Women in Tech
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23.03.2021 Publikation

Power Women in Tech

Immer mehr Frauen wählen einen MINT-Studiengang, um sich dann in der von Männern dominierten Technik-Welt durchzusetzen und Karriere zu machen. Das klappt besser als früher. Noch ist aber Luft nach oben – wie eine kleine VDE dialog-Umfrage zeigt.


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Sarah Fluchs
ADMERITIA


„Ich glaube nicht, dass es Frauen grundsätzlich schwerer haben. Klar, ich bin auch schon für die Sekretärin gehalten worden. Nach einem Meeting hat mir allen Ernstes ein älterer Herr mal völlig ohne Zusammenhang über den Kopf gestreichelt. Und Recruiter schreiben mich in der Regel mit ‚Herr Fluchs‘ an. Aber das alles sind Anekdoten, keine echten Stolpersteine, und man darf sie nicht zu wichtig nehmen.“

Sarah Fluchs hat Maschinenbau im Bachelor und Automatisierungstechnik im Master studiert. Dem Thema ihrer Abschlussarbeit – Security für Automatisierungstechnik – ist sie treu geblieben, nur heute bearbeitet sie es als Chief Technology Officer (CTO) bei admeritia.

Von Frau zu Frau

Sarah Fluchs, Chief Technology Officer (CTO) bei admeritia in Langenfeld, hat es geschafft, sich in der männerdominierten Technikwelt durchzusetzen. Der VDE dialog fragte sie nach ihren Karriere-Tipps. Hier Ihre Antworten:

„Wahrscheinlich muss jede Frau ihre eigenen Erfahrungen machen. Aber wenn ich jemanden etwas mitgeben sollte (die ich selbst wahrscheinlich auf jeden Fall in den Wind geschlagen hätte...), dann wären es die drei folgen Tipps:

1) Denkt nicht zu viel darüber nach, dass Ihr eine Frau in einer Männerdomäne seid – auch wenn Ihr andauernd danach gefragt werdet. Euch definiert aber so viel mehr als Euer Geschlecht! Und wenn Ihr euch selbst nicht darauf reduziert, werdet Ihr auch von anderen nicht darauf reduziert.

2) Ihr müsst damit leben können, dass Ihr nicht verhindern könnt, was andere Menschen manchmal denken. Was immer auch ihr dagegen tut und wie ungerecht das ist. Wenn zum Beispiel jemand denken will, dass Ihr nur die Quotenfrau seid, wird diese Person das tun und auch seine Gründe dafür haben. Diese Gründe haben aber meist sehr viel mehr mit dieser Person selbst, als mit euch zu tun haben.

3) Die Anderen kochen auch nur mit Wasser! Es gibt kein geheimes Männer-Gen, das diese Technik besser verstehen lässt. Männer erwarten einfach häufiger von sich selbst, dass sie Technik verstehen und dann verstehen sie sie tatsächlich auch – wenn sie hart genug dafür arbeiten. Doch dasselbe gilt für Frauen!“

Ariane Wyen
OHB



„Während meiner Ausbildung und während meiner ersten Berufsjahre habe ich keine negativen Erfahrungen gesammelt. Dies änderte sich, als ich im Alter von 32 Jahren Geschäftsführerin wurde. So gibt es einige Männer und Frauen, die behaupten, dass mir diese Position nur angeboten wurde, da Frauen gezielter gefördert werden müssen oder die gesetzlich vorgeschriebene Frauenquote bedient werden musste. Letztere gibt es noch nicht einmal.“

Ariane Wyen studierte Luft- und Raumfahrttechnik und wollte eigentlich Astronautin werden. Stattdessen hat sie 2018 in Tschechien eine Tochterfirma des Bremer Raumfahrtkonzerns OHB aufgebaut und leitet diese nun als Geschäftsführerin.

Christina Große-Möller
Hamburg Aviation



„Wenn es darum geht, zum Beispiel die nächste berufliche Position mit mehr Verantwortung zu erreichen, werden Frauen meiner Erfahrung nach noch immer schnell „übersehen“. Das heißt sie müssen sich selbst und ihre Leistungen wesentlich stärker ins Blickfeld von Entscheidern bringen, als ihre männlichen Kollegen. Das deutliche Formulieren und Adressieren von eigenen Entwicklungs- und Zielvorstellungen gepaart mit einem guten, professionellen Netzwerk haben mir bisher geholfen.“

Christina Große-Möller ist eigentlich Ingenieurin für Medizintechnik, kam dann aber über das Qualitäts- und Projektmanagement zur Luftfahrt und zum Thema Drohnen: Heute ist sie Projektleiterin für Urban Air Mobility bei Hamburg Aviation.

