Lithium-Ionen-Hochspannungsbatteriekomponente für Elektrofahrzeuge oder Hybridautos.
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01.04.2025 VDE dialog

Substitution: Das ist kritisch, das muss weg

Selten, teuer, umweltschädlich: Statt kritischer Rohstoffe schonendere Alternativen zu nutzen, ist das Ziel etlicher Forschungsprojekte. Doch nicht immer ist es die beste Lösung, A durch B zu ersetzen.

Von Eva Augsten

Im Jahr 2020 schnellten die Neuzulassungen für Elektroautos in die Höhe. Allein in Deutschland wollte die Regierung 15 Millionen E-Autos bis 2030 auf die Straßen bringen, von denen jedes etwa 5 Kilogramm reines Lithium für seine Batterie benötigen wird. Auch in anderen Ländern boomten die Stromer. „Es wird nicht genug Lithium zur Verfügung stehen, um diese Ziele zu erreichen“, warnte damals das Handelsblatt, basierend auf Daten der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Der Markt stützte diese Befürchtung. Der Preis für eine Tonne des Lithiumerzes Spodumen schoss von weniger als 1000 US-Dollar im Jahr 2021 auf über 6000 US-Dollar Ende 2022. Das silbrig-weiße Metall, für das sich außer Keramikherstellern kaum jemand interessierte, wurde in der Öffentlichkeit geradezu zum Sinnbild für kritische Rohstoffe.

Für die einen war der Lithium-Engpass der Beweis, dass Elektromobilität nicht funktionieren kann – für andere ein Grund, nach Alternativen zu suchen. Eine heiß gehandelte Option: Natrium, ein Bestandteil von Kochsalz und ähnlich leicht aus dem Meer oder Bergwerken zu gewinnen. Die Fraunhofer-Einrichtung Forschungsfertigung Batteriezelle FFB erstellte 2023 eine ausführliche Bestandsaufnahme rund um die Natrium-Ionen-Batterie. Ihr Aufbau ähnelt dem der Lithium-Ionen-Batterie, die Anlagen in der Forschungsfabrik könnten also auch genutzt werden, um Fertigungsverfahren für Natrium-Ionen-Batterien zu entwickeln und zu skalieren. Obwohl diese in ihrer Energiedichte materialbedingt nie an die etablierte Lithium-Konkurrenz heranreichen würde, versprach die Natrium-Ionen-Batterie nicht nur Vorteile bei der Nachhaltigkeit und Brandsicherheit, sondern vor allem beim Preis. Insbesondere in China sicherten sich Hersteller Patente und kündigten Gigafabriken für Natriumbatterien an. Zielmärkte waren all die Anwendungen, bei denen minimale Kosten wichtiger waren als ein geringes Gewicht: stationäre Speicher, E-Roller und günstige Kleinwagen. Die Natriumbatterie, so folgerte die Fraunhofer FFB aus ihren Daten, war „gekommen, um zu bleiben“.

Doch es kam anders. Schnell fanden sich Investoren, die das begehrte Lithium liefern und damit großes Geld verdienen wollten. Vor allem Australien steigerte seine Produktion rasant. Auf der Abnehmerseite verlief das Wachstum hingegen langsamer als gedacht und auch die Spekulanten verschwanden bald wieder aus dem Markt. So folgte auf den Peak Ende 2022 ein jäher Absturz der Lithiumpreise. Der Preisvorteil der Natrium-Ionen-Batterie löste sich auf wie Salz im Meer.

Und auch bei den Themen Sicherheit und Nachhaltigkeit tun sich Forschende heute schwer, von einem Vorteil der Natrium-Ionen-Batterien zu sprechen. Denn auch bei den Lithium-Ionen-Batterien ging es flott voran. Lithium-Eisenphosphat (LFP) verdrängt die bisher dominante Kombination Lithium-Nickel-Mangan-Cobaltoxid (NMC) immer öfter als Kathodenmaterial und sorgt für mehr Brandsicherheit. „Die ökologisch wirklich schwierigen Rohstoffe Nickel und in manchen Fällen sogar Kobalt können in der Natrium-Ionen-Batterie weiterhin vorkommen, wenn auch nicht zwangsläufig – in der LFP-Batterie jedoch nicht“, sagt Florian Degen, Bereichsleiter Strategie und Unternehmensentwicklung bei der Fraunhofer FFB.


