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23.03.2021 E-FUELS Publikation

Saubere Hoffnungsträger

Klimaneutrale Verbrennermotoren? Was fast märchenhaft sauber klingt, könnten E-Fuels einlösen. Entscheidend für die CO2-Neutralität ist deren Herstellung mit Strom aus regenerativen Quellen. Einige Regionen der Welt bieten hierfür bedeutend bessere Bedingungen als Deutschland.

VON RICHARD BACKHAUS

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In Deutschland gewinnt die Elektromobilität weiter an Fahrt: Nach Informationen des Center of Automotive Management (CAM) mit Sitz in Bergisch Gladbach erreichten reine Elektrofahrzeuge im Jahr 2020 in Deutschland einen Neuzulassungsanteil von 6,7 Prozent. Insgesamt wurden demnach 194.000 E-Pkw neu zugelassen, was im Vorjahresvergleich einem Plus von 207 Prozent entspricht. Andere alternative Techniken zur Reduzierung der verkehrsbedingten CO2-Emissionen fristeten demgegenüber in den vergangenen Jahren ein Schattendasein. Mit der im Sommer 2020 von der Bundesregierung beschlossenen Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) könnte sich das in den nächsten Jahren ändern. Der Ansatz sieht vor, neben der Erzeugung von Wasserstoff aus regenerativem Strom die Entwicklung synthetischer Kraftstoffe auf Wasserstoffbasis zu fördern. „Wasserstoff ist ein Schlüsselelement für die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende in allen Sektoren. Daher haben wir uns mit der Nationalen Wasserstoffstrategie das Ziel gesetzt, die klima-, energie- und wirtschaftspolitischen Chancen von Wasserstoff zu ergreifen“, so Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier.

Damit schwenkt die Bundesregierung auf eine Linie ein, die der Verband der Automobilindustrie (VDA) schon seit vielen Jahren verfolgt. Seiner Ansicht nach können die ambitionierten Klimaschutzziele des Pariser Abkommens nur erreicht werden, wenn zusätzlich zur Elektromobilität mit grünem Strom auch nachhaltige Kraftstoffe im Verkehrssektor zum Einsatz kommen. Anders als reiner Wasserstoff bieten diese sogenannten E-Fuels die Möglichkeit, regenerativ erzeugte Energie in den Tank konventionell angetriebener Autos zu packen. „E-Fuels und Wasserstoff sollten deswegen ergänzend zur Elektromobilität vorangetrieben werden. Der VDA setzt sich für eine ambitionierte Verdrängung des fossilen Kraftstoffs durch regenerative Alternativen ein“, sagt VDA-Präsidentin Hildegard Müller.

Zielsetzung ist nur global betrachtet umsetzbar

Theoretisch könnten mit E-Fuels alle Pkw auf der Straße – in Deutschland rund 48 Millionen, weltweit mehr als 1,2 Milliarden – auf einen Schlag CO2-neutral werden. Praktisch allerdings schiebt der hohe Energiebedarf für die Erzeugung alternativer Kraftstoffe deren Nutzung im größeren Maßstab derzeit einen Riegel vor. „Über die Gesamtkette betrachtet, bietet die batterieelektrische Mobilität gegenüber E-Fuel-Anwendungen deutliche Wirkungsgradvorteile. Um die gleiche Wegstrecke zurückzulegen, muss man bei E-Fuels rund achtmal mehr Strom aufbringen als bei einem E-Auto mit Batterie. Aufgrund der hohen Energiekosten und der vergleichsweise geringen Verfügbarkeit erneuerbarer Energien ist eine Umwandlung von in Deutschland erzeugtem grünen Strom in E-Fuels nicht zielführend“, so Dr. Ralf Petri, Leiter des Geschäftsbereichs Mobility beim VDE.

Viele Experten gehen davon aus, dass die Rechnung bei der regenerativen Herstellung von Wasserstoff und E-Fuels nur in einer globalen Betrachtung aufgehen kann. Denn auf der Welt ist die Energie von Sonne und Wind sehr ungleich verteilt. In China, Europa und den USA ist der Energieeintrag eher gering. Bevorzugte Regionen zur Erzeugung von Sonnenenergie befinden sich in der Nähe des Äquators, während Patagonien im Süden Amerikas die höchste Nutzungseffizienz für Windkrafträder bietet. So geht man in Deutschland von 66 Volllasttagen – das Maß der Nutzungseffizienz erneuerbarer Energieerzeugungsanlagen – bei Wind- und Solaranlagen aus, die Windkraftanlagen im Süden Amerikas kommen auf 270 Volllasttage im Jahr und damit auf eine jährliche Nutzungseffizienz von 74 Prozent. Sie liegt damit verglichen mit Deutschland rund viermal so hoch. Demgegenüber besteht in Regionen mit einem hohen Energieertrag oft ein sehr geringer Energiebedarf; es gibt dort nur wenige Fahrzeuge und kaum Industrie. An dieser Stelle bieten E-Fuels einen interessanten Ansatzpunkt, da die nachhaltig erzeugte Energie in flüssiger Form über weite Strecken transportiert werden kann, per Schiff auch bis nach Europa. CO2-Neutralität wird dabei erreicht, indem auch die Schiffe E-Fuels tanken. „Erneuerbare Energie wird nicht mehr nur dort produziert, wo sie gebraucht wird, sondern wo natürliche Ressourcen wie Wind und Sonne in großen Mengen vorhanden sind. Es werden also weltweit neue Lieferketten entstehen, um regenerative Energie von einer Region in die andere zu transportieren“, erklärt Christian Bruch, CEO von Siemens Energy. 

