mechIC
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01.07.2025 VDE dialog

Start-up: Mechanik sticht Elektronik

Innovationen aus Bochum: Anfang des Jahres wurde nicht nur die mechIC GmbH gegründet, sondern gleich auch der erste Prototyp eines neuartigen, energieautarken Bewegungssensors präsentiert. Ein Gespräch mit CEO Philip Schmitt.

Porträtfoto von Dr. Philipp Schmitt

Dr. Philipp Schmitt ist der Kopf hinter dem Startup mechIC.

| privat

VDE dialog: Die mechIC GmbH ist eine Ausgründung der Ruhr-Universität Bochum. Wie kam es dazu?

Philip Schmitt: Die Idee für unsere Dehnungssensoren ist tatsächlich nicht neu – sie begleitet uns seit Jahren. Ursprünglich stammt sie aus Projekten an der TU Ilmenau, später haben wir sie an der Ruhr-Uni Bochum weiterentwickelt. Die entscheidenden Grundlagen kamen im BMBF-Projekt „ForMikro UpFuse“ zustande. Da haben wir nicht nur energieautarke Beschleunigungssensoren gebaut, sondern auch neuartige mikromechanische Komponenten entwickelt, die heute das Herzstück unserer Sensoren sind. Und: genau dort hat sich auch unser Gründungsteam zusammengefunden.

Und aus der Forschung sollte dann plötzlich ein Produkt werden?

Genau. Aus einem wissenschaftlichen Machbarkeitsnachweis wollten wir ein marktfähiges Produkt machen – und das ist leichter gesagt als getan. Die technische Komplexität ist hoch, und vom Labor zur Serienfertigung ist es ein weiter Weg. Unsere Sensoren sind mechanisch, mikrosystemtechnisch und komplett neu gedacht. Deshalb dauerte es auch etwas länger als ursprünglich geplant, es braucht einfach Zeit, Geduld und Ressourcen. Auch heute sind wir noch in der Entwicklung. Aber: Seit April 2024 erhalten wir eine EXIST-Förderung vom BMWK, was uns enorm hilft, den Sensor in Richtung Produktreife zu bringen. Unser Team besteht aus Steffen Wittemeier, Lisa Schmitt, Henning Mays und mir. Gemeinsam gehen wir das jetzt strukturiert an.

Was war denn die größte Hürde bisher?

Die eigentliche Herausforderung war nicht der Laboraufbau, sondern der Transfer. Ein Sensor, der im Reinraum gut misst, muss noch lange nicht markttauglich sein. Robustheit, Fertigungstoleranzen, Skalierbarkeit – all das muss stimmen. Unser erster Chip war technisch beeindruckend, aber schlicht zu komplex. Wir haben ihn deshalb bewusst vereinfacht und uns auf das Wesentliche konzentriert: robuste Funktionalität. Als Wissenschaftler neigt man dazu, alles reinzupacken, was technisch spannend ist – aber was nützt ein Feature, das am Markt keiner braucht?

Und jetzt ist der erste Prototyp fertig?

Ja, wir haben seit Anfang des Jahres einen Demonstrator, den wir auf der Hannover Messe vorgestellt haben. Als dann klar wurde, dass erste Proof-of-Concept-Projekte mit Industriepartnern möglich sind, war der Zeitpunkt für die offizielle Gründung gekommen.

Start-ups in Deutschland kämpfen oft mit mangelnder Unterstützung. Wie sehen Sie das?

Das kann ich so nicht bestätigen. Deutschland ist sehr wohl ein Gründungsland – vor allem für DeepTech. Ohne Programme wie EXIST oder Transfer.NRW hätten wir unsere Forschung nie so weit bringen können. Unsere Förderung durch das BMWK liegt bei rund 1,37 Millionen Euro. Das ist keine Kleinigkeit! Und wir profitieren stark von der Anbindung an den Lehrstuhl für Mikrosystemtechnik in Bochum: Reinraum, Labore, Infrastruktur – alles da. Plus: Die Transferstelle der Uni, die WorldFactory, bringt uns durch Coachings, Schulungen und ein starkes Netzwerk stetig weiter.

Was unterscheidet Ihre Sensoren von anderen?

Unsere Dehnungssensoren sind kompakte Silizium-Chips, etwa 4 x 4 Millimeter groß – und sie kommen ohne klassische Auswertelektronik aus. Der Chip liefert direkt ein digitales Dehnungssignal via SPI oder I2C. Für Anwender heißt das, dass keine aufwendige Messelektronik nötig ist. Und das Besondere darüber hinaus ist: Unsere Sensoren messen rein mechanisch. Statt auf Mikroelektronik setzen wir auf Mikromechanik. Das Signal wird mechanisch verstärkt, weiterverarbeitet – komplett auf Chip-Ebene. Deshalb auch unser Name: mechIC – mechanische integrierte Schaltkreise.

Mechanik statt Elektronik – was bringt das?

Ganz einfach: Unempfindlichkeit gegenüber Störeinflüssen wie Temperatur oder elektromagnetischen Feldern. Außerdem benötigt der Sensor keine externe Energiequelle. Die Energie zum Messen kommt direkt aus der Messgröße – der Dehnung selbst. Und es geht noch weiter: Unser Sensor kann dauerhaft Überlastungen überwachen – ganz ohne Strom. Der maximale Dehnungswert wird mechanisch gespeichert und kann später visuell oder elektronisch ausgelesen werden. Jahrzehntelange Überwachung ohne Batterie? Genau das ist unser Ansatz.

Und klar, passende Schnittstellen – etwa Bluetooth oder NFC – bieten wir auch gleich mit an.

Trotzdem gab es auch Verzögerungen. Was hat gebremst?

Gebremst ist relativ. Wir haben seit Anfang des Jahres zwei funktionierende Prototypen: Einen hochauflösenden Echtzeit-Dehnungssensor mit etwa 0,2 ppm Auflösung, der gleichzeitig Temperatur misst und kompensiert. Und einen passiven Überlastungssensor, der die maximale Dehnung speichert – völlig energieautark.

Für ein Jahr Entwicklungszeit ist das ziemlich sportlich. Unser Team ist fachlich breit aufgestellt, jeder bringt seine Spezialisierung mit ein. Aber klar: Chip-Entwicklung ist nie ein Sprint. MEMS-Dehnungssensoren sind ein ganz neues Feld – da stößt man oft auf Probleme, für die es einfach noch keine Lösungen von der Stange gibt.

Und trotzdem ging’s voran?

Ja, gerade weil wir unsere Prototypen im eigenen Reinraum fertigen können. Das spart nicht nur Zeit, sondern erlaubt es uns, flexibel auf Probleme zu reagieren – was im klassischen Foundry-Prozess kaum möglich wäre.

Was sind die weiteren Pläne?

Jetzt geht’s ans Eingemachte: Packaging, Qualifizierung, Serienreife. Gleichzeitig bringen wir unsere Technologie in eine externe Fab, damit die spätere Fertigung skaliert. Unsere Prototypen wollen wir in ersten Anwendungen testen – in Proof-of-Concept-Projekten mit Partnern aus der Industrie. Ziel ist es zu zeigen, dass unsere Sensoren beides können: hochaufgelöste Echtzeitmessung und energieautarke Überlastüberwachung. Klein, präzise, robust – das ist unser Versprechen.

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