Eine Solarplatte, welche von einer Hand beruehrt wird
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03.01.2022 Publikation

Klimaretter im Haus

Um den durchschnittlichen Temperaturanstieg der Erde auf 1,5 °C zu begrenzen und die Folgen des Klimawandels deutlich zu vermindern, gibt es klare Vorgaben zur CO2-Reduktion. Für den Gebäudesektor gilt: 2030 sollen maximal 70 Millionen Tonnen emittiert werden – ambitioniert, aber machbar. 

von Gerd Rückel 

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Die Bundesregierung hat die Klimaschutzziele für Deutschland im Juni 2021 verschärft: Bis 2030 sollen die CO2-Emissionen gegenüber 1990 nun um 65 Prozent gesenkt werden. Zuvor lag die Messlatte bei 55 Prozent. In der Gebäudetechnik setzt man vor allem auf klimaschonende Stromerzeugung und Beheizung: Mit dem im Vorjahr in Kraft getretenen Gebäudeenergiegesetz will die Bundesregierung energieeffizientes Bauen und Sanieren gleichermaßen fördern. Das macht Sinn: Von 1990 bis 2020 sind die Treibhausgasemissionen bei den Gebäuden um 43 Prozent auf 120 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente gefallen. Um die anvisierte Reduktion von 65 Prozent bis 2030 zu schaffen, setzt der Bund im Gebäudesektor auf einen integrierten Ansatz aus Beratung, CO2-Bepreisung und steuerlicher Förderung für energetische Gebäudesanierungen sowie klimaschonende Neubauten.

Mit einer Förderung von bis zu 50 Prozent durch Prämien und Tilgungszuschuss zählen Wärmepumpen zum Heizen und für die Warmwasserbereitung zu einer beliebten Option in Gebäuden. Die Wärmepumpe bedient sich der in der Umwelt gespeicherten thermischen Energie. Diese wird aus dem Erdreich, dem Grundwasser oder der Luft gewonnen. Erdwärme- und Grundwasserpumpen sind wegen der ganzjährig konstanten Temperaturen die effizienteren Varianten. Hohe Anschaffungskosten relativieren sich bei Nutzung staatlicher Fördermittel. Geringe Heizkosten und ein wartungsarmer Betrieb gehen dann mit Klimaneutralität einher. In Neubauten werden vorrangig elektrische Wärmepumpen installiert, aber auch im sanierten Altbau sind diese eine Option. 

Noch ist das Potenzial von Photovoltaikanlagen nicht ausgeschöpft

Photovoltaikanlagen werden bereits seit über 30 Jahren in der Gebäudetechnik eingesetzt. Gestartet mit dem 1000-Dächer-Programm 1990, lag die Zahl der Anlagen auf Ein- und Zweifamilienhäusern Ende 2020 laut des internationalen Marktforschungs- und Beratungsunternehmens EUPD Research bei 1,3 Millionen. Trotz des massiven Anstiegs bleibt viel Luft nach oben, denn insgesamt eignen sich bundesweit 11,7 Millionen Liegenschaften dieser Gebäudeklasse für den Einsatz der Solarmodule und offenbaren damit viel ungenutztes Potenzial. Das Gebäudeenergiegesetz setzt hier an: Der aus Anlagen ohne Stromspeicher gewonnene Strom wird zu 30 Prozent und bei Anlagen mit Stromspeicher sogar zu 45 Prozent auf den Jahresprimärbedarf eines Gebäudes angerechnet. 

Für größere Gebäude, etwa Krankenhäuser, Schwimmbäder oder Büros, eignen sich Blockheizkraftwerke. Diese arbeiten mit Kraft-Wärme-Kopplung, bei der die Abwärme der Stromerzeugung für die Beheizung von Gebäuden genutzt wird. Die Energiegewinnung mit Kraft-Wärme-Kopplung zählt nicht zu den erneuerbaren Energien, denn um den Generator anzutreiben, wird mitunter noch Öl und Gas verwendet. Der Betrieb mit regenerativen Brennstoffen verbessert die Klimabilanz jedoch spürbar. 

Bislang eine Vision: Grüner Wasserstoff zum Heizen von Gebäuden

Zu einem Joker kann dabei grüner Wasserstoff werden, da für seine Gewinnung bei der Elektrolyse von Wasser nur Strom aus regenerativen Energien zum Einsatz kommt. Das sorgt für eine komplett emissionsfreie Betriebsphase der Heizsysteme. Für Altbauten besteht die Option, Gaskessel umzurüsten. Wegen des geringeren Heizwerts pro Volumeneinheit des Wasserstoffs ist dies technisch jedoch alles andere als trivial. Alternativ zur Gaskessel-Umrüstung gibt es die Brennstoffzellen. Diese können gleichzeitig Strom und Wärme erzeugen, sind aber teuer in der Anschaffung. Noch sind die in Deutschland verfügbaren Mengen von grünem Wasserstoff laut einer gemeinsamen Studie der Fraunhofer-Institute ISE und ISI aber sehr bescheiden und müssten überwiegend importiert werden. Damit das in der Summe nicht das Ziel der Treibhausgasreduktion torpediert, sollte „Wasserstoff (...) so regional wie möglich hergestellt werden, denn lange Lieferwege können den CO2-Fußabdruck verschlechtern“, gibt Andrea Appel, Projektmanagerin Hydrogen Development beim VDE, zu bedenken.

Wie sich mit Gegenwartstechnologie die CO2-Emissionen in Bestandsgebäuden optimieren lassen, zeigt das Projekt „Smartes Quartier Karlsruhe-Durlach“: Das innovative Konzept verbindet fünf Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 175 Wohnungen mit Wärmepumpen, Photovoltaikanlagen und Erdgas-Blockheizkraftwerken miteinander. Die einzelnen Komponenten werden durch ein intelligentes Energiemanagement gesteuert. Fehlererkennungsalgorithmen auf der Basis von künstlicher Intelligenz sorgen für die größtmögliche Effizienz. Die Simulationsergebnisse sind beachtlich: Neben CO2-Einsparungen von über 50 Prozent lassen sich auch die Kosten für den Betreiber spürbar reduzieren.

Die Klimaziele für den Gebäudesektor sind ambitioniert. Neben den bereits etablierten Technologien müssen zur Zielerreichung daher auch die noch effizienteren Zukunftstechnologien weiterentwickelt werden – und bei industrieller Reife zügig zum Einsatz kommen.

GERD RÜCKEL
ist freier Journalist in Friedrichsdorf (Hessen) mit den Themenschwerpunkten Finanzen, grüne Investitionen und Wissenschaft.

Grüner Wasserstoff

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03.01.2022 Publikation

»Wasserstoff sollte so regional wie möglich hergestellt werden, denn lange Lieferwege können den CO2-Fußabdruck verschlechtern.“

ANDREA APPEL Projektmanagerin Hydrogen Development beim VDE.

Zum Interview mit Andrea Appel