bi-181011-osram
DEUTSCHE TELEKOM
19.03.2021 CAMPUSNETZWERKE Publikation

Alles im Flow

5G ist eine Schlüsseltechnologie für die smarte Fabrik. Vor allem mobile Roboter profitieren davon. Sie lassen sich damit einfacher sowie kostengünstiger einsetzen. Für Automatisierungsanwendungen besonders sinnvoll sind exklusive werkinterne 5G-Frequenzspektren, sogenannte Campusnetzwerke.

VON MARKUS STREHLITZ

Kontakt
VDE dialog - Das Technologie-Magazin
E-Paper VDE dialog

„Die 5G-Technologie bietet viele Chancen im Bereich Industrie 4.0 und der vollvernetzten Fabrik“, sagt Henning Löser, Leiter des Audi Production Lab. Eine leistungsfähige Funk-Netzwerkinfrastruktur, die in Echtzeit reagieren kann, sei für die agile und flexible Produktion der Zukunft von entscheidender Bedeutung. „Mit der hohen Datenrate, geringen Latenzzeiten und zuverlässiger Konnektivität ist 5G vorteilhaft für einen Einsatz in der Smart Factory“, so Löser. Er weiß, wovon er spricht. Im Audi Production Lab werden die 5G-Pilotprojekte getestet, die Audi gemeinsam mit Ericsson in der eigenen Produktion umsetzt. Damit gehört Audi neben anderen Autobauern zu den Vorreitern, wenn es um die Nutzung von 5G in der Fabrik geht. Und weitere deutsche Industrieunternehmen ziehen nach. Momentan setzen zwar erst 13 Prozent der Firmen hierzulande 5G in Projekten ein, 46 Prozent haben aber entsprechende Pläne. Das ist das Ergebnis einer Umfrage, die das Marktforschungshaus IDC unter 250 industriellen oder ­industrienahen Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern durchgeführt hat.

Der Ansatz zur Umsetzung entsprechender Anwendungen ist meist ein Campusnetzwerk. Insgesamt 66 Prozent derjenigen Firmen, die 5G einsetzen oder dies planen, wollen laut IDC-Studie ein solches privates 5G-Netz aufbauen. Auch für Audi ist dies der bevorzugte Weg. „Für einen erfolgreichen Einsatz kabelloser Kommunikation der Industriegeräte ist ein exklusives Frequenzspektrum – also ein werkinternes 5G-Campusnetz – eine wichtige Voraussetzung“, sagt Löser. Seit Frühjahr 2020 hat Audi im Batterie­technikum in Gaimersheim – in unmittelbarer Nähe zum Stammwerk in Ingolstadt – eine solche Industriefrequenz im Einsatz. Man sei damit einen wichtigen Schritt näher an der Einsatzbereitschaft von 5G in echten Automatisierungs-Anwendungen, so Löser.

Vor allem fahrerlose Transportsysteme und mobile Roboter profitieren von 5G

Die vielversprechendsten Anwendungen lassen sich bei fahrerlosen Transportsystemen (AGV) beziehungsweise mobilen Robotern finden. Diese befördern Mate­rial autonom durch die Fabrikhallen und benötigen dabei ein Funknetz, in dem sie ohne Verzögerungen navigieren können. Kommt dabei WLAN-Technik zum Einsatz, besteht die Gefahr, dass beim Wechsel von einer Funkzelle in die nächste die Verbindung abbricht und die Geräte stehen bleiben. Gemeinsam mit der Telekom hat das Photonik-Unternehmen Osram ein Campusnetz für sein Werk in Schwabmünchen eingerichtet. Ziel ist es, mithilfe von 4G- und sukzessive auch 5G-Mobilfunkttechnik eine smarte Fabrik aufzubauen. Eine wichtige Rolle in dieser Fabrik spielt die mobile Robotik.

