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01.01.2025 VDE dialog

Oberleitungstechnologie: „Nicht leichtfertig aus der Hand geben“

Ende 2024 läuft der Feldversuch eHighway Schleswig-Holstein aus. Der für die Teststrecke in Schleswig-Holstein zuständige Projektleiter Jan Bachmann vom Forschungs- und Entwicklungszentrum der FH Kiel zieht eine positive Bilanz. 

Jan Bachmann

Projektleiter Jan Bachmann

| FuE-Zentrum FH Kiel GmbH

VDE dialog: Auf dem eHighway in Schleswig-Holstein wurde jahrelang die Oberleitungstechnologie für Lkw getestet. Hat sie sich bewährt, sodass Sie einen bundesweiten Ausbau empfehlen würden? 

Jan Bachmann: Ja, unserer Bewertung nach kann man das System in eine großmaßstäbliche Anwendung bringen. Wir haben im Feldversuch jedenfalls keine Ergebnisse erzielt, die gegen einen Einsatz der Technologie sprechen würden. Im Gegenteil: Bis auf wenige Kinderkrankheiten handelt es sich bei der Oberleitungstechnologie bereits um ein robustes und einsatzfähiges System, welches sich sehr gut eignet, eine schnelle Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs zu erreichen. 

Was spricht Ihrer Einschätzung nach konkret dafür?

Es ist eine verfügbare Technologie mit hoher Effizienz, die bei Verwendung 100 Prozent  erneuerbarer Energien einen CO2-neutralen Verkehr schwerer Nutzfahrzeuge ermöglicht. Der ökologische Fußabdruck der Errichtung der Oberleitungsinfrastruktur ist bei einer wirtschaftlich sinnvollen Nutzung sehr gering. Insgesamt besitzt das Oberleitungssystem bei Einsatz reinelektrischer Fahrzeuge laut Fraunhofer ISI die beste ökologische Bilanz, unter anderem weil es gegenüber stationär geladenen, rein batterieelektrischen Lkw kleinere Batterien benötigt. Durch das Laden beim Fahren gibt es mit der Oberleitung zudem keine Störung logistischer Abläufe wie zum Beispiel durch Lade-Zwangspausen oder verpasste Ladeslots. Und es müssten weniger stationäre Ladesäulen gebaut werden, was unter anderem mit weniger Platzproblemen an den Raststätten einherginge.

Dafür müssten aber die Oberleitungen gebaut werden...

Ja, aber der Platzbedarf im Straßenraum dafür ist gering, es erfolgt kein Eingriff in den Straßenkörper und die Belastungen des öffentlichen Stromnetzes sind überschaubar. Für die Komponenten existieren Standards sowie leistungsfähige Lieferketten und aufgrund der geringen Abhängigkeiten und des geringen Ressourcenbedarfes (Flächen, Netzreserven etc.) könnte ein Bau zügig umgesetzt werden. 

Stattdessen sollen jetzt wahrscheinlich die Oberleitungen des Feldversuchs abgebaut werden. Hätte es sich Ihrer Ansicht nach gelohnt, den Versuch weiterzuführen?

Nach unserer Auffassung gibt es gute Gründe, die für einen Weiterbetrieb und sogar eine Erweiterung der Teststrecken sprechen. Um die eHighway-Technologie weiter zu verbessern und ergänzende Lösungen zu entwickeln, wäre die Fortführung der Feldversuche mehr als hilfreich. Es gibt schließlich aktuell keine Lösung für die Dekarbonisierung des Schwerlastverkehrs, die überzeugt. Die Durchführung weiterer unabhängiger Evaluationen, insbesondere auch der direkte Technologievergleich mit den wenigen realistischen Alternativen, also stationär geladenen BEV (Anm. der Redaktion: Battery Electric Vehicle) und ggf. auch Brennstoffzellenfahrzeugen, erscheint uns zwangsläufig erforderlich, um Entscheidungen auf Basis belastbarer Daten treffen zu können. Außerdem sollten wir bei der Entscheidung bedenken: Im Ausland wie auch in der Wirtschaft wächst das Interesse an der Technologie und das Auslaufen der Versuche sendet hier falsche Signale. Insbesondere China engagiert sich bereits auch mit eigenen Entwicklungen. Wir haben uns bis hierhin – und unter Verwendung von Steuermitteln – im Bereich der Oberleitung eine Technologieführerschaft erarbeitet, die wir im Begriff sind, leichtfertig aus der Hand zu geben.

In Politik und Öffentlichkeit scheint das Projekt allerdings schon abgeschrieben zu sein. Wie wird es jetzt weitergehen?

Das die Feldversuche fördernde Ministerium, das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, hat angekündigt, aufgrund des Wegfalls des Klimatransformationsfonds keine Mittel für die Fortführung oder weitere Oberleitungsprojekte zur Verfügung zu haben. Wie es jetzt weitergeht, ist unklar. Für die Strecken in Schleswig-Holstein und Hessen gibt es noch keine Entscheidung über die weitere Nutzung. Das jetzt zuständige Bundesministerium für Digitales und Verkehr hat eine Evaluierung angekündigt.

Grafik
Gesamtkonzept klimafreundliche Nutzfahrzeuge (2020), Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI)
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