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Strom tanken – das muss klappen! Bedenken hinsichtlich der Ladeinfrastruktur machen die Anschaffung eines E-Autos weniger attraktiv und hemmen so Verbraucher und Verbraucherinnen bei ihrer persönlichen Antriebswende

| EnBW/Chris Nolte-Kuhlmann
01.04.2023 Publikation

E-Mobilität: Einmal vollladen, bitte!

Dass dem Auto der Strom ausgeht und keine freie Ladestation in der Nähe verfügbar ist, gehört zu den größten Bedenken vor dem Umstieg auf elektrisches Fahren. Dabei geht der Ausbau der Lade­säuleninfrastruktur gut voran – zur Zufriedenheit erfahrener E-Autonutzer.

Von Michael Neißendorfer

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Warum viele Interessierte zögern, sich ein Elektroauto anzuschaffen

Beim Spitzentreffen der „Strategieplattform Transformation der Automobil- und Mobilitätswirtschaft“ im Januar bekräftigen Bundesregierung und Automobilindustrie das Ziel, bis 2030 mindestens 15 Millionen voll­elektrische Autos auf die deutschen Straßen zu bringen. Aber schon im Vorfeld war aus Politik und Indus­trie zu hören, dass vor allem eine nicht ausreichende Ladeinfrastruktur ein großes Hemmnis der E-Mobilität darstelle und Interessierte daher zögerten, sich ein E-Auto anzuschaffen. Auch einigen Verbraucherumfragen zufolge wird der E-Hochlauf von Bedenken über Reichweite und fehlende Infrastruktur gebremst. So teilte die Unternehmensberatung Deloitte mit, die wichtigsten Argumente gegen den Kauf eines E-Autos seien die eingeschränkte Reichweite (57 Prozent der Befragten) sowie eine fehlende öffentliche Ladeinfrastruktur (47 Prozent). 

Jedoch: Es wurden hauptsächlich Menschen befragt, die in der Praxis noch keinerlei Berührungspunkte mit Elektroautos hatten. Wer sich hingegen bei langjährigen E-Fahrerinnen und E-Fahrern umhört, bekommt eine andere Sichtweise. Eine Umfrage unter gut 3000 E-Autofahrenden vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zeigt: Drei Viertel finden, dass sich das Laden an öffentlich zugänglichen Stationen in den vergangenen drei Jahren deutlich verbessert hat. Insgesamt sind die Befragten sehr zufrieden mit ihrer persönlichen Antriebswende. 98 Prozent würden "auf jeden Fall" wieder ein ­Elektroauto kaufen, zwei Prozent "eher ja". 

Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur zufrieden

Von einem schleppenden Voranschreiten der Antriebswende ist bei der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur, welche im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums die Aktivitäten zum Ausbau der Ladeinfrastruktur in Deutschland steuert, keine Rede. Im Gegenteil: Mit erheblicher und erfreulicher Geschwindigkeit verlaufe der Markthochlauf der Elektromobilität. Seit dem Jahreswechsel sind erstmals zwei Millionen Elektrofahrzeuge in Deutschland unterwegs, davon mehr als eine Million rein batterie­elektrische Elektroautos. Das sei ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu klimafreundlicher Mobilität. Laut Kraftfahrtbundesamt hatten in dem Monat vier von zehn Neufahrzeugen einen E-Antrieb. Auch der Hochlauf der Ladeinfrastruktur verlaufe sehr dynamisch. Stand November 2022 gibt es in Deutschland laut der Bundesnetzagentur mehr als 72.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte, rund 25.000 davon sind allein im Jahr 2022 hinzugekommen. Rechnerisch müsste das bei Weitem für alle Nutzenden reichen: Laut BDEW liegt die Auslastung der Ladesäulen im Schnitt bei nur 15 Prozent. Es könnte demnach schon heute deutlich mehr geladen werden.

Das bestätigt auch Lars Walch, Leiter E-Mobilität Strategie & Vertrieb beim Energieversorger EnBW, der mit mehr als 800 Standorten eines der größten öffentlichen Schnellladenetze in Deutschland betreibt: Auslastungsdaten bestätigen, dass die bestehende Ladeinfrastruktur weit mehr als den aktuellen Bedarf abdecke. "Insgesamt betrachtet ist fehlende Lade­infra­struktur aus heutiger Perspektive also kein Thema". Es komme nur in Einzelfällen zu einer besonders hohen Auslastung bestimmter Standorte. 