Arbeiter in der Mudere-Mine im Kongo

In der Mudere-Mine in der Demokratischen Republik Kongo werden Coltab, Mangan und Kobalt abgebaut. Experten bewerten den Arbeits- und Gesundheitsschutz in solchen Minen als problematisch.

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„Kobalt ist vor allem im Kleinbergbau im Kongo aus Gründen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes ein Problem. Lithium gibt es physisch genug auf der Erde; bei der Erschließung von jeweiligen Vorkommen müssen Umwelt- und gesellschaftliche Kriterien eine wichtige Rolle spielen“, ergänzt Matthias Buchert, Bereichsleiter Ressourcen und Mobilität beim Öko-Institut. Die Lithium-Eisenphosphat-Batterie enthält neben Lithium, wie der Name verrät, im Wesentlichen das reichlich verfügbare Eisen und Phosphat – bisher vor allem bekannt als Dünger, von dem weltweit fast 50 Millionen Tonnen jährlich auf Felder gestreut werden.

In Sachen Sicherheit und Energiedichte könnten Festkörperbatterien auf Lithiumbasis sogar noch eine weitere Steigerung bringen. Klar ist für die meisten Fachleute, dass Lithium auf absehbare Zeit das dominante Material für Stromspeicher in der Mobilität bleiben wird.

Porträtfoto von Matthias Buchert

Matthias Buchert, Bereichsleiter Ressourcen und Mobilität beim Öko-Institut

| Öko-Institut

Es gibt noch andere Gründe, sich nicht zu sehr auf das Vermeiden eines einzelnen Rohstoffs zu fixieren. Denn dreht man an einer Stellschraube, verändern sich automatisch weitere Parameter, erklärt Buchert. Ein Beispiel dafür sind Elektromotoren. In den Magneten elektrischer Synchronmotoren – ob in Autos oder in Servos in der Industrie – steckt ein hoher Massenanteil an Seltenen Erden. Vor allem ist das Neodym, aber auch Dysprosium und Terbium, die unter anderem für die Temperaturstabilität sorgen. Durch den Umstieg auf Asynchronmotoren könnte man sich diese Materialien sofort sparen, doch das hätte seinen Preis. „Permanenterregte Synchronmotoren sind im Vergleich zu Asynchronmotoren tendenziell effizienter, kompakter und lassen sich besser ansteuern“, sagt Buchert. In Generatoren für die Windenergie zeigt sich daher sogar ein Trend weg von den robusten Asynchrongeneratoren hin zu Synchrongeneratoren. Sie ermöglichen materialsparende Bauformen ohne Getriebe und das gezielte Bereitstellen von Blindleistung. Gleichzeitig arbeiten Hersteller aber daran, die Menge der kritischen Materialien in den Generatoren und Motoren zu senken. „In den letzten Jahren hat man vor allem den Einsatz der sogenannten schweren Seltenen Erden Dysprosium und Terbium reduziert, die waren besonders kritisch“, erzählt Buchert.

Ein anderes Beispiel: PEM-Elektrolyseure, die wegen ihrer Flexibilität häufig zur Wasserstofferzeugung aus Wind- und Solarstrom eingesetzt werden, sind auf Iridium als Katalysatormaterial angewiesen. Das Material ist quasi ein Beifang des Platin-Abbaus, weniger als zehn Tonnen im Jahr holen Bergbaukonzerne aus der Erde. Katalysatoren auf Basis von Ruthenium könnten den Iridiumbedarf um bis zu 85 Prozent reduzieren, hofft der Metallspezialist Heraeus. Doch auch die Förderung von Ruthenium liegt nur um das Drei- bis Vierfache über der von Iridium. Von einer optimalen Lösung ist man also auch hier noch ein gutes Stück entfernt. „In der Reduzierung kritischer Rohstoffe gibt es meist nicht Schwarz und Weiß, sondern einen langen Weg zu immer hellerem Grau“, fasst Buchert zusammen.

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