend aus. Nach einer Umfrage des Branchenverbands Bitkom anlässlich der letztjährigen IFA nutzen zwar inzwischen 44 Prozent der Menschen in Deutschland Smart-Home-Anwendungen. Den Einstieg in diese Welt bieten in der Regel einzelne Lösungen wie smarte Lichtsysteme, Heizkörperthermostate und Steckdosen, seit einigen Jahren auch zunehmend Saugroboter. Vollständige Smart-Home-Haushalte sind jedoch selten. Die Gründe dafür liegen seit Jahren auf der Hand und wurden in oben erwähnter Umfrage noch einmal abgefragt: 48 Prozent der Nichtnutzer haben Angst vor dem Missbrauch persönlicher Daten. 41 Prozent sorgen sich vor Hackerangriffen und 36 Prozent um ihre Privatsphäre. 37 Prozent sagen, Smart-Home-Anwendungen seien ihnen zu teuer. Und fast jeder dritte Befragte (31 Prozent) empfindet den Einbau der Geräte als zu aufwendig, jeder vierte die Bedienung als zu kompliziert (25 Prozent).

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| ZVEH

Für Alexander Matheus liegt dabei das Hauptproblem in der oft nur mangelnden IT-Sicherheit der Systeme: „Niemand möchte sich Geräte ins Haus holen, die einen ausspionieren oder die ein Einfallstor für Hacker sind“, sagt der Experte für smarte Technologien im VDE Prüf- und Zertifizierungsinstitut. Und dies sei kein Horrorszenario, sondern leider gängige Praxis, so Matheus. Viele Geräte seien schlichtweg extrem leicht zu knacken. Ruckzuck wäre man dann beispielsweise über den Staubsauger im System, könne von hier auf das WLAN-Passwort zugreifen und hätte dann freien Zugriff auf Dinge, die der Besitzer so sicherlich nicht preisgeben wollte – beispielsweise Einblicke über die Webkamera in die Wohnung oder in persönliche Daten im Computer.

Hersteller müssen bald nicht nur Safety, sondern auch Security garantieren

Seit 2013 werden deshalb im VDE Institut an Smart-Home-Systemen und -Komponenten nicht nur die üblichen Safety-Prüfungen durchgeführt – also jene Tests, die die elektrische Sicherheit betreffen –, sondern auch Security-Prüfungen. „Das funktioniert so, dass wir im Auftrag der Hersteller versuchen, diese Systeme zu hacken, um zu sehen, ob die getroffenen Schutzmaßnahmen schon ausreichend sind“, erläutert Matheus.

Das Problem dabei: Rechtlich bindende Anforderungen gibt es, abgesehen von der allgemeinen Produkthaftung, nicht. Dies wird sich jedoch jetzt ändern. So werden die Anforderungen an die Cybersicherheit im Rahmen der Funkanlagenrichtlinie (RED – Radio Equipment Directive) bzw. des Cyber Resilience Act (CRA) jetzt stufenweise angepasst und somit Teil des CE- Zeichens. „Dann müssen Hersteller auch Security-Aspekte berücksichtigen, also für Passwörter, Verschlüsselung, Updatefähigkeit und Ähnliches Sorge tragen“, so der VDE Experte. Das heißt, es muss eine Risikoanalyse des Bedrohungspotenzials des jeweiligen Produkts durchgeführt, Sicherheitsmaßnahmen müssen abgeleitet und implementiert, Prüfungen zur Wirksamkeit müssen durchgeführt und dies muss alles entsprechend dokumentiert und nachgewiesen werden. „Sollten Hersteller die Reglungen nicht einhalten, droht schlimmstenfalls der Entzug der CE-Kennzeichnung.“

Also wieder ein Wettbewerbsnachteil für die hiesigen Unternehmen? Adalbert Neumann schüttelt den Kopf: „Wir denken sogar, dass das Gegenteil der Fall ist: Durch die Gesetzgebung in Europa sehen wir eher einen gewissen Wettbewerbsvorteil“, so der Sprecher des Vorstandes der Wirtschaftsinitiative Smart Living und Geschäftsführer von Busch-Jaeger Elektro. Schließlich sei dem Kunden der Sicherheitsaspekt so wichtig, dass die Berücksichtigung strenger Auflagen in der Zukunft eher ein positives Differenzierungsmerkmal sein könnte. „Wer das nicht bieten kann, wird als Zweiter vom Platz gehen“, ist er überzeugt.

