Eine männliche Fachkraft arbeitet an einem Mikrochip
Martin Wolczyk / Adobe Firefly
01.01.2024 VDE dialog

VDE/VDI GMM: Herz der Digitalisierung

Die VDE/VDI-Gesellschaft Mikroelektronik, Mikrosystem- und Feinwerktechnik beschäftigt sich mit Technologien, die meist im Verborgenen wirken, ohne die aber unsere digitalisierte Welt nicht denkbar ist. Ein wichtiges Ziel der GMM-Aktivitäten ist es dabei, den Nachwuchs an die Themen heranzuführen.

Von Markus Strehlitz

Sie sind so klein, dass sie manchmal mit dem bloßen Auge kaum sichtbar sind – und doch leisten sie Großes. Sie bilden nicht nur das Herz, sondern auch das Hirn der Digitalisierung, denn auf ihnen basieren die Funktionalität und komplexe Prozesse bedeutender Entwicklungen unserer Zeit, in ihnen werden Visionen wahr: die Technologien und Produkte, mit denen sich die VDE/VDI-Gesellschaft Mikroelektronik, Mikrosystem- und Feinwerktechnik (VDE/VDI GMM) befasst. „Wir beschäftigen uns mit Querschnittstechnologien, die in vielen verschiedenen Anwendungsfeldern eine entscheidende Rolle spielen“, erklärt Dr. Franz Auerbach, der zusammen mit Prof. Dr. Amelie Hagelauer seit Anfang 2023 den Vorstand der GMM bildet. Aber was heißt das genau? Dass Smartphones Chips enthalten, die diese zum unentbehrlichen Alleskönner machen, ist bekannt. Doch welche Chips da genau im Einsatz sind und wie diese designt sind, darüber macht sich der Anwender in der Regel keine Gedanken.

Internationale Tagungen und Halbleiter-Promotion

Denn das alles ist sehr komplex und nicht gerade leicht zu vermitteln. Nicht zuletzt liegt das auch daran, dass der Entwicklungsprozess integrierter Schaltungen langwierig ist – von der ersten Idee über die Spezifikation, Umsetzung in einen Schaltplan und einem Layout bis zu einem fertigen Schaltkreis mit etlichen Verifikationsschritten. Hinzu kommt: Technologien und Verfahren unterliegen in den fertigenden Unternehmen häufig strenger Geheimhaltung. All das führt dazu, dass die GMM auf den ersten Blick nicht mit großen Hype-Themen dienen kann, die viel mediale Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Doch ohne die Technologien, mit denen sich die GMM beschäftigt, gäbe es diese Trendthemen gar nicht. „Ohne Mikroelektronik könnten alle anderen einpacken, wir sind die Enabler für all diese Anwendungen, um die es gerade geht“, sagt der Vorstandsvorsitzende selbstbewusst – „egal ob es sich nun um Ausbau erneuerbarer Energien, um Elektromobilität oder um Künstliche Intelligenz handelt.“

„Im Dienste der Innovation“

Prof. Dr. Amelie Hagelauer
Hans-Jürgen Schmitz, Martin Wolczyk / Adobe Firefly (Composing)
01.01.2024 VDE dialog

Hidden Electronics: Wie die VDE/VDI-Gesellschaft Mikroelektronik, Mikrosystem- und Feinwerktechnik und ihre Arbeit sichtbar werden, obwohl sie sich mit winzig kleinen Bauteilen beschäftigt, erklärt die stellvertretende Vorsitzende, Prof. Dr. Amelie Hagelauer. Denn ohne Chips läuft nichts!

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Dabei unterliegt das Fach rasanten Entwicklungen. Das spiegelt sich auch in der Geschichte der GMM wider. Die Fachgesellschaft, die sich als Plattform für Ingenieure, Naturwissenschaftler und den technisch-wissenschaftlichen Nachwuchs in mikrotechnischen Anwendungsbereichen sieht, entstand 1996. Sie ging aus einer Fusion der VDE/VDI-Gesellschaft Mikroelektronik (GME) mit der VDI/VDE-Gesellschaft Mikro- und Feinwerktechnik (GMF) hervor. 2009 wurde das Akronym GMM neu definiert. Seitdem steht dieses für „Mikroelektronik, Mikrosystem- und Feinwerktechnik“. Mit dieser Änderung trägt die GMM der Bedeutung der Mikrosystemtechnik und der öffentlichen Sichtbarkeit dieser Technik unter diesem Namen Rechnung. „Obwohl der Oberbegriff, unter dem sich 80 Prozent unserer Tätigkeit zusammenfassen lässt, schon die Mikroelektronik ist“, erläutert Auerbach.

 Aktuell gehören der Fachgesellschaft rund 7500 Mitglieder an. Zwei Drittel davon kommen aus dem VDI, etwa ein Drittel sind VDE Mitglieder. Wer ehrenamtlich mitarbeiten möchte, kann sich in den verschiedenen Gremien engagieren oder in Programmausschüssen mitwirken. Die GMM umfasst zurzeit 35 Gremien zu unterschiedlichen Themen. Dazu zählen zum Beispiel Aufbau-, Verbindungs- und Leiterplattentechnik, Mechatronik oder verschiedene Aspekte der Mikro- und Nanoelektronik wie etwa Halbleiterfertigungsgeräte oder Chipdesign. Die Programmausschüsse erarbeiten die Themen und Agenden für die Veranstaltungen der GMM. Etwa zehn solcher zum Teil internationalen Tagungen organisiert die Fachgesellschaft pro Jahr. Die bedeutendste davon ist der MikroSystemTechnik Kongress, der alle zwei Jahre stattfindet und von der GMM gemeinsam mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung organisiert wird. Allein 2023 kamen über 500 Teilnehmende, um mehr als 200 Beiträge zu verfolgen.

