Warum viele Interessierte zögern, sich ein Elektroauto anzuschaffen
Beim Spitzentreffen der „Strategieplattform Transformation der Automobil- und Mobilitätswirtschaft“ im Januar bekräftigen Bundesregierung und Automobilindustrie das Ziel, bis 2030 mindestens 15 Millionen vollelektrische Autos auf die deutschen Straßen zu bringen. Aber schon im Vorfeld war aus Politik und Industrie zu hören, dass vor allem eine nicht ausreichende Ladeinfrastruktur ein großes Hemmnis der E-Mobilität darstelle und Interessierte daher zögerten, sich ein E-Auto anzuschaffen. Auch einigen Verbraucherumfragen zufolge wird der E-Hochlauf von Bedenken über Reichweite und fehlende Infrastruktur gebremst. So teilte die Unternehmensberatung Deloitte mit, die wichtigsten Argumente gegen den Kauf eines E-Autos seien die eingeschränkte Reichweite (57 Prozent der Befragten) sowie eine fehlende öffentliche Ladeinfrastruktur (47 Prozent).
Jedoch: Es wurden hauptsächlich Menschen befragt, die in der Praxis noch keinerlei Berührungspunkte mit Elektroautos hatten. Wer sich hingegen bei langjährigen E-Fahrerinnen und E-Fahrern umhört, bekommt eine andere Sichtweise. Eine Umfrage unter gut 3000 E-Autofahrenden vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zeigt: Drei Viertel finden, dass sich das Laden an öffentlich zugänglichen Stationen in den vergangenen drei Jahren deutlich verbessert hat. Insgesamt sind die Befragten sehr zufrieden mit ihrer persönlichen Antriebswende. 98 Prozent würden "auf jeden Fall" wieder ein Elektroauto kaufen, zwei Prozent "eher ja".
Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur zufrieden
Von einem schleppenden Voranschreiten der Antriebswende ist bei der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur, welche im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums die Aktivitäten zum Ausbau der Ladeinfrastruktur in Deutschland steuert, keine Rede. Im Gegenteil: Mit erheblicher und erfreulicher Geschwindigkeit verlaufe der Markthochlauf der Elektromobilität. Seit dem Jahreswechsel sind erstmals zwei Millionen Elektrofahrzeuge in Deutschland unterwegs, davon mehr als eine Million rein batterieelektrische Elektroautos. Das sei ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu klimafreundlicher Mobilität. Laut Kraftfahrtbundesamt hatten in dem Monat vier von zehn Neufahrzeugen einen E-Antrieb. Auch der Hochlauf der Ladeinfrastruktur verlaufe sehr dynamisch. Stand November 2022 gibt es in Deutschland laut der Bundesnetzagentur mehr als 72.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte, rund 25.000 davon sind allein im Jahr 2022 hinzugekommen. Rechnerisch müsste das bei Weitem für alle Nutzenden reichen: Laut BDEW liegt die Auslastung der Ladesäulen im Schnitt bei nur 15 Prozent. Es könnte demnach schon heute deutlich mehr geladen werden.
Das bestätigt auch Lars Walch, Leiter E-Mobilität Strategie & Vertrieb beim Energieversorger EnBW, der mit mehr als 800 Standorten eines der größten öffentlichen Schnellladenetze in Deutschland betreibt: Auslastungsdaten bestätigen, dass die bestehende Ladeinfrastruktur weit mehr als den aktuellen Bedarf abdecke. "Insgesamt betrachtet ist fehlende Ladeinfrastruktur aus heutiger Perspektive also kein Thema". Es komme nur in Einzelfällen zu einer besonders hohen Auslastung bestimmter Standorte.
Laden kann man in jedem Landkreis
Auch Dr. Ralf Petri, Leiter des Geschäftsbereichs VDE Mobility und selbst langjähriger E-Autofahrer, sieht in der Ladeinfrastruktur kein Problem der E-Mobilität: "Ich finde, wir sind auf einem guten Weg. Es gibt immer mehr Möglichkeiten, sein Elektroauto zu laden. Und das an Orten, die man ohnehin oft aufsucht." Ein Blick in die Statistik der Bundesnetzagentur zur Zahl der Ladesäulen bestätigt: Laut aktuellem Stand gibt es in Deutschland keinen einzigen Landkreis mehr ohne Ladesäule. Kerstin Meyer, Projektleiterin Fahrzeuge und Antriebe bei Agora Verkehrswende, findet „den aktuellen Stand eigentlich ganz ordentlich". In letzter Zeit allerdings sei die Zahl der Elektroautos stark und im Verhältnis schneller als die Zahl der Ladepunkte gestiegen. Jetzt komme es darauf an, dass der Ausbau der Ladeinfrastruktur damit Schritt hält. "Den größten Bedarf an Lademöglichkeiten sehen wir im halböffentlichen Bereich, an Orten des täglichen Lebens: Einkaufszentren, Baumärkte, Kinos zum Beispiel. Für die Entwicklung der Elektromobilität wäre hier der Aufbau von Schnellladeinfrastruktur ab 50 kW Ladeleistung zielführend“, so die Expertin. „Bei Supermärkten, wo sich die Verbraucher:innen tendenziell eher kürzer aufhalten, wären High Power Charger mit mehr als 150 kW sogar noch besser."
Auf ultraschnelles Laden setzt auch Aral. Der Mineralölkonzern betreibt seine E-Mobilitätsmarke pulse seit gut zwei Jahren und hat im Oktober 2022 den eintausendsten Ladepunkt in Betrieb genommen, die meisten davon sind Ultraschnellladesäulen. "Eine schnelle und einfache Ladeinfrastruktur ist eine zentrale Voraussetzung, um Elektromobilität voll alltagstauglich und noch attraktiver zu machen. Deshalb machen wir ordentlich Tempo beim Netzausbau", sagt Alexander Junge, Vorstand für Elektromobilität bei Aral. Bis Ende 2025 sollen E-Autofahrende an rund 5000 Ladepunkten in Deutschland ihr Elektrofahrzeug aufladen können – nicht nur an den eigenen Tankstellen, sondern auch auf Supermarktparkplätzen oder bei Schnellrestaurants. Mittelfristig soll laut Aral, seit Anfang dieses Jahres auch Mitglied im VDE, jede zweite der Stationen ultraschnelles Laden anbieten.