Silke Maurer
BSH


„In den Unternehmen habe ich persönlich kaum negative Erfahrungen gemacht und dort deutlich mehr Unterstützung als Ablehnung erfahren. Meine meist männlichen Vorgesetzten haben oft sogar mein Potenzial in Bereichen gesehen, in denen ich noch gezweifelt habe. Trotzdem ist es natürlich für arbeitende Frauen in Deutschland überall schwerer, wenn sie die ‚zwei K‘ wollen: Kinder und Karriere. Doch zum Glück gab es in den letzten Jahren auch hier viele Veränderungen: Männer gehen vermehrt in Elternzeit, die Betreuungsangebote werden langsam verbessert und das traditionelle Familien­modell wird endlich etwas flexibler.“

Dr. Silke Maurer hat Maschinen­bau studiert und viele Jahre in unterschiedlichen Funktionen bei BMW gearbeitet. 2017 wechselte sie zu BSH Hausgeräte, wo sie inzwischen Chief Operating Officer (COO) und Mitglied der Geschäftsführung ist.

Elke Steinegger
COMMVAULT



„An meinem ersten Tag an der HTL, als ich als einzige Frau in eine Vorlesung marschierte, wollte mich der Professor heim an den Herd schicken. Im Nachhinein bin ich ihm fast dankbar, denn das war für mich umso mehr Ansporn, dranzubleiben und meine Frau zu stehen. Später hat auch noch manch ein Kunde erst einmal komisch reagiert, wenn ich ihm als neue Account Managerin vorgestellt wurde. So etwas hat mich aber nie entmutigt. Im Gegenteil, ich dachte: Jetzt erst recht, den Herren zeige ich es einfach.“

Elke Steinegger hat ihre technische Karriere im österreichischen Kapfenberg an einer Höheren Technischen Bundeslehranstalt (HTL) begonnen. Heute ist sie Area Vice President und General Manager von Commvault Deutschland.

„Weniger zweifeln und mutiger sein!“

Eine Karriere ist in der männerdominierten Technik-Welt ist für Frauen immer noch nicht selbstverständlich – meint Elke Steinegger. Sie hat es dennoch geschafft. Nach Etappen bei Siemens, Fujitsu und Dell ist sie heute Area Vice President und General Manager von Commvault Deutschland.

Haben es Frauen in der Tech-Branche immer noch schwerer?

Noch immer wird die Qualifikation von Frauen pauschal aufgrund des Geschlechts erstmal angezweifelt. Fragen wie „Weiß die das? Kann die das? Traut sie sich überhaupt, Entscheidungen zu treffen?“ nerven mich mittlerweile. Auch wenn wir sicherlich Fortschritte gemacht haben, haben es Frauen immer noch schwer in unserer Branche, gerade in Managementebenen und in den Vorstandsetagen. Darum glaube ich auch, dass der „Zwang“ durch eine Frauenquote notwendig ist, um hier nachhaltig und schneller voran zu kommen.

Welche Erfahrungen haben Sie persönlich gemacht?

Natürlich habe ich auch meine „speziellen“ Erfahrungen als Frau gemacht. Eine besondere werde ich wohl nie vergessen:  Zu an meinem ersten Tag an der HTL (Höhere Technische Lehranstalt), als ich als einzige Frau in eine Vorlesung marschierte, wollte mich der Professor lieber heim an den Herd schicken, also Kochen lernen. Im Nachhinein bin ich ihm fast dankbar, denn das war für mich umso mehr Ansporn, dran zu bleiben und meine Frau zu stehen. Klar haben auch einige Ansprechpartner bei den Kunden komisch reagiert, als ich als neue Account Managerin vorgestellt wurde. Das hat mich nie entmutigt, im Gegenteil, jetzt erst recht, den Herren zeige ich es einfach. Mehr Mut zu haben und mehr Selbstbewusstsein an den Tag zu legen, wäre auch meine dringende Empfehlung für Frauen, um sich in dieser Branche zu etablieren und dauerhaft zu behaupten. Darüber hinaus sollten sich Frauen auch besser verdrahten und vernetzen. Das können „wir“ definitiv von den Männern lernen und sollten wir auch.

