Transportroboter der Supermarktkette Rewe

Transportroboter der Supermarktkette Rewe

| REWE
01.10.2023 VDE dialog

Smarte Logistik: Die Route wird berechnet

Lange Zeit galt die Logistik als digitaler Nachzügler. Zwischen Lastwagen und Lagerhallen war wenig Platz für smarte Lösungen. Mittlerweile aber drückt die Branche aufs Tempo: Weil Fachkräfte fehlen, Umweltschutz noch mal an Bedeutung gewinnt und die Effizienz bei knappen Margen immer wichtiger wird, versuchen sich alle Beteiligten dieser Branche an innovativen Projekten. Wer sich heute auf eine Ideenrundfahrt begibt, stößt auf unterschiedlichste Vorhaben – die Spanne reicht von der Routenplanung bis zu Robotern. In der Praxis stoßen dabei neue Tools auf tradierte Prozesse und erfahrene Mitarbeiter. Doch gemeinsam können sie eines schaffen: mit digitalen Mitteln den analogen Alltag nach vorne bringen.

Von Manuel Heckel

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Virtuelle Megaflotte für Europa

Das Problem beschäftigt die Speditionsbranche seit Langem: Nachdem Lkw-Fahrer ihre Fracht abgeliefert haben, fahren sie oft ohne Beladung wieder zurück – schlecht für die Umwelt, schlecht für das Geschäft. Die 2015 in Berlin gegründete Tech-Firma sennder setzt hier an. Sie hat eine Art Vermittlungsbörse gebaut, auf der dank der passenden Algorithmen Versender mit passenden Transporteuren verknüpft werden. Das geschah früher per Telefon und war auf das eigene Adressbuch der Logistiker begrenzt, digital erweitern sich diese Vernetzungsmöglichkeiten massiv. sennder wirbt zudem damit, dass sich die Lieferungen in Echtzeit verfolgen lassen können. Über 60.000 Lastwagenladungen organisiert das mit reichlich Risikokapital finanzierte Unternehmen so jeden Monat, quer durch ganz Europa.

www.sennder.com

Lufttaxi für die Lagerhalle

Flugroboter der Marke Emqopter
Emqopter GmbH

Auch kurze Wege können viel Zeit verschlingen: An einem Ende des Werksgeländes wird ein Maschinenteil benötigt, das am anderen Ende gelagert wird. Oder Spezialwerkzeug muss von einer Lagerhalle in eine andere transportiert werden. Diese „Mikrologistik“ wird heute meist zu Fuß erledigt und bindet Mitarbeiter für wertvolle Minuten. Im mit Bundesmitteln geförderten Projekt „FlowPro“ wurden Alternativen erprobt. Etwa der Einsatz von Drohnen, die per App von Beschäftigten angefordert werden – und dann als Lufttaxi schuhkartongroße Pakete innerhalb eines Werksgeländes befördern können. Das autonome Fluggerät kommuniziert über das 5G-Mobilfunknetz, Lidar-Sensoren helfen bei der exakten Flugplanung durch Fabriktore und an Produktionsanlagen vorbei.

www.flow-pro.de

Clevere Kombinationen sind gefragt

Von der Straße auf die Schiene und zurück: Im sogenannten Kombinierten Verkehr (KV) wechseln Container auf ihrer Reise das Transportmittel. Der häufigste Fall ist das Zusammenspiel von Lastwagen und Zug, aber auch Frachtschiffe können eingebunden sein. Klappt die Kombination, sind Güter besonders effizient und umweltfreundlich bis an ihren Zielort unterwegs. Doch die Komplexität ist hoch. Digitalisierung soll helfen: Im KV 4.0 Datenhub, der im Frühjahr dieses Jahres gestartet ist, tauschen alle beteiligten Partner Informationen aus: Spediteure wissen, wann ihre Lieferungen wirklich an der Umladestation ankommen, Güterbahnhöfe und Häfen können die knappen Slots genauer vergeben, Lokführer sehen in Echtzeit, wann sie einen Güterzug übernehmen müssen. Auch andere Projekte versuchen, Kombinierten Verkehr digitaler zu gestalten: Das Start-up Modility, gegründet vom Hamburger Hafen, bietet eine Such- und Buchfunktion für den verbundenen Transport auf Straße und Schiene.

