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01.07.2025 VDE dialog

Europa: »Eine gemeinsame Sprache finden«

EUREL ist der Dachverband der europäischen Elektrotechnik-, Elektronik- und Informationstechnikverbände. Als Chairman im Board of Directors setzt VDE Politikexperte Markus B. Jaeger sich für die internationale Zusammenarbeit ein.

Interview: Julian Hörndlein

VDE dialog: Elektrotechnik ist eine deutsche Paradedisziplin. Warum ist internationale Vernetzung so wichtig?

Markus B. Jaeger: Elektrotechnik war vor 130 Jahren eine urdeutsche Disziplin. Heute sind Elektrotechnik und die immer wichtiger werdende Informationstechnik längst international. Die maßgebende Sprache der Disziplin ist Englisch. Es braucht weltweite Standards und Zertifizierungen. Deshalb ist es auch wichtig, dass wir global vernetzt sind, gehört werden und unseren Partnern außerhalb Deutschlands Aufmerksamkeit schenken.

Welche Bedeutung hat dabei die politische Arbeit?

Technologische Themen werden für Politiker nicht immer verständlich kommuniziert. Deshalb ist mein Credo ganz klar: Wir müssen Wege finden, um miteinander in einer für beide Seiten verständlichen Sprache zu sprechen. Über die persönliche Chemie gelingt es uns, Inhalte zu platzieren. Das ist wichtig, denn Ingenieure prägen maßgebend Zukunftstechnologien. Die Politik arbeitet nach dem Selbstverständnis, dass Gesetze mit einer Mehrheit geändert werden können. Aber Naturgesetze, mit denen Ingenieure arbeiten, kann man nicht per Abstimmung ändern. Die Politik aus ihrer Blase zu holen, ist für uns daher immens wichtig. Das schaffen wir nur, wenn wir über Landes-, Alters- und Geschlechtergrenzen hinweg kommunizieren. Das gilt in der Bundes- wie auch in der internationalen Politik.

Welche Ziele verfolgt dabei der Dachverband EUREL?

Bei EUREL arbeiten derzeit zwölf Elektrotechnik-, Elektronik- und Informationstechnikverbände aus elf europäischen Ländern eng zusammen. Das gemeinsame Ziel ist die Förderung des Informationsaustauschs und die Verbreitung von elektrotechnischen Inhalten – natürlich auch gegenüber der Politik. Als europaweite Dachorganisation haben wir ein Gewicht, das ein nationaler Verband allein nur sehr schwer erreichen kann. Besonders ist bei EUREL, dass wir Europa weiter fassen als etwa nur die Europäische Union, zum Beispiel ist auch Israel Mitglied. Aktuell laufen Gespräche mit dem türkischen Verband.

Welchen Stellenwert hat der VDE hierbei?

Der VDE steht nicht nur für Technologie, sondern auch für Normung und Standardisierung, für Prüfen und Zertifizieren sowie für Know-how im Bereich der Erneuerbaren Energien. Das ist vor allem in Osteuropa für die entsprechenden Verbände sehr interessant, da auch dort die Politik ein großes Informationsbedürfnis rund um Elektrotechnik hat. Der VDE hat international einen sehr guten Ruf, das liegt auch in den vielen Jahrzehnten der Vernetzung begründet. Der VDE ist seit 1972 die maßgebliche Organisation und Mitgründer bei EUREL. Als größte Mitgliedsorganisation muss der VDE laut Satzung im Board of Directors vertreten sein.

Porträtfoto von Markus B. Jaeger

Markus B. Jaeger, Global Head of Political Affairs beim VDE und EUREL-Vorsitzender

| VDE

Ein enger Partner des VDE ist seit Jahrzehnten der polnische Verband SEP. Wie profitieren beide voneinander?

Kooperationsvereinbarungen mit dem VDE sind für andere Organisationen von enormer Wichtigkeit. Über EUREL schaffen wir es, eine Vertrauensbasis aufzubauen. Ich kann wirklich sagen, dass wir mit dem SEP beste Freunde geworden sind. Der erste Kooperationsvertrag stammt aus dem Jahr 1978. Ihm folgten weitere 1983 und 1995. Im Sommer 2024 haben wir in Posen den vierten Kooperationsvertrag unterzeichnet. Es erfüllt mich mit großem Stolz, dass ich meinen Beitrag zu der historischen Freundschaft leisten kann. Aktuell arbeite ich an einem Kooperationsvertrag mit dem ungarischen Verband.

Welche Herausforderungen einen die europäischen Verbände der Elektrotechnik?

Grundsätzlich haben alle ein Problem gemeinsam, nämlich Nachwuchskräfte in die Organisation zu holen. Das VDE Young Net ist hier in einer Vorbildrolle. Bei EUREL geben wir uns gegenseitig Unterstützung und möchten künftig auch mit jungen Engagierten vor Ort in die jeweiligen Länder gehen. Wie Nachwuchsarbeit gut gelingen kann, zeigt das Beispiel des rumänischen Verbands AIEE, der 2022 als Alternative zu den bestehenden alten Strukturen von jungen Menschen gegründet wurde. Besonders erstaunlich bei AIEE: Der Frauenanteil liegt bei über 50 Prozent.

Was hält die Zukunft für die internationale Zusammenarbeit bereit?

Viele elektrotechnische Entwicklungen haben sich nach Asien verlagert. Aber wir dürfen nicht den Kopf in den Sand stecken. Es gibt nach wie vor viele tolle Entwicklungen, die aus Deutschland und Europa kommen. Es ist wichtig, dass wir die deutschen Marktführer fördern, aber auch Fehlschläge akzeptieren, wenn eine Start-up-Idee vielleicht erst einmal nicht funktioniert.

Welche Rolle spielt dabei die Politik?

Wir müssen früh anfangen, die Kinder mitzunehmen. Die unzähligen Maßnahmen für die MINT-Förderung müssen evaluiert werden. Viel hilft nicht immer viel. Es muss passgenau und zielgruppenorientiert sein. Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik sind faszinierende Fächer mit riesigen Möglichkeiten, und als Gesellschaft müssen wir bereit sein, auch dicke Bretter zu bohren.

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