Wie könnte man denn noch mehr Frauen für diese Branche begeistern?

Glücklicherweise helfen heute globale Programme, wie WomeninTech oder Girls who Code-Initiativen, ein breiteres Bewusstsein zu schaffen und auch die enormen Chancen und Möglichkeiten dieser Branche aufzuzeigen. Dennoch gibt es in diesem Bereich noch viel zu tun, STEM Berufe auch für Frauen attraktiver darzustellen. Für mich ist die IT-Industrie nach wie vor eine der spannendsten Industrien. Auch ist die IT aus anderen Industriezweigen nicht mehr wegzudenken, quasi inkrementell. Spannende, innovative Technologien, vernetztes Arbeiten, global denken lernen und agieren ist einfach cool, wird in der Regel auch gut bezahlt und bietet Perspektiven, Herausforderungen und Zukunft.

Wenn Sie heute Ihre Karriere noch einmal neu angehen können: Würden Sie etwas anders machen?

Nein, ich hätte grundsätzlich nichts anders gemacht, allerding hätte ich öfter um Rat oder auch Hilfe bitten sollen. Das hätte mich manchmal schneller ans Ziel gebracht. In Sachen Karriereplanung kann ich nur raten: Übernehmt selbst die Verantwortung und Planung dafür. Das hat jeder für sich selbst in der Hand. Und mein Tipp an junge Frauen lautet: Weniger zweifeln, einfach mutiger sein und es einfach mal angehen.

Dr. Anna Hilsmann
Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik



„Ich habe immer Menschen um mich gehabt, die mich unterstützt und gefördert haben und von denen ich viel lernen konnte. Es gibt aber auch immer mal wieder Situationen, in denen ich merke, dass ich als Frau anders oder weniger wahrgenommen werde als meine männlichen Kollegen und dass man sich als Frau in einer Männerwelt stets anders beweisen muss. Frauen müssen sich den männlich geprägten Strukturen anpassen, um erfolgreich zu sein. Das kann anstrengend und manchmal auch frustrierend sein.“

Dr. Anna Hilsmann hat Elektrotechnik und Informationstechnik studiert und in Informatik promoviert. Heute leitet sie die Gruppe Computer Vision und Grafik am Fraunhofer-­Institut für Nachrichtentechnik.


Prof. Dr. Deborah Coll-Mayor
Hochschule Reutlingen


„Es ist immer noch sehr schwierig für Frauen, in der deutschen Energiewirtschaft ernst genommen zu werden, insbesondere für elektrotechnische Fragestellungen. Leider müssen Frauen in der Regel bessere Kompetenzen als Männer in ähnlichen Positionen entwickeln, um befördert zu werden. Ich würde jungen Frauen raten, sich dieser Situation bewusst zu sein – um Frustrationen zu minimieren und durchzuhalten.“

Prof. Dr. Debora Coll-­Mayor hat in Elektrotechnik promoviert und beschäftigt sich mit der Integration erneuerbarer Energien. Sie ist Professorin für dezentrale Energiesysteme sowie Digitalisierungsbeauftragte an der Hochschule Reutlingen.

Anna Homs
Volkswagen



„Meine Erfahrungen bei SEAT und Volkswagen waren immer sehr positiv. Man hat mir stets Möglichkeiten geboten, zu wachsen und zu lernen. Mein Rat an junge Frauen: Kämpft für eure Träume. Wir setzen uns selbst Grenzen. Wir alle haben unsere Talente, auch wenn wir sie vielleicht noch nicht entdeckt haben. Mit Anstrengung und Ausdauer kann man alles erreichen.“

Anna Homs hat Wirtschaftsingenieurwesen in Katalonien studiert. Über ihre Bachelorarbeit kam sie zu SEAT. Seit 2018 arbeitet sie in der Forschungsabteilung im Wolfsburger VW-Werk zum Thema „Digitale Assistenten“, inzwischen als Innovations-Projektleiterin.

Dr. Katharina Helten
Die Hoffotografen



„Natürlich gibt es Situationen, die deutlich machen, dass ich nicht der vermeintlichen Norm entspreche – wenn ich beispielsweise die einzige weibliche Führungskraft in einem Meeting bin. Wir müssen als Management immer wieder deutlich machen, wie wichtig eine diverse Teambesetzung für Organisationen ist. Und hier meine ich nicht nur Gender Diversity, sondern eine Arbeitskultur der Inklusion, die Vielfalt in all ihren Facetten stärkt. Davon profitieren am Ende alle!“

Dr. Katharina Helten ist Maschinenbau-Ingenieurin und hat im Bereich Produktentwicklung promoviert. Heute ist sie Leiterin der Vorentwicklung mechanischer Module für elektrifizierte Antriebe bei ­Vitesco Technologies, der Antriebssparte von Continental.

