Rommelfanger

Jörg Rommelfanger, Leiter der Robotics-Division von ABB in Deutschland

| ABB
01.01.2025 VDE dialog

Roboter: „Auch der Bäcker um die Ecke hat Bedarf“

Von der Massenfertigung zum flexiblen Einsatz: Roboter werden schneller, schlauer – und werden künftig auch in anderen Branchen bei der Automatisierung helfen. Jörg Rommelfanger, Leiter der Robotics-Division von ABB in Deutschland, über neue Perspektiven für die mechanischen Produktionshelfer.

Interview: Manuel Heckel

VDE dialog: Seit mehr als 50 Jahren sind Industrieroboter in Deutschland im Einsatz. Was hat sich seitdem alles verändert?

Jörg Rommelfanger: Ich bin seit zwölf Jahren bei ABB, seit insgesamt 25 Jahren in der Robotik – seit dem Studium hat mich das Thema nicht mehr losgelassen. Es verändert sich einiges auf diesem Markt, auch in den vergangenen Jahren. Wir kennen die großen Roboter vor allem aus der Industrie, etwa dem Automotive-Sektor. Doch heute muss die Industrie sich deutlich schneller und flexibler an Produktionsverfahren und Stückzahlen anpassen. Wir kommen aus Zeiten, in denen es ausschließlich darum ging, in hoher Stückzahl und Qualität 24 Stunden und sieben Tage die Woche zu produzieren. Heute müssen sich produzierende Unternehmen sehr viel zügiger an verschiedene Konfigurationen und Volumen anpassen.

Verändert oder erweitert sich damit auch die Zahl der Robotik-Anwender?

Die Technologie bringt uns dahin, dass wir in neue Märkte einsteigen können, die früher nicht für uns zugänglich waren. Nehmen Sie den Bäcker um die Ecke: Auch der hat einen Bedarf an Automatisierung, weil er keine Fachkräfte mehr findet. Neben den großen Kunden werden so manch kleinere Mittelständler oder Handwerksbetriebe interessant für die Roboterhersteller. Ihnen allen hilft die Robotik – weil sich heutzutage viel mehr Unternehmen Automatisierung leisten können und leisten müssen.

Wie wird ein Mehr an Flexibilität möglich?

Vor allem auf der Software- und Steuerungsseite passiert viel. Da geht es zum Beispiel um die Frage, wie man einen Roboter heutzutage für eine neue Aufgabe programmieren kann. Das ist kein aufwendiges Coding mehr, sondern eine logische Programmierung von Abläufen, wie es Kinder zum Teil schon in der weiterführenden Schule lernen. Das macht es viel leichter, ein Robotersystem in Betrieb zu nehmen. Der nächste Schritt sind dann KI-Algorithmen. Diese Technologie steht aber gerade erst am Anfang. Wir sind bereits sehr gut darin, große Datenmengen zu überwachen und auszuwerten. Es wird aber auch möglich sein, Roboter zukünftig mit Sprachbefehlen zu programmieren. Oder aus den Dokumenten oder Produktbeschreibungen von Kunden automatisch die benötigte Programmierung abzuleiten.

Wird der Roboter auch jenseits der Inbetriebnahme intelligenter?

Ja. Man kann deutlich mehr Rechenpower in die Steuerung einbringen. Ergänzt durch die passende Sensorik kann man sehende und fühlende Roboter gestalten. Dann nähert man sich auch der Möglichkeit, dass ein Roboter in unstrukturierten Umgebungen sich selbst die Abläufe beibringt. Denen sagt man dann nicht mehr, wie sie von A nach B zu kommen haben, sondern zeigt ihnen eine Karte etwa einer fremden Fabrikhalle und ihre Aufgabe. Dann gibt man noch vor, ob sie ihre Aufgabe beispielsweise auf die schnellste oder die energiesparendste Art erledigen sollen. Den passenden Modus finden sie dann selbst.

Bleibt die äußere Form des Roboters dabei weiterhin bestehen?

Wenn man sich die mechanische Seite anguckt, mag es den Anschein haben, dass da alles wie früher aussieht. Aber auch da passiert einiges. Es geht etwa um andere Materialien. Dahinter steckt der Wunsch vieler Anwender, nachhaltiger produzieren zu können. Bei den Manipulatoren, also den Roboterarmen, sind so starke Gewichtsreduzierungen möglich. Parallel dazu kann aus Bremsbewegungen der Roboterarme wieder Energie gewonnen werden, wie bei Elektroautos.

Wie wird sich der Einsatzradius von Robotern in Zukunft entwickeln?

Sicher wird es weiter darum gehen, Roboter noch mobiler zu machen, indem man etwa einen Cobot auf eine mobile Plattform bringt. Dazu kommen Fortschritte in der Sensorik und Raumerfassung. So schafft man bereits ein System, das deutlich autonomer in unstrukturierten Umgebungen navigieren und sich positionieren kann.

Der Kollege Roboter, der neben dem Arbeiter hermarschiert, ist also bald Realität?

Humanoide Roboter sind noch ein bisschen weiter weg. Es ist aber gut, dass man diese Vision weiter nach vorne treibt, denn dadurch treibt man die gesamte Entwicklung weiter voran. Technische Limitierung haben wir eigentlich nicht mehr. Man kann heute schon viel an Technologie reinbringen in den Roboter.

Warum sieht man dann nicht viel mehr dieser Roboter im Einsatz?

Am Ende muss sich der Einsatz immer lohnen. Das ist die Balance, die man einhalten muss. Auch für humanoide Roboter wird es Anwendungsfälle geben, aber vielleicht eher zuerst in Bereichen wie der Pflege und nicht in der Industrie. Salopp gesprochen: In vielen Fällen braucht man die Beine nicht – und gerade die machen es sehr komplex.

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