Welche Möglichkeiten speziell 5G dabei eröffnet, kann Prof. Dr. Jens Lambrecht erklären. Er ist Geschäftsführer von Gestalt Robotics – einem Start-up, das Automatisierungslösungen entwickelt und in das Osram-Projekt involviert war. Laut Lambrecht lässt sich dank des Mobilfunkstandards die Software auslagern, die mobile Roboter oder AGVs steuert. Diese ist dann nicht mehr auf den Geräten selbst installiert, sondern auf einem Edge-Computing-System – also auf einer Hardware, die sich direkt in der Produktionsumgebung befindet. Das bietet eine Reihe von Vorteilen. Wenn kaum noch Berechnungen auf dem Fahrzeug selbst durchgeführt werden, weil dieses über die Edge gesteuert wird, reicht laut Lambrecht die Leistungsfähigkeit eines Raspberry Pi an Bord aus. Das hat einen positiven Effekt auf die Betriebsdauer der Roboter – sprich auf die Zeit, bis diese wieder geladen werden müssen. „Mit unserem Ansatz lässt sich die Betriebsdauer um bis zu 20 Prozent verlängern“, so Lambrecht.

Generell ist man flexibler beim Einsatz der mobilen Roboter. Software lasse sich an der Edge einfacher austauschen und die Inbetriebnahme und Konfiguration der Roboter nehme weniger Zeit in Anspruch. Unternehmen können dank dieses Konzepts auch einfacher mit gemischten Flotten arbeiten. AGVs verschiedener Hersteller lassen sich dann zentral steuern. Und die Flotten können auch einfacher erweitert werden. „Man macht auf der Edge einfach eine weitere Instanz auf, der neue Roboter verbindet sich mit dieser und er kann sofort genutzt werden. Das funktioniert nahtlos“, sagt Lambrecht. Software vom Roboter auf ein zentrales System auszulagern, spart laut Lambrecht auch Geld. Denn dann muss kein kompletter Industrie-PC auf dem Roboter installiert werden. „Das ist ein signifikanter Kostenfaktor“, so der Experte. Komplett alles lässt sich jedoch nicht auslagern. Lambrecht hebt hervor, dass Funktionen zur Personensicherheit auf dem mobilen Roboter verbleiben. Gemeint sind damit Funktionen, die gewährleisten, dass der Roboter stoppt, bevor es zur Kollision mit einem Menschen kommen kann.

Geringe Latenz in der Kommunikation von Robotern und Steuerungssystemen

dl-infografik-5g-campus-netze

In sich geschlossene Campusnetze ermöglichen automatisierte und effiziente Produktionsabläufe. Vor allem für den Einsatz im industriellen Umfeld bietet die 5G-Technologie dafür viele der erforderlichen Eigenschaften wie extrem hohe Bandbreite, kurze Latenzen und eine verbesserte Verfügbarkeit.

| DEUTSCHE TELEKOM

Was darüber hinaus noch möglich ist, wird klar, wenn Lambrecht von weiteren 5G-Pilotprojekten berichtet, in denen sein Unternehmen mitarbeitet. Dabei werden Roboter zusätzlich mit 3D-Kameras ausgestattet. Die Bilddaten werden an die Edge geschickt und dann mit Künstlicher Intelligenz ausgewertet. Der Roboter ist damit in der Lage, nicht nur ein Hindernis zu identifizieren, sondern auch zu erkennen, ob es sich dabei zum Beispiel um einen Werker oder eine Palette handelt. „Der Roboter kann dann sein Verhalten anpassen und beispielsweise um den Menschen mit einem Mindestabstand herumfahren“, erklärt Lambrecht. 5G sorgt in solchen Szenarien dafür, dass der Austausch der Daten zwischen Roboter und Steuerungssystem mit einer so geringen Latenz stattfindet, dass der Roboter rechtzeitig reagieren kann. In diesen Fällen sei außerdem auch die von 5G zur Verfügung gestellte Bandbreite wichtig, so Lambrecht. Denn üblicherweise werden Laserscanner zur Navigation genutzt, die maximal eine Bandbreite von 100 Kilobit pro Sekunde benötigen. Bei Kamerabildern bewege man sich dagegen im Megabit-Bereich.

