Damit die dezentralen Einheiten das Netz wirklich stabilisieren können, müssten all die Wallboxen, Wärmepumpen und smarten Steuersysteme zusammenarbeiten wie ein Bienenschwarm, statt wie bisher vor allem den Eigenverbrauch zu optimieren und das Netz als Puffer zu nutzen.
Grundlage könnte ein Ampelphasen-Konzept wie das von VDE FNN sein. Dieses unterscheidet die präventive Verwendung von Flexibilitäten in der gelben Phase (Lang- und Mittelfristprognose) und kurative Notfallmaßnahmen in der roten Phase (Kurzfristprognose).
Wie so ein Ansatz praktisch gehen kann, hat der Feldtest des Projektes flexQgrid im Schwarzwalddorf Freiamt gerade gezeigt. Beteiligt waren daran unter anderem das Karlsruher Forschungszentrum Informatik (FZI) und der Verteilnetzbetreiber Netze BW. Die 40 teilnehmenden Haushalte steuerten ihre PV-Anlagen, Wärmepumpen und Wallboxen im Zusammenspiel mit einer „Netzampel“. Gab diese grünes Licht, durften die Prosumer schalten und walten, wie sie wollten. Bei mittäglichen Einspeisespitzen oder zum Feierabend, wenn typischerweise viele Leute ihr Elektroauto laden, sprang die Ampel auf Gelb. Dann gab eine Quote vor, wie viel Strom höchstens aus dem Netz bezogen oder eingespeist werden durfte. Gab es hingegen eine plötzliche Abweichung oder fiel eine Netzkomponente aus, schaltete die Ampel auf Rot. In diesem Fall griff eine automatisierte Netzsteuerung ein und drosselte Erzeuger oder Verbraucher nach Bedarf.
Aus persönlichen Vorlieben beim Energiemanagement werden Störfälle
Doch gerade dieses schwarmartige Verhalten kann auch zur Gefahr werden. Die Wissenschaftsakademien acatech, Leopoldina und Akademienunion haben diese Möglichkeit im Rahmen ihres gemeinsamen Projektes „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) untersucht. Indem Verbraucher und Erzeuger ihr Energiemanagement je nach Markt- und Wetterlage und persönlichen Vorlieben variieren, können sich Muster bilden, die zu „neuartigen komplexen Störfallabläufen“ führen. Vorhersehbar seien diese kaum, zu stoppen nur durch schnelle und automatisierte Softwareupdates.
Dass Hacker versuchen werden, solche Störfälle zu provozieren, ist absehbar. Neue Großverbraucher wie Wallboxen und Wärmepumpen sind dabei aber nur eins der möglichen Ziele. Denn während das intelligente Messsystem, oft als Smart Meter bezeichnet, mit dem diese gesteuert werden sollen, mittlerweile einem Festungseingang gleicht, öffnen sich in den Haushalten ständig neue Hintertüren. Dabei muss man nicht darauf warten, dass sich Millionen von Kühlschränken und Waschmaschinen über die Fritzbox ins Internet der Dinge einwählen. Das österreichische Forschungszentrum für IT-Sicherheit SBA Research zeigte schon 2017, dass ein Botnetz-Angriff die Rechenleistung einer großen Zahl von Computern so stark manipulieren könnte, dass das Netz aus dem Takt gebracht würde.