Die Kernfusion wurde in den letzten Jahrzehnten von vielen eher als Science-Fiction abgetan. So entstand auch der Begriff der Fusionskonstanten. Mit diesem machte man sich darüber lustig, dass immer gesagt wurde, es würde dreißig Jahre brauchen, bis die Technologie zur Stromerzeugung nutzbar sei – unabhängig vom Zeitpunkt, wann diese Äußerung gemacht wurde. Im Unterschied zu früher könnte heute jedoch an der Vorhersage etwas dran sein. Denn die Kernfusionsforschung hat in letzter Zeit mit beeindruckenden Ergebnissen aufhorchen lassen. Grund genug, sich diese Technologie, die im Gegensatz zur Kernspaltung keinen radioaktiven Abfall mit Halbwertszeiten von mehreren Tausend Jahren produziert, genauer anzuschauen. Um die physikalischen Vorgänge zu verstehen, richtet man den Blick am besten zur Sonne: Dort prallen permanent Wasserstoffatome mit solcher Wucht aufeinander, dass sie sich verbinden und dabei Energie in Form von Licht und Wärme freisetzen. Aber wie lässt sich das Modell Sonne auf der Erde nachbauen? Das ist alles andere als einfach, denn um subatomare Teilchen kollidieren und miteinander verschmelzen zu lassen, ist eine riesige Energiemenge erforderlich – zumal Atomkerne positiv geladen sind und sich gegenseitig abstoßen. Sie zusammenzubringen ist nur durch extrem hohe Temperaturen von 15 Millionen Grad Celsius sowie einem Druck von 100 Milliarden Bar und entsprechender Teilchendichte möglich.
In der Sonne prallen permanent Wasserstoffatome mit solcher Wucht aufeinander, dass sie sich verbinden und enorm viel Energie freisetzen. Wie kann man das Modell auf der Erde nachbauen?
Deshalb ist es den Forschern, seit sie in den 1950er-Jahren mit der Kernfusionsforschung begonnen haben, bis vor zwei Jahren nicht gelungen, eine Kernfusionsreaktion zu erzeugen, durch die mehr Energie entsteht, als sie verbraucht. Das änderte sich jedoch am 5. Dezember 2022: In der kalifornischen National Ignition Facility (NIF) des Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) erzielten Forscher einen Netto-Energiegewinn von mehr als 50 Prozent – ein absolutes Novum und zugleich eine Sensation für die Fachwelt. Dabei wurde mit der weltweit stärksten Laseranlage das Innere eines wenige Millimeter großen Behälters aufgeheizt. Die Innenwände des Behälters gaben energiereiche Röntgenstrahlen ab und erhitzten eine im Behälter enthaltene, mit Wasserstoff gefüllte Brennstoffkapsel. Der sehr hohe Druck und die extrem hohen Temperaturen führten im Brennstoff zur Fusion von Deuterium- und Tritiumkernen zu Heliumkernen. Durch die sogenannte Zündung des Brennstoffplasmas konnte die Temperatur ohne externe Aufheizung aufrechterhalten werden und man erhielt eine sich selbst erhaltende Dauerreaktion.
Prof. Dr. Markus Roth, Professor für Laser- und Plasmaphysik an der TU Darmstadt, war an dem beschriebenen Experiment ganz nah dran. Er betreibt nicht nur experimentelle Grundlagenforschung zur Wechselwirkung intensiver Laserstrahlen mit Materie, er ist auch Mitgründer sowie wissenschaftlicher Leiter des ausgegründeten Start-ups „Focused Energy“. Das deutsch-amerikanische Unternehmen unterhält enge Verbindungen zu den Forschern in der Bay Area und setzt ebenfalls auf eine laserbasierte Technologie. „Der Erfolg unserer Kollegen ist fantastisch, weil er zeigt, dass die Zündung des Plasmas gelingt, wenn die entsprechenden Bedingungen erreicht werden“, so Roth. „Der physikalische Prozess ist stabil, aber es gehen noch 99 Prozent der Energie verloren. Nun gilt es die Engineering-Aspekte zu optimieren und die Effizienz zu steigern.“ Dabei verfolgt er mit „Focused Energy“ in der letzten Phase der Zündung und des Brennens des Plasmas zwar den gleichen Aufbau wie die amerikanischen Kollegen, beschreitet ansonsten aber eigene Wege. Zum einen sollen modernere, mit Hochleistungsgläsern ausgestattete Laser mit deutlich höherem Wirkungsgrad und größerer Treffergenauigkeit zum Einsatz kommen, zum anderen soll die Brennstoffkapsel nicht indirekt, sondern direkt bestrahlt werden.