Inkompatible Standards erschweren das smarte Gesamtwohnerlebnis

Ein Problem sieht Neumann eher in den „altbekannten Barrieren“ Interoperabilität und Konnektivität, also in dem Umstand, dass Komponenten unterschiedlicher Hersteller nicht bzw. nicht immer miteinander kompatibel sind. Bis heute gibt es bei kabellosen Produkten noch keinen einheitlichen Smart-Home-Funkstandard. Das führt dazu, dass verschiedene Protokolle zum Einsatz kommen. WLAN, Bluetooth, ZigBee, Z-Wave, EnOcean, DECT ULE, Thread, Homematic IP – die Liste der Standards und Protokolle ist lang. Sie alle sollen dafür sorgen, dass Steuerbefehle, Automationen und Routinen richtig ausgeführt werden. Doch die Art und Weise, wie dies geschieht, ist in jedem Smart-Home-Standard anders. Bei kabelgebundenen Geräten setzte die hiesige Industrie vor allem auf den KNX-Standard, der schon vor gut 30 Jahren ursprünglich für die Gebäudeautomation entwickelt worden war. „Allerdings ist ein solches System immer mit größerem Aufwand verbunden und Sie brauchen gut ausgebildete Handwerker, die das System installieren und in Betrieb nehmen“, gibt Neumann zu. Das führe dazu, dass es zwar einzelne Smart-Home-Geräte gäbe, die sich großer Beliebtheit erfreuen – wie eben smarte Lampen, Steckdosen oder Thermostate –, komplexere Systeme, die nicht nur einzelne Aspekte des Wohnens, sondern das Wohnen an sich smart machen, verharrten aber in der hochpreisigen Nische.


Künftige Lösungen sollen effizienter, günstiger und herstelleroffen sein

Doch es gibt Entwicklungen und Trends, die darauf hindeuten, dass sich dies in Zukunft ändern könnte: Mit der technischen Weiterentwicklung werden Smart-Home-Systeme effizienter und kostengünstiger. Und durch die Integration erschwinglicher Do-it-youself-Lösungen in für andere Hersteller öffnende professionelle Systeme können die Einstiegshürden für Verbraucher sinken. Hoffnung setzt die Branche dabei vor allem in einen Standard, der, aus den USA kommend, das Potenzial hat, sich durchzusetzen: Matter. Dabei handelt es sich nicht um einen öffentlichen Standard, der von unabhängigen Gremien erarbeitet wurde, sondern um eine interne Industrieabsprache mehrerer Großunternehmen, allen voran Amazon, Apple, Google, Comcast und der Connectivity Standards Alliance (ehemals ZigBee Alliance).

Matter zielt darauf ab, die Fragmentierung im Smart-Home-Markt zu verringern, indem es einen Standard bereitstellt, der die Einrichtung und Verwendung von Smart-Home-Geräten für Verbraucher vereinfacht. So soll es Matter ermöglichen, dass verschiedene Komponenten nahtlos miteinander kommunizieren, unabhängig vom Hersteller oder der verwendeten Plattform. Zudem soll Matter die Einrichtung von Smart-Home-Geräten vereinfachen, indem es einen gemeinsamen Einrichtungsprozess verwendet, der für alle kompatiblen Geräte gleich ist, und Datensicherheit gewährleisten. Vor allem jedoch soll es zukunftssicher sein und die Möglichkeit bieten, auch künftig neue Funktionen und Geräte in das Ökosystem zu integrieren, während gleichzeitig Rückwärtskompatibilität gewährleistet wird – all das garantiert durch das Commitment einiger Branchenriesen, an denen faktisch niemand vorbeikommt. Und deren Hauptmotivation sein dürfte, künftig noch besser an noch mehr Daten ihrer Nutzer zu kommen, wie an dieser Stelle kritisch angemerkt werden muss.

