Aber es ist schon richtig, dass Ihre Hoffnungen etwas enttäuscht wurden?
Zu der Entwicklung bei einfachen Lösungen, beispielsweise von IKEA oder vom deutschen Unternehmen eQ-3 mit ihren HomeMatik-Produkten, kann ich nicht viel sagen. Da gibt es keine genauen Marktzahlen. Aber im professionellen Smart-Home-Bereich hatten wir als Hersteller schon an eine schnellere Durchdringung geglaubt. Wahr ist, dass professionelle Hausautomatisierungssysteme derzeit noch einen kleinen Marktanteil im Bereich der Gebäudeautomation darstellen und für die Verbraucher mit höheren Kosten verbunden sind als die konventionelle Installation.
Warum ist das so gekommen?
Da sind die altbekannten Barrieren, allen voran das Thema Interoperabilität und Konnektivität. Hier gibt es zwar mit dem KNX-Standard – der ursprünglich aus der Gebäudeautomation kommt – technologische Entwicklungen, die in die richtige Richtung gehen, allerdings ist ein solches System immer mit größerem Aufwand verbunden und Sie brauchen gut ausgebildete Handwerker, die das System installieren und in Betrieb nehmen. Dennoch gibt es einige interessante Entwicklungen und Trends, die darauf hindeuten, dass sich dies in Zukunft ändern könnte: Mit der Weiterentwicklung von Technologien wie Künstlicher Intelligenz, maschinellem Lernen und IoT können Smart-Home-Systeme effizienter und kostengünstiger werden. Und durch die Integration erschwinglicher DIY-Smart-Home-Lösungen in sich für andere Hersteller öffnende professionelle Systeme können die Einstiegshürden für Verbraucher sinken. Sie gestalten das System im eigenen Tempo und flexibel nach eigenem Bedarf. Dies könnte die Marktdynamik verändern.
Mit Matter gibt es nun seit wenigen Jahren einen neuen Standard, hinter dem Branchengrößen wie Amazon, Apple, Google und Samsung stehen. Was versprechen Sie sich von ihm?
Sehr viel! Ich gehe davon aus, dass Matter durchaus etwas Schwung in den Markt bringen wird. Mit ihm und der Funktechnologie Thread kann man nun endlich die Komponenten unterschiedlicher Hersteller miteinander kommunizieren lassen. Der Einstieg in Home Automation mit DIY-Lösungen und die Erweiterung zu umfassenden Funktionen, die ein professionelles System anbietet, stellt sich viel einfacher dar. Damit öffnet Matter Möglichkeiten, die den Endkunden bislang in der Hausautomation nicht zur Verfügung standen.
Es gab schon häufiger Ansätze, sich auf einen Standard zu einigen. Wird sich Matter durchsetzen?
Das ist längst passiert. Apple und Co. können mit ihrer Muskelkraft – also vor allem der finanziellen Power – natürlich schneller etwas durchsetzen als beispielsweise eine deutsche oder europäische Initiative. Schon jetzt ist Matter in jedem iPhone und jedem Samsung Phone integriert. Die Frage ist also nicht, ob Matter kommt, sondern welche Rolle wir als deutsche und europäische Hersteller künftig in der Matter-Welt spielen werden. Wenn wir es klug anstellen, werden wir Lösungsanbieter innerhalb dieser Welt sein und nicht bloß Produkt-Lieferanten. Denn als solche hätten wir langfristig keine Zukunft auf dem Markt.
Wie sieht es denn überhaupt mit der deutschen und europäischen Wettbewerbsfähigkeit in diesem Bereich aus?
Gut! Manche glauben ja, dass die Datenschutz-Grundverordnung, der Cyber Resilience Act und all diese europäischen Regulierungen ein Hindernis im Markt darstellen. Wir dagegen denken, dass das Gegenteil der Fall ist: Durch die Gesetzgebung in Europa sehen wir eher einen gewissen Wettbewerbsvorteil. Alle Umfragen belegen eindeutig, wie wichtig es den Endkunden ist, dass ihr Zuhause sicher ist und nicht gehackt werden kann. Das wird aus unserer Sicht ein positives Differenzierungsmerkmal in der Zukunft sein. Wer das nicht bieten kann, wird als Zweiter vom Platz gehen.
Aber die großen Märkte sind bislang gar nicht hier in Europa, sondern in den USA und in China. Und da sieht man es mit dem Thema oft nicht so eng.
Die Frage ist, in welchem Bereich. Im Bereich kommerziell genutzter Gebäude, beispielsweise in Hotels oder in Geschäftshäusern, wird weltweit schon sehr stark darauf geachtet, dass Daten sicher verwendet werden. Bei Plug-and-Play-Lösungen im Smart-Home-Bereich ist das Bild derzeit differenzierter. Allerdings bin ich davon überzeugt, dass es auch hier zu einem Umdenken kommen wird – zumindest was den Schutz vor Manipulationen, Cyberattacken oder Spionage betrifft. Es gibt in den unterschiedlichen Ländern unterschiedliche Bedürfnisse. Da ist den Menschen außerhalb Europas oft egal, was Alexa und Co. so alles mitschneidet und anderweitig verwendet, solange man selbst keinen spürbaren Nachteil davon hat.
Wir haben das Interview mit einem Rückblick auf die vergangenen Jahre begonnen. Zum Schluss: Was ist Ihre Prognose für die kommenden Jahre?
Ich glaube, Smart Home wird jetzt erst richtig interessant. Und das liegt an dem Potenzial im Bereich Künstlicher Intelligenz. Erst wenn ein System alle möglichen zu Verfügung stehenden Daten selbstständig verarbeiten und daraus seine Rückschlüsse ziehen kann, wird es richtig smart. Denn dann geht es nicht nur darum, den Nutzern etwas Bequemlichkeit und Komfort zu bieten, sondern dann reden wir von Themen wie Nachhaltigkeit von Gebäuden oder Energieeffizienz. Gerade vor dem Hintergrund, dass Gebäude weltweit für rund 40 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich sind, sehe ich hier ein enormes Potenzial, das mehr und mehr auf den Radar kommen wird und mittelfristig die Kaufentscheidungen maßgeblich beeinflussen wird.
Die Fragen stellte Martin Schmitz-Kuhl