Ihre Firma ConstellR entwickelt Satelliten mit Spezialkameras, die erkennen, ob es Pflanzen an Wasser mangelt. Worum geht es dabei genau?
Max Gulde: Letztlich geht es darum, zu verhindern, dass Nahrungspflanzen auf den großen landwirtschaftlichen Flächen weltweit unter Hitzestress geraten. Denn dann stecken Pflanzen weniger Energie in die Produktion der Früchte. Die Ernte fällt geringer aus. Es gibt bereits seit den 1970er-Jahren Satelliten, die erkennen, wann Pflanzen welken. Messbar ist das an einer Veränderung der Grüntöne, weil beim Welken der grüne Pflanzenfarbstoff Chlorophyll abgebaut wird. Doch dann ist es schon zu spät. Unser Verfahren hingegen bemerkt Hitzestress bereits nach wenigen Stunden. Ist es trocken, verdunsten Pflanzen weniger Wasser. Dadurch steigt die Temperatur an den Blättern der Pflanzen langsam an. Unsere Satellitentechnik ist in der Lage, Temperaturveränderungen von wenigen Zehntel Grad Celsius wahrzunehmen. Landwirte können dann die trockenen Bereiche der Äcker bewässern. Das hilft nicht nur den Pflanzen, sondern spart auch Wasser, weil man gezielter bewässern kann.
Sie haben ConstellR vor rund zwei Jahren gegründet. Wo stehen Sie jetzt?
Gulde: Das erste Kamerasystem ist bereits im All. Es befindet sich an Bord der Internationalen Raumstation ISS. In den kommenden drei Jahren werden wir fünf Satelliten fertigstellen, die mit unserem Kamerasystem ausgerüstet sind. Sie sind in etwa so groß wie eine Tiefkühltruhe und rund 80 Kilo schwer. Wir werden sie vermutlich mit Space-X-Raketen transportieren. Inzwischen arbeiten wir mit einigen der zehn größten Agrarunternehmen weltweit und auch mit kleineren Firmen zusammen, die großes Interesse an den Satellitendaten haben.
War all das abzusehen, als Sie sich vor wenigen Jahren entschieden, eine Firma zu gründen?
Gulde: Zunächst waren mein Mitgründer Marius Bierdel und ich ganz unbedarft an die Sache herangegangen. Wir arbeiteten damals am Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik, dem Ernst-Mach-Institut EMI in Freiburg, in der Abteilung Systemlösungen. Irgendwann sagten uns Kollegen von der Europäischen Raumfahrtagentur ESA, dass unsere Technologie ein echter Durchbruch sei. Das Problem der Temperaturmessung von kleinen Satelliten aus hatte vor uns niemand so präzise lösen können. Doch der Anfang war schwierig. Wir haben mehr als zehn Anträge für öffentliche Fördermittel gestellt, die zunächst alle abgelehnt wurden – vom Bundesforschungsministerium oder auch vom Horizon-Förderprogramm der Europäischen Union. Erst später haben wir verstanden: Eine Satellitenmission ist so teuer und der Erfolg so ungewiss, dass unsere Arbeit zunächst ein Hochrisikoprojekt war. Dieses Profil passte einfach nicht zu den üblichen Projekt-Förderprogrammen.