„Das Aufeinandertreffen und der Austausch so vieler Expertinnen und Experten ist unbezahlbar“, so GMM-Geschäftsführer Dr. Ronald Schnabel – untereinander, aber auch darüber hinaus. Denn die Verknüpfung mit anderen Fachgesellschaften und Verbänden ist der GMM ebenfalls ein wichtiges Anliegen. So gibt es zum Beispiel gemeinschaftliche Tagungen mit VDE ITG und VDE ETG, mit dem Branchenverband ZVEI und der internationalen Gesellschaft für Technologie der Optik und Photonik (SPIE). „Solche Verbindungen sind für uns eine Herzensangelegenheit“, hebt Schnabel hervor.

Der Austausch bleibt aber nicht nur auf Fachkreise beschränkt. Die GMM hat auch das klare Ziel, auf die Politik einzuwirken. Schnabel sieht für seine Fachgesellschaft derzeit vor allem die Mission, die „Halbleiterei zu promoten“. Ihre Expertise bringt die GMM in Form von Studien, Analysen und Empfehlungen ein. In drei Positionspapieren hat sich die GMM etwa mit den „Hidden Electronics“ beschäftigt. Ziel war es, die so wichtigen Technologien, die im Hintergrund wirken, sichtbarer zu machen. Nach Meinung von Schnabel hat das Engagement der GMM auch Wirkung gezeigt. So schreibt er es unter anderem der Arbeit seiner Fachgesellschaft zu, „dass es einen europäischen Chips Act gibt und sich Halbleiterfabriken in Deutschland ansiedeln“.

Wissenschaftlich-praktische Wettbewerbe

Es liegt auf der Hand, dass die Zukunftstechnologien, die die GMM vertritt, nur mit gut ausgebildeten und motivierten Spezialistinnen und Spezialisten vorangetrieben werden können. Daher ist der GMM auch die Förderung von Nachwuchskräften besonders wichtig: „Damit beschäftigen wir uns sehr intensiv“, so Schnabel. Als Highlight bezeichnet der GMM-Geschäftsführer dabei den Studierendenwettbewerb COSIMA. Die Abkürzung steht für „Competition of Students in Microsystems Applications“. Das Besondere an dem Wettbewerb ist, dass es bei COSIMA kein vorgegebenes Thema gibt. Einzige Vorbedingung ist, dass der eingereichte Beitrag den Nutzen der Mikrosystemtechnik für Alltagsanwendungen aufzeigt. Dafür müssen die Studierenden einen funktionierenden Prototyp vorweisen. Zudem werden ein Marketingkonzept sowie eine Sponsorensuche zur Finanzierung des Projekts verlangt. „Die Studierenden sind angehalten, wie ein kleines Start-up zu agieren“, erklärt Schnabel. Und tatsächlich sind aus dem Wettbewerb auch schon Existenzgründungen hervorgegangen – beispielsweise das Start-up „Heat-it“, das einen Insektenstichheiler entwickelt hat, der sich über das Smartphone aufheizen lässt.

Daneben wirkt die GMM auch am renommierten VDE Wettbewerb INVENT a CHIP mit. Hier können sich Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 9 bis 13 mit einem selbst entwickelten Mikrochip beteiligen. Auf dem MikroSystemTechnik Kongress 2023 wurden gerade erst wieder die Jahresgewinner ausgezeichnet. „Wir können damit junge Leute schon frühzeitig mit dem VDE und der Mikroelektronik in Verbindung bringen und eventuell für ein entsprechendes Studienfach begeistern“, sagt Vorstandsvorsitzender Auerbach. Neben anderen GMM-Auszeichnungen für bereits ausgebildete Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen – wie dem Alfred-Kuhlenkamp-Preis und dem „Preis der GMM“ – seien gerade solche Würdigungen enorm wichtig, um dem Rückgang bei den Studierendenzahlen und dem damit verbundenen Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Keine Zukunftstechnologie ohne Mikroelektronik

Dem Nachwuchs wird künftig auch die Aufgabe zufallen, sich mit neuen Themen zu beschäftigen. Und auch die GMM nimmt die Zukunft ins Visier. Laut Auerbach spielt die Mikroelektronik eine wichtige Rolle, um nachhaltig zu handeln und Energie zu sparen. Schließlich verschlingt die Digitalisierung auch große Mengen Strom. Unter dem Schlagwort „Green ICT“ gehe es daher darum, die Technologie selbst stromsparender zu machen – indem etwa Prozessorarchitekturen entsprechend optimiert werden. Zum anderen könnten dank Mikroelektronik energieeffiziente Lösungen entwickelt werden – zum Beispiel mit Wechselrichtern auf Halbleiterbasis. Und selbst wenn es nur ein kleiner Aspekt des ganzen Projekts ist, zeigt sich hier erneut: Es ist die Feinarbeit, die Großes bewirkt. Franz Auerbach bringt es auf den Punkt: „Wir können die Welt nicht alleine retten. Ohne uns wird es aber auch nicht gehen.“

Markus Strehlitz ist freier Journalist und Redakteur beim VDE dialog.

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