Mit 5G lassen sich die Möglichkeiten in der mobilen Robotik zudem noch erweitern. So berichtet Lambrecht zum Beispiel von einem Projekt, in dem mobile und mit Kameras ausgerüstete Roboter für sogenannte Lost-and-found-Anwendungen eingesetzt werden. Wenn ein bestimmtes Objekt in den Werkshallen vermisst wird, geht über das ERP-System ein Befehl an den Roboter raus. Dieser macht sich dann auf die Suche und ist per Bildverarbeitung und KI in der Lage, das Objekt ausfindig zu machen. Ist er erfolgreich, schickt er eine entsprechende Meldung an das System.

Auf eine ähnliche Weise lässt sich ein Roboter auch zur Inventarisierung nutzen. „Ein Roboter kann zum Beispiel in ein Lager fahren und dort prüfen, wie viele Objekte eines bestimmten Typus vorhanden sind“, sagt Lambrecht. Wird eine bestimmte Zahl unterschritten, wird automatisch ein Workflow ausgelöst, um den Bestand aufzufüllen.

Erst wenn diverse Anwendungen möglich sind, wird sich das Investment lohnen

So spannend diese Anwendungen klingen, nicht jedes Unternehmen wird deswegen sofort begeistert auf den 5G-Zug aufspringen. Vor allem für Mittelständler rechneten sich die Investitionen in das Campusnetz und die entsprechende Edge-Computing-Infrastruktur kaum. „Ein kleiner Use Case reicht nicht aus, um einen Return on Investment darzustellen“, so der Geschäftsführer. „Damit sich das Ganze lohnt, muss sich die Anwendung skalieren lassen oder es müssen mehrere verschiedene Anwendungen möglich sein.“ Eine Frage sei auch, wie in Zukunft die Technik für 5G in der Fabrik angeboten wird. Es gibt viele unterschiedliche Anbieter, die involviert sind. Denn noch hat jeder Anwender in einem Projekt mit einem Netzwerkausrüster zu tun, mit dem Anbieter der Edge-Computing-Hardware, mit dem Software-Hersteller und vielleicht noch mit einem Integrator.

Audi-Mann Löser berichtet zudem auch von technischen Herausforderungen beim Einsatz von 5G in der Fabrik. Für die Vernetzung von Anlagen und Maschinen sei für Audi vor allem die Erweiterung des 5G-Standards für ultrakurze Latenzen (URLLC) von Interesse. „Die heute verfügbaren Modem-Chips, wie man sie auch aus den Smartphones kennt, beherrschen diesen Standard noch nicht, sodass wir hier noch mit Prototypen arbeiten, um den 5G-Standard weiterzuentwickeln. Sobald das alles stabil funktioniert, können wir 5G für diese Anwendungsfälle wirtschaftlich sinnvoll einsetzen.“

MARKUS STREHLITZ ist freier Journalist und Redakteur beim VDE dialog.

Lesen Sie den „VDE Faktencheck zu 5G“ unter:

http://www.vde.com/faktencheck-5g

Interessiert an Industrie 4.0, Smart Factory, Industrial Internet of Things?

Industrieroboter in Fertigungshalle
Siegblatt / adobe
19.04.2023 TOP

Der VDE wirkt an der Nahtstelle zwischen Technologien, IT und Anwendung. Er führt bei Themen wie zuverlässige drahtlose Kommunikation, Robotik und autonome Systeme sowie IT-Sicherheit vernetzter System führende Experten und Anwender zusammen und verbreitert deren Wissensbasis. VDE|DKE engagiert sich aktiv in der Plattform Industrie 4.0. Mit der Deutschen Normungs-Roadmap hat sie einen wichtige Grundlage gelegt und das „Standardization Council Industrie 4.0“ gegründet.

Weitere Inhalte zum Thema Industrie 4.0 finden Sie auf unserer Themenseite Industry.

Zur Themenseite Industry