Laden kann man in jedem Landkreis

Auch Dr. Ralf Petri, Leiter des Geschäftsbereichs VDE Mobility und selbst langjähriger E-Autofahrer, sieht in der Ladeinfrastruktur kein Problem der E-Mobilität: "Ich finde, wir sind auf einem guten Weg. Es gibt immer mehr Möglichkeiten, sein Elektroauto zu laden. Und das an Orten, die man ohnehin oft aufsucht." Ein Blick in die Statistik der Bundesnetzagentur zur Zahl der Ladesäulen bestätigt: Laut aktuellem Stand gibt es in Deutschland keinen einzigen Landkreis mehr ohne Ladesäule. Kerstin Meyer, Projektleiterin Fahrzeuge und Antriebe bei Agora Verkehrswende, findet „den aktuellen Stand eigentlich ganz ordentlich". In letzter Zeit allerdings sei die Zahl der Elektro­autos stark und im Verhältnis schneller als die Zahl der Ladepunkte gestiegen. Jetzt komme es darauf an, dass der Ausbau der Ladeinfrastruktur damit Schritt hält. "Den größten Bedarf an Lademöglichkeiten sehen wir im halböffentlichen Bereich, an Orten des täglichen Lebens: Einkaufszentren, Baumärkte, Kinos zum Beispiel. Für die Entwicklung der Elektromobilität wäre hier der Aufbau von Schnellladeinfrastruktur ab 50 kW Ladeleistung zielführend“, so die Expertin. „Bei Supermärkten, wo sich die Verbraucher:innen tendenziell eher kürzer aufhalten, wären High Power Charger mit mehr als 150 kW sogar noch besser."

Auf ultraschnelles Laden setzt auch Aral. Der Mineralölkonzern betreibt seine E-Mobilitätsmarke pulse seit gut zwei Jahren und hat im Okto­ber 2022 den eintausendsten Ladepunkt in Betrieb genommen, die meisten davon sind Ultraschnellladesäulen. "Eine schnelle und einfache Ladeinfrastruktur ist eine zentrale Voraussetzung, um Elektro­mobilität voll alltagstauglich und noch attraktiver zu machen. Deshalb machen wir ordentlich Tempo beim Netz­ausbau", sagt Alexander Junge, Vorstand für Elektromobilität bei Aral. Bis Ende 2025 sollen E-Autofahrende an rund 5000 Ladepunkten in Deutschland ihr Elektrofahrzeug aufladen können – nicht nur an den eigenen Tankstellen, sondern auch auf Supermarktparkplätzen oder bei Schnellrestaurants. Mittelfristig soll laut Aral, seit Anfang dieses Jahres auch Mitglied im VDE, jede zweite der Stationen ultraschnelles Laden anbieten.

Schnellladepark

Schnellladepark am Kamener Kreuz. Hier können E-Autofahrerinnen und E-Autofahrer mit bis zu 300 kW ultraschnell neue Reichweite tanken. Noch können nur wenige Modelle die vollen 300 kW aufnehmen. Die Ladesäulen passen sich daher dem angeschlossenen Fahrzeug an.

| EnBW/Fotograf Endre Dulic
Meyer

»Den Aufbau von Lade­infrastruktur müssen Autohersteller, Energie­versorger, Netzbetreiber, Tankstellen sowie Bund, Länder und Kommunen gemeinsam angehen.« Kerstin Meyer, Projektleiterin Fahrzeuge und Antriebe bei Agora Verkehrswende

| Agora Verkehrswende

Auf dem Land lädt man eher an der eigenen Steckdose

Aber auch das Laden am Arbeitsplatz sei ein wichtiges Thema, so Meyer, „weil die Fahrzeuge dort tagsüber laden können und sich aufgrund der langen Standzeiten in Zukunft zusätzlich Potenziale für netzdienliches Laden erschließen.“ Und je mehr Ladeinfrastruktur es auf solchen privaten Flächen gibt, desto geringer sei der Bedarf, sie öffentlich zu schaffen. „Der öffentliche Raum ist begrenzt und wird auch für andere Nutzungsarten gebraucht.“

Die Nationale Leitstelle Lade­infra­struktur verweist darauf, dass sich die Anforderungen an die Ladeinfrastruktur je nach Region stark unterscheiden. Im ländlichen Raum verfügen mehr Menschen über eigene Stellplätze und die Möglichkeit, eigene Ladevorrichtungen zu betreiben. Hier sei der Bedarf an öffentlicher Ladeinfrastruktur geringer. In den Städten hingegen stelle die Verfügbarkeit von Flächen eine große Herausforderung dar.

