Häufig ist Wasserstoff die ökonomisch und ökologisch sinnvollste Lösung
Dem im Weg stehen allerdings noch technische Hindernisse. Die automatisierte Fertigung von Elektrolyseuren etwa ist laut Wasserstoff-Expertin Appel „noch nicht gewährleistet“. Die bisherigen Verfahren sind aufwendig und für eine Produktion im großen Stil zu teuer. Noch. Denn an diesem Problem arbeitet zum Beispiel ein Zusammenschluss mehrerer Fraunhofer-Institute. Sie haben damit begonnen, eine Referenzfabrik aufzubauen. Dort sollen in den kommenden Jahren neue Verfahren für die Produktion von Elektrolyseuren entwickelt und geprüft werden. Ziel ist es, auf diese Weise die Großserienfertigung rentabel zu machen. Die Herstellungskosten für Wasserelektrolyseure im Gigawatt-Bereich sollen um mehr als 25 Prozent sinken. Die besten Verfahren werden parallel virtuell nachgebaut und in einen Technologiebaukasten überführt. Mit diesem haben Industrieunternehmen dann die Möglichkeit, vor der Planung einer Fertigung zu prüfen, mit welchen Kosten sie für bestimmte Elektrolyseur-Typen rechnen müssen.
Generell sei es wichtig, jetzt möglichst schnell und zielgerichtet die Zahl an Elektrolyse-Projekten zu erhöhen, meint Appel. „Wir brauchen mehr und größere Projekte, um praktische Erfahrungen im Zusammenspiel mit anderen Systemen zu sammeln.“ Denn es gebe noch viele Punkte, die geklärt werden müssten. Dabei gehe es zum Beispiel um Fragen wie: „Wie geht der Elektrolyseur mit flexibler Fahrweise um?“ oder: „Welchen Einfluss hat dieser auf die lokale Wasserentnahme?“.
Hinzu kommen weitere technologische Herausforderungen wie etwa der Transport des Wasserstoffs. Welcher Teil der bestehenden Gasnetzinfrastruktur dafür genutzt und entsprechend umgebaut werden kann, ist noch nicht klar. Eine Lösungsidee: Mit der Umwandlung des Wasserstoffes in Methan ließe sich diese Hürde leichter überwinden. Allerdings benötigt ein weiterer Wandlungsschritt mehr Energie – was sich negativ auf die Energieeffizienz auswirkt.
Fest steht, dass der Bedarf an Wasserstoff wächst. Prof. Dr. Martin Wietschel vom Fraunhofer ISI geht davon aus, dass sogenannte No-Regret-Anwendungen ein sehr wichtiger Treiber für die Wasserstoffnachfrage sind. Damit gemeint sind Anwendungen, für die es keine ökonomisch und ökologisch sinnvollen Alternativen zum Wasserstoff gibt. In einer Studie hat Wietschel die Wasserstoffnachfrage in Bereichen wie Industrie, Verkehr und Energieumwandlung untersucht. Die Prognose: Wie die Nachfrage dürften sich die Preise für Wasserstoff in Zukunft auf einem relativ hohen Niveau bewegen. „Dies gilt insbesondere für die stoffliche und energetische Nutzung in bestimmten Industrieanwendungen wie dem Stahl- oder dem Grundstoffchemie-Sektor“, so Wietschel. „Die Berechnungen in der Studie zeigen, dass die Nachfrage hier im Jahr 2045 circa 250 Terawattstunden beträgt, was etwa 10 Prozent des heutigen Endenergiebedarfes Deutschlands entspricht.“
Aufgrund der zeitlich begrenzten Verfügbarkeit liegt es nahe, dass immer wieder darüber diskutiert wird, die Wasserstoffnutzung anhand des Emissionsreduktionshebels zu priorisieren – also Wasserstoff bei bestimmten Anwendungen vorrangig einzusetzen. VDE Wasserstoff-Expertin Appel hat Bedenken: Dabei bestehe die Gefahr, den Hochlauf des Wasserstoffmarktes zu hemmen. Wenn es nicht allen potenziellen Anwendern erlaubt wäre, Wasserstoff zu konsumieren, könnte sich dies negativ auf die Investitionsbereitschaft in die Technologie auswirken, fürchtet sie.
