Träge wälzt sich die graue Masse durch den Bunker. Blaue Müllsäcke treiben als Farbklekse an der Oberfläche. Wo das bröcklige Gemisch ein Stück in die Tiefe sackt, ziehen sich helle Folienstreifen wie Kaugummifäden zwischen den Müllklumpen. Mehr als eine Million Tonnen Müll fallen jährlich in Hamburg an, etwa die Hälfte davon ist Restmüll, der in den städtischen Müllverwertungsanlagen verbrannt wird. Schon 1896 wurde in der Hansestadt eine solche Anlage – die erste auf dem europäischen Kontinent – in Betrieb genommen, denn Platz war in der Stadt schon immer knapp.
Mittlerweile geht es längst nicht mehr allein darum, die Müllberge zu schrumpfen. Heute ist in Hamburg die bei der Verbrennung an drei großen Standorten frei werdende Energie gefragt. Im Osten der Stadt verbrennt die Müllverwertungsanlage Borsigstraße jährlich 320.000 Tonnen Hausmüll und hausmüllähnliche Abfälle und erzeugt dabei rund 785.000 Megawattstunden Fernwärme – genug, um fast 4000 Haushalte zu versorgen. Erst Ende 2023 ging an der Borsigstraße eine neue Wärmepumpe in Betrieb, die aus dem Rauchgas weitere 350.000 Megawattstunden Wärme nutzbar macht. Eine ähnliche Dimension hat die Müllverbrennung am Rugenberger Damm, südlich der Elbe. Sie versorgt bisher ein nahe gelegenes Industriegebiet mit Energie. Eine neue Leitung unter der Elbe hindurch soll dafür sorgen, dass auch von dort bald Wärme ins städtische Fernwärmenetz gelangt. Und das ist kein Auslaufmodell: Im Nordwesten Hamburgs baut die Stadtreinigung gerade ihr neues „Zentrum für Ressourcen und Energie“, kurz ZRE. Ab 2025 sollen auch diese jährlich 323.000 Tonnen Müll aufnehmen, davon 145.000 Tonnen Restmüll. Mit einer modernen Sortieranlage will die Stadtreinigung vor der Feuerung noch knapp 10.000 Tonnen Metall, Papier, Glas und bestimmte Kunststoffe herausfischen. Der Rest wird verbrannt. Die Energie soll im Sommer vor allem für die Stromerzeugung genutzt werden, im Winter für die Fernwärme.
Abfall ist wichtige Energiequelle für Kommunen und Unternehmen
Hamburg ist bei Weitem nicht die einzige Großstadt, die in ihrer Energieversorgung große Stücke auf Müll als Brennstoff hält. Im Jahr 2021 wurden laut dem Umweltbundesamt in Deutschland über 25.000 Millionen Tonnen Abfälle in sogenannten thermischen Abfallbehandlungsanlagen verbrannt. Etwa die Hälfte davon ist Hausmüll, hinzu kommt eine große Menge Abfälle, die zu sogenannten Ersatzbrennstoffen aufbereitet werden. Diese haben zum Beispiel einen klar definierten Brennwert und sind oft zu Brickets oder Pellets verarbeitet, sodass sie sich gut kontrolliert verbrennen lassen und weniger Schadstoffe entstehen. Auch Klärschlamm und gefährliche Abfälle wie Öle und Chemikalien werden verbrannt.
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) schätzt, dass in Anlagen von Industriebetrieben noch einmal weitere 24 Millionen Tonnen Abfälle und Ersatzbrennstoffe verfeuert werden, um Energie für den eigenen Bedarf zu erzeugen. Besonders interessant ist das für energieintensive Branchen wie die Papier- und Zementindustrie. Die verbrannten Abfälle können aus dem eigenen Betrieb stammen oder auch zugekauft werden. „Unterm Strich werden jährlich also knapp 50 Millionen Tonnen Abfälle in Deutschland verbrannt“, sagt Patrick Hasenkamp, VKU-Vizepräsident und Leiter der Abfallwirtschaftsbetriebe Münster.
Verbrennen ist besser als deponieren
Keine Frage: Der Müll muss weg, wenn er einmal da ist. Dafür zu sorgen ist eine gesetzliche Pflicht der Kommunen. Und was sich verbrennen lässt, darf nicht einfach deponiert werden. Auch das ist seit fast 20 Jahren gesetzlich verankert, denn im Vergleich zur direkten Deponierung ist das Verbrennen – im Fachsprech „thermische Abfallbehandlung“ genannt – definitiv die bessere Variante. Die Verbrennung spart nicht nur Platz, sondern zerstört auch viele Schadstoffe ebenso wie Viren und Bakterien. Giftige Stoffe, die in den zusammengeschrumpften Resten zurückbleiben, lassen sich leichter sicher verwahren als ganze Müllberge.