Trotz positiv wahrgenommener Entwicklung: Der Ausbau der Lade­infra­struktur muss weiterhin bedarfsgerecht, flächendeckend und nutzungsfreundlich erfolgen. Hierfür soll der Masterplan Ladeinfrastruktur II der Bundesregierung einen maßgeblichen Beitrag leisten. Hierin stellt der Bund Herausforderungen wie die oft langen Vorlaufzeiten bei der Genehmigung, Verzögerungen in den Lieferketten sowie ein Mangel an Personal bei Bau- und weiteren beteiligten Unternehmen fest. Mit 68 teils sehr konkreten Einzelmaßnahmen als Teil des Masterplans will die Bundesregierung erreichen, dass der Ausbau der Ladeinfrastruktur in den kommenden Jahren schneller und zielführender erfolgt. 

Laden, wo man eh schon ist

„Der Masterplan Ladeinfrastruktur II gibt die Richtung vor. Nun geht es darum, dass er schnell umgesetzt wird“, sagt Kerstin Meyer von ­Agora Verkehrswende. Und das liegt nicht bei der Bundesregierung allein. „Der Aufbau von Ladeinfrastruktur ist eine Aufgabe, die Autohersteller, Energieversorger, Netzbetreiber, Tankstellen sowie Bund, Länder und Kommunen gemeinsam angehen müssen.“ Meyer verweist darauf, dass Ladeinfrastruktur zunehmend auch ein wichtiger Standortfaktor wird: „Etwa für Arbeitgeber zur Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit sowie um Fachkräfte zu gewinnen.“

Das ausgewiesene Ziel der Bundesregierung ist der Aufbau von einer Million öffentlicher Ladepunkte bis zum Jahr 2030. Doch so viele müssten es gar nicht sein. Energieversorger EnBW etwa geht davon aus, dass die Zahl veraltet ist und gut 130.000 bis 150.000 öffentliche Schnellladepunkte ausreichend sind. „E-Mobilität funktioniert im Alltag anders als die Verbrenner-Mobilität: Ein ­E-Auto kann grundsätzlich überall geladen werden, wo es entsprechende Lade­infra­struktur gibt“, so Lars Walch von EnBW. Also etwa auch beim Supermarkt um die Ecke oder am Arbeitsplatz. „In den meisten Fällen braucht es die Fahrt zur Ladesäule – analog der Fahrt zur Tankstelle – nicht.“ Was in der Diskussion auch oft übersehen werde: Dass sich die Ladeleistung der ­E-Autos sowie der Ladeinfrastruktur rasant entwickelt und deutliche Sprünge gemacht haben. „Ladevorgänge können mittlerweile deutlich schneller abgeschlossen werden, sodass mit weniger Schnellladepunkten mehr ­E-Autos versorgt werden können“, sagt Walch.

Europaweites Roaming für Autostrom

Viele in der Branche sind sich einig: Möchte die Bundesregierung den Ausbau unterstützen, sollte sie dafür vor allem möglichst zeitnah öffentliche Flächen bereitstellen und Genehmigungen vereinfachen. Auch die Netzbetreiber sind gefragt. „Lade­infra­strukturbetreiber wie wir müssen je nach Region unterschiedliche Voraussetzungen der etwa 900 Verteilnetzbetreiber berücksichtigen. Das macht den Ausbau sehr aufwendig“, sagt Walch. Und an manchen Standorten dauere es mitunter sehr lange, bis der örtliche Verteilnetzbetreiber den Anschluss an das Stromnetz erledigt, da es dafür keine verbindlichen Fristen gibt. Bei gut 200 Schnell­lade­standorten warte EnBW aktuell auf den Netzanschluss, damit Autofahrende dort laden können.

Einen weiteren wichtigen Kritikpunkt spricht Ralf Petri an: die Preisgestaltung an öffentlichen Ladesäulen. „Jeder Anbieter macht seine eigenen Preise. Und die schwanken enorm“, so der Geschäftsbereichsleiter VDE Mobility. Bei Benzin und Diesel liegen Abweichungen von Tankstelle zu Tankstelle pro Liter nur im Cent-­Bereich. „Bei der Kilowattstunde Strom ist das anders, an der einen Lade­säule zahlt man teilweise doppelt so viel wie an einer anderen. Das verunsichert die Verbraucherinnen und Verbraucher.“ Um dieses Problem zu lösen, schlägt Petri ein verpflichtendes Roaming vor, und das europaweit. So wie es bei Handyverträgen bereits längst der Fall ist.

Doch am wichtigsten ist, dass Verbraucher sich von überholten Vorurteilen nicht abschrecken lassen, sagt Johannes Pallasch, Sprecher des Leitungsteams der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur: „Der Umstieg auf die Elektromobilität kann nur nachhaltig gelingen, wenn alle von den Vorteilen der E-Mobilität überzeugt sind.“

 

MICHAEL NEIßENDORFER schreibt als freier Journalist in München über nachhaltige Mobilität und Elektrofahrzeuge.