Rechenzentren in Windkraftanlagen

Ausgezeichnetes Konzept: WestfalenWIND installiert Rechenzentren in der Windenergieanlage und damit direkt an der Quelle von grünem Strom.

| Credit: Westfalenwind
01.04.2025 VDE dialog

Digitalisierung: Technologie treibt Transformation

Hightech-Unternehmen und Serverbetreiber setzen für ihre digitalen Dienste große Mengen elektrischer Energie ein. Dabei liegt ihr Fokus zunehmend auf neuen Technologien, die nicht nur die Versorgungssicherheit erhöhen, sondern auch die Abhängigkeit von konventionellen Energiequellen reduzieren sowie positive Nebeneffekte für Umwelt und Wirtschaft versprechen.

Von Ulrich Erler

Der Energiebedarf der Digitalisierung ist enorm – und wächst immer weiter. Ursächlich hierfür sind drei Bereiche: Endgeräte der Nutzer, wie Computer und Smartphones, die Netzwerkinfrastruktur mit ihren Mobilfunkstationen und Internetroutern sowie – das ist der größte Batzen – Rechenzentren, deren leistungsstarke Server konstant auf 22 bis 24 Grad Celsius temperiert werden müssen.

Anschaulich lässt sich der Energiehunger an zwei Beispielen beziffern: Eine Stunde Videostreaming in Full-HD-Auflösung benötigt 220 bis 370 Wattstunden (Wh) elektrische Energie. Das verursacht etwa 100 bis 175 Gramm Kohlendioxid (CO2) und entspricht damit den Emissionen, die ein Kleinwagen bei einem Kilometer Autofahrt erzeugt. Während eine Suchanfrage bei Google etwa 0,3 Wh Energie erfordert, verzehnfacht sich der Wert für eine einzelne Anfrage bei ChatGPT. Künstliche Intelligenz (KI) und das Mining von Kryptowährungen beanspruchen durch die intensive Rechenleistung und den kontinuierlichen Betrieb leistungsstarker Hardware viel Energie. Der Bedarf an elektrischer Energie wird weltweit weiter steigen – getrieben durch das Wachstum datenintensiver Technologien wie KI, Cloud Computing und Streaming-Diensten, prognostiziert die Internationale Energieagentur IEA.

Da liegen Befürchtungen nahe, dass die Energienachfrage digitaler Anwendungen in den kommenden Jahren das Angebot übersteigen könnte. US-Tech-Giganten, deren Geschäftsmodelle ohne KI kaum noch denkbar sind, nehmen solche Befürchtungen sehr ernst. In den Vereinigten Staaten gibt es daher Bestrebungen, kleine modulare Reaktoren (SMR) als moderne Alternative zu herkömmlichen Atomkraftwerken zu entwickeln. Mehrere Unternehmen, darunter Microsoft, Google und Amazon, arbeiten an Projekten für diese kompakten Reaktoren, die als sicherer, kostengünstiger und flexibler gelten. Trotz anfänglicher Begeisterung und staatlicher Unterstützung gibt es jedoch Rückschläge, wie das Scheitern des NuScale-Projekts in Idaho zeigt. Die Betreiber beendeten es wegen gestiegener Kosten und Zweifeln an der Wirtschaftlichkeit.

In Deutschland – nach den USA der wichtigste Standort für Rechenzentren – ist Atomstrom derzeit keine Option, zumindest, solange die Politik keinen Wiedereinstieg in die Kernkraft beschließt. Dem Energiebedarf der Rechenzentren versucht man durch eine Vielzahl von Strategien und Technologien zu begegnen. Neben dem zuverlässigen Betrieb und der Performanz spielt vor allem die Nachhaltigkeit eine zentrale Rolle: Seit 2024 muss der Energieaufwand deutscher Rechenzentren zu 50 Prozent aus erneuerbaren Quellen kommen, ab 2027 sogar zu 100 Prozent. Langfristige Verträge mit Anbietern regenerativer Energien – sogenannte Power Purchase Agreements (PPAs) – ermöglichen es, die Versorgung kostengünstig und nachhaltig zu sichern. Als Backup- oder Primärenergiequelle kommen in Pilotprojekten inzwischen Brennstoffzellen zum Einsatz, die sich mit grünem Wasserstoff betreiben lassen. Laut der German Datacenter Association (GDA) stammen bereits heute 88 Prozent des genutzten Stroms der Rechenzentren – auf den etwa die Hälfte der Betriebsausgaben entfallen – aus regenerativen Quellen.

Blick auf ein Rechenzentrum von Windcloud

Einsatz nachhaltiger Energie, unmittelbare Nutzung der Abwärme und CO2-Abbau im laufenden Betrieb: Das gelingt in den CO2-freien Rechenzentren mit Algenfarm von Windcloud.

| Credit: Windcloud

Dass die Serverleistung weitgehend nachhaltig sein kann, zeigt ein Vorzeigeprojekt der deutschen Firma Windcloud. In der nordfriesischen Gemeinde Enge-Sande betreibt sie ein Rechenzentrum mit Windstrom, der von den Offshore-Windparks in der Nordsee kommt – Solar und Gas dienen mit einem Anteil von rund zwei Prozent als Unterstützung und Ausfallsicherung. Die Abwärme nutzen die Betreiber innovativ für die Algenzucht. Und da die Algen nicht nur Wärme zum Wachsen benötigen, sondern auch große Mengen Kohlendioxid binden, absorbiert das Rechenzentrum sogar CO2 aus der Umwelt. Zu guter Letzt werden die Algen weiterverarbeitet und für die Nahrungsmittelproduktion genutzt.

Einige Betreiber investieren auch in eigene Solaranlagen, Windparks oder Geothermie. Beispielsweise baut die Unternehmensgruppe WestfalenWIND Windenergieanlagen, die in ihren Türmen Rechenzentren beherbergen und diese mit dem vor Ort erzeugten Windstrom nahezu klimaneutral versorgen. 2019 wurde dieses wirtschaftlich erfolgreiche Konzept mit dem „Deutschen Rechenzentrumspreis“ ausgezeichnet. Auf technischer Seite reduzieren Methoden wie Flüssigkühlung den Energiebedarf. Ebenso sorgen eine optimierte Serverarchitektur und virtuelle Server für einen geringeren Energieaufwand bei gleichzeitiger Leistungssteigerung.

Wie wichtig bei aktuellen und geplanten Projekten der Austausch der Expertinnen und Experten ist, zeigt zum Beispiel die ECOC (European Conference on Optical Communication). Der VDE gestaltete deren Jubiläumsausgabe im vergangenen Jahr in Frankfurt am Main. Als zentrale Anlaufstelle für Fachleute aus der Telekommunikationsbranche bringt die ECOC Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Ingenieurinnen und Ingenieure sowie Führungskräfte zusammen. Mehr als 300 internationale Aussteller präsentierten auf der begleitenden Fachmesse ihre Lösungen und die neuesten Marktentwicklungen, die den Ausbau und die Effizienz von Glasfasernetzen und optischen Übertragungssystemen weiter vorantreiben.

ein grün bewachsenes Rechenzentrum

Außen und innen grün: Rechenzentrum von NetCologne in Köln samt Photovoltaik auf dem Dach und bewachsener Fassade.

| Constantin Ehrchen / NetCologne
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