Julia Römer (1)
COOLAR



„Mir ist es schon häufiger passiert, dass man mich automatisch für die Marketing-Frau von Coolar gehalten hat und meinen männlichen Mitgründer für den Ingenieur und Erfinder unseres Produkts. Dabei ist es genau andershe­rum. Das ärgert mich, bietet aber auch die Chance für einen ‚Aha-Moment‘ und damit einen Gesprächseinstieg.“

Julia Römer hat in ihrer Masterarbeit die technische Machbarkeit eines Kühlschrankes untersucht, der Wärme in Kälte umwandelt und deshalb keinen Strom braucht. Nach ihrem Studium gründete sie mit Coolar ein Start-up, das genau so einen Kühlschrank entwickelt hat.

Dr. Sabine Lutz
Mercedes Benz AG



„Es darf keine Entscheidung zwischen Familie oder Karriere sein. Durch gute Betreuungsangebote und faire Bezahlung muss eine Balance aus beidem möglich sein. Als Mutter zweier Kinder und Führungskraft von über 1400 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen kann ich sagen, dass es mit dem richtigen Einsatz, guter Organisa­tion und einem familienfreundlichen Unternehmen immer einen Weg gibt.“

Dr. Sabine Lutz hat als Wirtschaftsingenieurin in der Fertigungstechnik promoviert. Heute leitet sie als Vice President Group Research, Sustainability and RD Func­tions die Konzernforschung der ­Mercedes-Benz AG.


Dr. Daniela Lindner
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt


„Heutzutage hat man es als Frau sicher einfacher als früher: Dennoch müssen sich Frauen oft mehr durchbeißen und beweisen als ihre männlichen Kollegen. Spätestens wenn Frauen Familie haben, müssen sie mehr Dauerleistung erbringen, um Beruf und Familie zu koordinieren. Ihre Fähigkeiten werden gerne unterschätzt, selbst wenn es unbeabsichtigt ist. Und dann gibt es natürlich auch noch einzelne Menschen, die Vorurteile gegenüber Frauen haben. In der Regel wird man aber einfach als Mensch geschätzt, so wie es sein sollte und erhält als Frau von vielen Kollegen, Vorgesetzten oder Mentoren sogar eher Zuspruch und Ermutigung. Zumindest war das in meiner Laufbahn so.“

Dr. Daniela Lindner hat Luft- und Raumfahrttechnik studiert und in Plasmatechnik promoviert. Seit letztem Jahr leite sie am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt  die neue Abteilung „Angewandte Wasserstofftechnologien“.

Dr. Gabriele Bleser
Technische Universität Kaiserslautern



„Meine eigenen Erfahrungen sind bisher nur positiv. Ich erlebe es so, dass Frauen im MINT- Bereich in allen Karrierestufen sehr gefördert werden. Die aktuelle Zeit empfinde ich als eine große Chance für Frauen, die „sich trauen“. Das ist der erste und vielleicht manchmal sogar der schwierigste Schritt. Damit haben Männer oftmals weniger Probleme.“

Dr. Gabriele Bleser hat Computervisualistik studiert. Heute leitet sie an der Technischen Universität Kaiserslautern die Nachwuchsgruppe wearHEALTH am Fachbereich Informatik und ist zudem Geschäftsführerin des Start-Ups Ski-Track.

Sophia Hatzelmann
ahc



„Ich habe immer wieder erlebt, dass sich im fachlichen Projektumfeld Leistung und Engagement durchsetzt, völlig unabhängig vom Geschlecht. Nachteile gab es nur, wenn es um Machtansprüche in Unternehmen ging – da waren oft einfach keine Frauennetzwerke vorhanden und die Vorstellung, dass eine Frau das auch könnte, lag fern.“

Sophia Hatzelmann hat (unter anderem) Elektrotechnik studiert. Heute ist sie Geschäftsführerin von ahc, einem Beratungsunternehmen für technische Groß- und Digitalisierungsprojekte.

02/2021: Industrie 4.0: Auf dem Weg in die vernetzte Produktion

Cover dialog 02/2021
VDE
08.04.2021 Publikation

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