Wärmepumpen sind beliebt – rechnen sich aber nicht immer
Geringe Investitionsbereitschaft ist bei der bekanntesten Power-to-Heat-Anwendung kein Problem. Die Rede ist von Wärmepumpen, für die die Nachfrage seit Beginn der Energiekrise deutlich gestiegen ist. Die mit Strom angetriebenen Geräte befördern Wärme aus der Außenluft oder dem Erdreich in ein Gebäude. Sie wandeln also Strom in Wärme um. Damit bieten sie großes Potenzial, auch im Wärmesektor signifikante CO2-Einsparungen zu erreichen.
Bis vor kurzem waren Wärmepumpen vor allem für den Einsatz im Neubau vorgesehen. Doch auch hier geht die technologische Entwicklung weiter. Geräte, die Wärme – oder auch Kälte – auf einem höheren Temperaturniveau bereitstellen, lassen sich auch in Bestandsgebäuden nutzen.
Ein Problem aber gibt es, weiß Dr. Sibylle Braungardt, die sich für das Öko-Institut unter anderem mit der Entwicklung und Evaluierung von Politikmaßnahmen im Gebäudesektor beschäftigt. Momentan sei es oft billiger, weiter mit fossilen Energien zu heizen, so die Expertin. Wärmepumpen rechneten sich preislich momentan nicht immer. „Das kann die Politik ändern“, sagt Braungardt, „durch einen reduzierten Strompreis, CO2-Preis für fossile Energien, die Abschaffung der EEG-Umlage sowie eine Förderung, um die Anschaffung zu vergünstigen.“
Power-to-Heat ist grundsätzlich nicht nur für den Privatgebrauch interessant. Einige Stadtwerke beispielsweise testen Elektrodenkessel. Gibt es ein Überangebot an Strom aus erneuerbaren Quellen, wird auf diese Weise Wasser in einem Kessel erhitzt. Das Wasser wird anschließend in ein Becken gepumpt und als Speicher für die Fernwärmeversorgung genutzt.
E-Autos als fahrende Energiespeicher, die Strom weiterleiten
Weiteres Potenzial für die flexible Handhabung von elektrischer Energie steckt in der Elektromobilität. Hier wird Strom zum einen direkt zum Laden eines batterieelektrisch angetriebenen Fahrzeugs genutzt. Das Auto ist dann im Prinzip ein fahrender Energiespeicher. Und so kann es auch genutzt werden. Man kann Strom aus der Autobatterie wieder in das Stromnetz einspeisen. Ein solches Konzept heißt Vehicle-to-Grid (V2G) und kann ein bedeutender Baustein im künftigen Energiesystem sein. Sagt Dennis Schulmeyer, CEO des Start-ups LADE. „Die Technologie kann sehr einfach und günstig umgesetzt werden, hat eine enorme Wirkung und die Speicher sind ohnehin vorhanden.“
Sein Unternehmen bietet ein Komplettsystem für den Betrieb und die Nutzung der entsprechenden Infrastruktur. Den Kern bildet laut Firmenangabe ein Lastmanagement, mit dem sich die Leistung der Ladepunkte dynamisch, individuell und nahezu in Echtzeit optimieren lässt – gemäß den Bedürfnissen der Infrastruktur-Betreiber sowie -Nutzer.
Neben einem intelligenten Lastmanagement ist dafür der Ausbau der Ladeinfrastruktur zwingend notwendig. Denn wirtschaftlich sinnvoll lässt sich V2G nach Ansicht von Schulmeyer nur mit Wechselstrom- beziehungsweise AC-Ladepunkten umsetzen. Um das volle Potenzial der Technologie nutzen zu können, müssten Fahrzeuge möglichst immer über V2G-fähige Anschlüsse mit dem Netz verbunden sein, wenn sie parken. Das bedeutet: Es muss noch viel mehr Ladepunkte geben.
Auch andernorts wird daran getüftelt, wie E-Autos in das Stromnetz eingebunden werden können. Zuletzt meldete der Übertragungsnetzbetreiber TenneT, es sei innerhalb einer begrenzten Community gelungen, auf die Speicherkapazität von E-Autos zurückzugreifen und dadurch „kurzfristig im Stromnetz auftretende Frequenzschwankungen“ abzufedern. „Die Integration von E-Autos in das Stromnetz ist ein wichtiger Meilenstein, um auf die Herausforderungen der künftigen Stromverfügbarkeit reagieren zu können“, sagt TenneT-COO Tim Meyerjürgens.
Markus Strehlitz ist freier Journalist und Redakteur beim VDE dialog.