Ein wirklich smartes Zuhause lernt selbst alles für Komfort, Sicherheit und Effizienz

Aber was bedeutet das für die hiesigen Unternehmen? „Ich gehe davon aus, dass Matter durchaus etwas Schwung in den Markt bringen wird“, hofft Neumann, der in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer von Busch-Jaeger Elektro selbst schon auf Matter setzt – seit Ende vergangenen Jahres ist das Smart-Home-System der ABB-Tochter aus Lüdenscheid „free@home“ kompatibel mit Matter. Trotzdem sollte man sich als deutscher oder europäischer Hersteller natürlich fragen, welche Rolle man künftig in dieser Matter-Welt spielen will. „Wenn wir es klug anstellen, werden wir Lösungsanbieter innerhalb dieser Welt sein und nicht bloß Produkt-Lieferanten“, zeigt sich Neumann überzeugt. Und ergänzt: „Denn als solche hätten wir langfristig keine Zukunft auf dem Markt.“

Apropos Zukunft, die sehen sowohl Adalbert Neumann als auch VDE Experte Alexander Matheus in Bezug auf das Thema „Smart Home“ sehr positiv. Beide meinen, dass der eigentliche Boom wohl noch bevorstehen könnte. Denn im Vergleich zu dem, was eine Künstliche Intelligenz bereits heute könnte, oder gar dem, wozu sie schon bald in der Lage sein wird, ist das, was derzeit noch unter dem Label „Smart Home“ verkauft wird, meist nicht besonders intelligent. Ein wirklich smartes Haus müsste man nicht erst aufwendig konfigurieren, sondern es müsste von sich aus lernen. Die Quellen, aus denen dieses Haus seine Informationen speist, müssten das Verhalten ihrer Bewohner genauso wie das weltweite Wissen sein. Es müsste sich so optimal selbst managen, mit größtmöglichem Komfort und Sicherheit auf der einen Seite und einer bestmöglichen Energieeffizienz auf der anderen. „Gerade vor dem Hintergrund, dass Gebäude weltweit für rund 40 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich sind, sehe ich hier ein enormes Potenzial, das mehr und mehr auf den Radar kommen wird und mittelfristig die Kaufentscheidungen maßgeblich beeinflussen wird“, glaubt Neumann.

Mit smarten Technologien zum Klimaschutz beitragen

In diesem Zusammenhang wird auch netzorientiertes Verhalten von Häusern eine Rolle spielen. Stichwort: Energiemanagement am Netzanschluss. Da es hier hauptsächlich um das Management von Leistung im energiewirtschaftlichen Kontext geht – zum Beispiel bei Wärmepumpen, Klimageräten, Photovoltaikanlagen und Speichern –, haben der lokale Stromnetzbetreiber und die Gesetzgebung ein Mitspracherecht. Benötigt werden deshalb Normen und Standards, etwa für die verpflichtende Anbindung der oben genannten Geräte an das Smart Meter Gateway. Dass hier ein Standard wie Matter nicht weiterhilft, liegt auf der Hand. Hier ist es vielmehr EEBUS, eine in Deutschland entwickelte und genau auf diese Anwendungen fokussierte Kommunikationsschnittstelle, die die Nase vorne hat. Allerdings wird es künftig vielleicht ohnehin nicht darum gehen, den einen alles erschlagenden Superstandard zu finden, sondern vielmehr darum, das Zusammenspiel von unterschiedlichen Anwendungen und Technologien zu gestalten.

Und damit zurück zum „House of Tomorrow“ vom Anfang des Artikels. Denn 90 Jahre später wird ein solches auch wieder präsentiert, wenn auch nicht auf der Weltausstellung in Chicago, so doch immerhin auf der Technik- und Industriemesse IFA im September in Berlin. Hier stellen die drei Verbände VDE, ZVEH und ZVEI wieder gemeinsam aus, was im Smart-Home-Bereich inzwischen alles möglich ist. Statt Dimmlicht, Kühlschrank und Spülmaschine soll im „House of Smart Living“ vor allem gezeigt werden, wie sich Energie mithilfe von Gebäudeautomation einsparen lässt und welchen Beitrag Elektrifizierung, Digitalisierung und moderne Gebäudetechnik zu einer klimaneutralen Zukunft leisten können.


Martin Schmitz-Kuhl ist freier Autor aus Frankfurt am Main und Redakteur beim VDE dialog.

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