Flotter Frachthelfer am Flughafen

Etwa fünf Millionen Tonnen Fracht werden pro Jahr an deutschen Flughäfen ein- und ausgeladen. Schwerstarbeit für die Beschäftigten, die die Ware von der Lagerhalle in den Flugzeugbauch und wieder zurück transportieren. In München rollt jetzt ein Roboter los, der helfen will: Der „EvoBot“, entwickelt von Forschern des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik, flitzt auf zwei Rädern mit bis zu 60 Stundenkilometern über das Flughafengelände. Dabei kann er bis zu 100 Kilogramm schwere Pakete mit seinen Greifarmen packen. Der rasende Roboter könne so die „tägliche Arbeit unserer Kolleginnen und Kollegen im Frachtbereich erleichtern und den Arbeitsplatz attraktiver machen“, sagt Flughafen-München-Chef Jost Lammers.

www.iml.fraunhofer.de/evobot

Neue Wege dank Hightech-Palette

Ein Transportcontainer wird per Kran auf einen Lkw verladen
R2L Roadlink GmbH

Eine Verwandlung in gerade einmal zwei Minuten: Die Plattform „Road-Rail-Link“, abgekürzt „R2L“, der Logistikspezialisten VTG und VEGA sowie des Fahrzeugherstellers Kässbohrer soll den Kombinierten Verkehr nach vorne bringen. Die Erfindung löst ein großes Problem: Bislang können zahlreiche Sattelauflieger von Lastwagen nicht auf Güterwaggons umgeladen werden, weil sie keine Anpackstelle für einen Kran bieten. Eine Art Hightech-Palette sorgt nun für die blitzschnelle Transformation: Lastwagen fahren ihren Auflieger in das fast acht Meter lange und knapp drei Meter breite Gestell, koppeln die Zugmaschine ab – und schon kann ein Kran an vordefinierten Ösen die Ladung greifen. So wandert der gesamte Container auf einen sogenannten Taschenwagen und kann via Güterzug umweltfreundlich bis in die Nähe des Zielortes transportiert werden. Dort läuft das Spiel rückwärts: Eine Zugmaschine steht bereit, ein Kran wuchtet den Auflieger an die exakt passende Stelle – und ab geht es auf die letzten Kilometer. Für diese Idee gab es 2022 den „Deutschen Verkehrswendepreis“ der Allianz pro Schiene.

www.r2l.at

Google Maps für den Gütertransport

Einfach von A nach B? So simpel stellt sich die Routenplanung in der Logistik selten dar. Manche Produkte müssen zu bestimmten Zeitpunkten abgeholt oder geliefert werden, andere müssen aufwendig gekühlt werden, dazu kommen Zwischenstopps, die die Beladung komplizierter machen. Neue und bereits etablierte Softwarehersteller versprechen, die Strecken möglichst klug zu planen – denn jeder zusätzlich gefahrene Kilometer kostet Zeit und Geld. Bis zu 250 Parameter werden bei der Planung berücksichtigt, versprechen Tech-Firmen wie Smartlane, Fast Lean Smart oder Greenplan. Die Programme kombinieren Informationen zu Fahrern, Fahrzeugen, Lieferung und Lieferorten beispielsweise mit Verkehrs- oder Wetterdaten. Und die Software soll mit jeder absolvierten Route ein wenig dazulernen. In der Praxis dominiert heute häufig noch die Erfahrung von langjährigen Disponenten.