Während es wirtschaftlicher ist, die energieintensiven E-Fuels zu importieren, lässt sich der rare und damit teure grüne Strom aus Deutschland für Prozesse nutzen, bei denen keine großen Umwandlungsverluste entstehen, etwa zum direkten Laden der Batterie von E-Autos. Die NWS erhebt daher gar nicht den Anspruch einer ausschließlich nationalen Energie­erzeugung. Das Ziel der Bundesregierung ist vielmehr, die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen zu stärken. Das soll durch das Forcieren von Forschung, Entwicklung und Technologieexporten gelingen, um gleichzeitig die zukünftige Versorgung mit CO2-neutralem Wasserstoff und E-Fuels zu sichern. „Neben einem starken Heimatmarkt setzen wir beim Markthochlauf von Wasserstoff auch auf Pilotvorhaben unserer Industrie in Partnerländern. Hier können grüner Wasserstoff und seine Folgeprodukte effizient und kostengünstig erzeugt werden“, sagt Altmaier.

E-Fuel-Pilotprojekt in Chile mit deutscher Förderung

Das erste im Rahmen der NWS mit einem Volumen von acht Millionen Euro geförderte Projekt ist der Aufbau einer Pilotfertigung von E-Fuels, die Siemens Energy gemeinsam mit Porsche, den Energiekonzernen AME und Enel sowie dem Mineralölhersteller ENAP in Chile realisiert. „Mit dem Projekt zeigen wir, dass grüner Wasserstoff und dessen Folgeprodukte mit modernsten Technologien ‚Made in Germany‘ nachhaltig produziert werden können“, so Altmaier. Aus der Pilotfertigung soll nach Informationen des Stuttgarter Sportwagenherstellers die erste integrierte und kommerzielle Großanlage zur Herstellung klimaneutraler E-Fuels hervorgehen. Dabei baut das Konsortium auf die hervorragenden Windbedingungen, die in der Provinz Magallanes im Süden Chiles herrschen und die für stabile Erträge der Anlage sorgen sollen. Bereits 2022 rechnen die Betreiber mit der Erzeugung von rund 130.000 Litern Kraftstoff. In zwei Schritten ist dann die Steigerun g der Kapazität bis 2024 auf rund 55 Millionen und bis 2026 auf rund 550 Millionen Liter pro Jahr geplant. Parallel zum Fertigungshochlauf sinken die Preise: Noch kosten E-Fuels etwa doppelt so viel wie eine vergleichbare Energiemenge fossiler Kraftstoff, mittelfristig sind 1,50 Euro pro Liter E-Fuel denkbar, langfristig sogar nur noch rund ein Euro.

Siemens Energy fungiert als System­integrator der Anlage und deckt dabei die komplette Kette der E-Fuel-Produktion ab – von der Strom­erzeugung mit Windturbinen über die Wasserstoffherstellung bis zur Umwandlung in synthetischen Kraftstoff. Als Hauptabnehmer des Kraftstoffs plant Porsche in einer ersten Phase die Nutzung der E-Fuels aus Chile im Motorsport und bei Fahrveranstaltungen für Kunden, später dann zudem bei Seriensportwagen. Bei Porsche bedeutet das Engagement in alternative Kraftstoffe keine Abkehr von der generellen Elek­trifizierungsstrategie. „Elektromobilität hat für uns höchste Priorität. E-Fuels sind dazu eine sinnvolle Ergänzung – wenn sie an Orten auf der Welt produziert werden, wo nachhaltige Energie im Überschuss vorhanden ist“, so Oliver Blume, CEO von Porsche.

Schon 1875 beschrieb der Science-Fiction-Autor Jules Verne in seinem Roman „Die geheimnisvolle Insel“ die Nutzung von Wasserstoff als „Kohle der Zukunft“. Die Chancen stehen gut, dass seine Zukunftsvision 150 Jahre später Realität wird – zumindest teilweise und im Automobilbereich über den Umweg der flüssigen E-Fuels. Auch wenn Verne seinerzeit noch nicht an die Erderwärmung und den Klimawandel gedacht hat – die Möglichkeit der Dekarbonisierung der Energieketten hat er damals schon vorweggenommen.

RICHARD BACKHAUS beschäftigt sich als Journalist und PR-Experte mit Themen rund um die Automobiltechnik.

Mehr über das Wasserstoff-Pilotprojekt in Chile finden Sie hier:

http://https://bit.ly/3kAXpeK

Die Wasserstoff-Initiative des BMWi finden Sie hier:

http://https://bit.ly/3b83yfy

Lesen Sie den „VDE Faktencheck Wasserstoff in der Mobilität“ unter:

http://www.vde.com/faktencheck-­wasserstoff-mobilitaet

Vom Labor in den Tank

Vom Labor in den Tank

Vom Labor in den Tank

E-Fuels werden mittels elektrischer Energie, Wasser und Kohlendioxid erzeugt. Zu ihrer Herstellung wird Wasser per Elektrolyse in Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt. In einem zweiten Verfahrensschritt wird der gasförmige Wasserstoff zusammen mit Kohlendioxid zum flüssigen E-Fuel umgewandelt. Durch die Nutzung von elektrischer Energie bei der Herstellung spricht man von einem „Power-to-Liquid“-­Verfahren: Aus Strom wird eine synthetische Flüssigkeit, die technisch speicher- und lagerfähig ist und sich bequem transportieren lässt. Da die E-Fuels bei ihrer Verbrennung nur so viel Kohlendioxid freisetzen, wie bei deren Produktion eingelagert wurde, sind sie über die Gesamtkette betrachtet vollkommen CO2-neutral und unterscheiden sich in diesem Punkt nicht vom grünen Strom der Elektrofahrzeuge.

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