Warenschein aus der Wolke

Es klingt wie ein kleiner Schritt – ist aber ein großer Sprung für die Logistikbranche: Im vergangenen Herbst ist die digitale Lieferscheinplattform „Cloud4Log“ online gegangen. Immer noch gehört es bei vielen Transportvorgängen zum Alltag, dass dieses zentrale Papierdokument den Weg vom Versender über den Transporteur bis zum Empfänger mitmacht. Viele Firmen waren bereits dazu übergegangen, den Lieferschein im Nachhinein zu scannen – aber auch das führte zu Verzögerungen und war fehleranfällig. Bei „Cloud4Log“ wird der Warenschein nun von Beginn an als PDF-Datei in der Datenwolke gespeichert und bearbeitet, alle Informationen sind daher in Echtzeit verfügbar. Die neue Plattform, auch als „Dropbox für die Logistik“ bezeichnet, wurde von der Bundesvereinigung Logistik und der Organisation GS1 gemeinsam mit 40 Partnern entwickelt. Dadurch waren direkt zum Start viele Unternehmen mit dabei, die große Warenmengen verschicken, transportieren oder empfangen: von den Herstellern Nestlé oder Henkel über die Spediteure Dachser, DHL oder Fiege bis hin zu den Handelsketten dm oder Rewe.

www.cloud4log.com

Der Traum vom Tante-Emma-Roboter

Die Auswahl ist gewöhnlich, der Transportweg ganz sicher nicht: Seit Mai schickte Lebensmittelhändler Rewe in Hamburg für einige Monate Lieferroboter auf die Straße (siehe großes Foto). Testkunden können in einer App ihren Warenkorb zusammenstellen – von Banane bis Backwaren. Die schubkarrengroßen Gefährte werden nach einer Bestellung via App in einer herkömmlichen Filiale befüllt. Und rollen dann in Gehgeschwindigkeit zur gewünschten Adresse. Einmal angekommen, kann der Kunde mit einem Code ein Fach öffnen und seinen Einkauf entnehmen. Ein US-Start-up stellt den Lieferroboter, ein anderes Tech-Unternehmen die Bestell-App. In den USA haben auch Uber Eats, die Supermarktkette Kroger oder der Essenslieferdienst Grubhub mit ähnlichen Geräten experimentiert. Die Hoffnung der Unternehmen: In Zukunft kann so auf menschliche Lieferfahrer verzichtet werden. Immer wieder kursieren im Netz jedoch Videos, in denen die Roboter gegen Hindernisse fahren, Treppen hinunterstürzen oder an Bürgersteigkanten scheitern.

Transport via Tram

Packstation Öffi-Packerl in Wien
© Wiener Linien / Topf

Ein Ticket, bitte – und ein Paket dazu. So könnte Straßenbahnfahren ab dem kommenden Jahr für einige Wiener starten. In der österreichischen Hauptstadt laufen gerade die Vorbereitungen für das Forschungsprojekt „Öffi-Packerl“. Die Idee: Auf einigen Linien der traditionsreichen „Bim“ nehmen Fahrgäste Pakete mit. Und liefern die an Haltestellen in speziellen Paketstationen ab. So soll zumindest ein Teil der über 110 Millionen Pakete, die jährlich in Wien zugestellt werden, mittels öffentlichen Nahverkehrs die letzten Meter zum Sendungsziel überbrücken. Ein ähnliches Projekt startete im vergangenen Herbst in Schwerin: Dort schickte Deutsche Post DHL jedoch eine tägliche Sonderfahrt auf die Schienen. Bei dieser Tour stiegen keine Fahrgäste zu, aber dafür bis zu 450 Pakete. An mehreren Stationen wurden die dann in die passende Packstation einsortiert. In Schwerin guckt sich die Uni Stuttgart gerade an, ob die ersten Monate erfolgreich waren. In Wien begleitet Fraunhofer Austria das aufwendige Projekt.

Smarte Logistik: „Technik kann genutzt werden, um Menschen zu unterstützen“

Autonomer Transportroboter Evobot
© Fraunhofer IML / Michael Neuhaus
01.10.2023 VDE dialog

Dr. Jana Jost ist Abteilungsleiterin Robotik und Kognitive Systeme am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) in Dortmund. Dort forscht die Ingenieurin an zahlreichen Projekten, die die Mensch-Technik-Interaktion in der Logistik erweitern – und so die Branche smarter machen.

Interview: Manuel Heckel

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