Ein Student und eine Studentin reichen sich die Hände.
Anja Rottke / VDE
01.10.2024 VDE dialog

Netzwerke: Zusammen studiert man weniger allein

Das Studium der Elektrotechnik ist anspruchsvoll. Wer sich mit Kommilitonen und Kommilitoninnen zusammentut oder in eine fachliche und gesellige Community wie das VDE Young Net eingebunden ist, ist motivierter, hat mehr Spaß im Studienalltag und hält auch schwierige Phasen besser durch.

Von Beatrice Hüper

Sie waren mal zwölf. Als Ahmed El Amraoui vor drei Jahren mit seinem Bachelorstudium im Fach Quantum Engineering an der Universität des Saarlandes begann, hatte er elf Mitstudierende. Nicht wenig für einen eher neuen Studiengang, der auf die forschungs- und anwendungsorientierte Ausbildung in modernen Quantentechnologien abzielt. Aber: „Einige von den anderen habe ich so gut wie nie in den Vorlesungen gesehen.“ Mehrere fehlten schon nach dem ersten Semester. „Wahrscheinlich haben sie sich unter dem Studium etwas anderes vorgestellt“, mutmaßt Ahmed. Letztlich gingen oder scheiterten zwei Drittel des Jahrgangs. Heute sind sie noch zu viert. Genau die vier, die sich schon in den ersten Wochen an der Uni zu einer Lerngruppe zusammengeschlossen hatten. Die regelmäßigen Treffen, das gemeinsame Erledigen von Arbeitsaufträgen hat Ahmed geholfen, das Studium in der Regelstudienzeit abzuschließen. „Es hilft zu sehen, dass man nicht der Einzige ist, dem das Studium manchmal schwerfällt. Es motiviert.“ Da allerdings den anderen noch Punkte fehlen, ist Ahmed nun doch der Einzige, der an seiner Bachelorarbeit schreibt, und damit ganz allein in seinem Jahrgang.

Lost in Saarbrücken? Nicht Ahmed! Denn über seinen Jahrgang hinaus ist Ahmed mittlerweile richtig gut vernetzt. Vor zwei Jahren ist er der VDE Hochschulgruppe an seiner Universität beigetreten. Erhofft hatte er sich „Anschluss an höhere Semester, mehr vom Unileben mitzubekommen, Tipps fürs Studium zu kriegen, vielleicht mal zum Stammtisch zu gehen“. Bekommen hat er: Ein bundesweites Netzwerk, neue Freunde, unvergessliche Erlebnisse. Ahmed kommt richtig ins Schwärmen, wenn er erzählt, was er als Teil der Hochschulgruppenaktivitäten schon mitgemacht hat. Er berichtet zum Beispiel von der Party des 125. Jubiläums des Bezirksvereins Aachen und dem VDE Zukunftsforum in Bayern. „Neben dem Alltagstrott sind solche Reisen richtige Highlights. Ich kenne jetzt Leute in ganz Deutschland.“ Mittlerweile ist Ahmed sogar Sprecher seiner Hochschulgruppe, die von kürzlich noch sieben Mitgliedern auf 26 gewachsen ist. „Ich habe gesehen, was andere Hochschulgruppen auf die Beine stellen, und hatte richtig Lust, das bei uns auch zu schaffen“, sagt Ahmed.

Porträtfoto von Ahmed El Amraoui

»Seit ich in der VDE Hochschulgruppe aktiv bin, habe ich nicht nur viele Leute an meiner Uni, sondern in ganz Deutschland kennen gelernt.« Ahmed El Amraoui

| Sarah Kastner / VDE

Damit ist Ahmed das perfekte Beispiel, wie man sich mithilfe der Hochschulgruppen ein Umfeld schafft, das Spaß macht und motiviert. Das findet auch Rosalia Virga, Leiterin des VDE Young Net, dem jungen Netzwerk des VDE, und damit auch für die Hochschulgruppen zuständig. „Elektrotechnik und die verwandten Fächer sind schwierig. Wir beobachten, dass viele damit zu kämpfen haben – und dass viele das Studium vorzeitig abbrechen.“

Eine Studie des Internationales Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) im Auftrag des VDE zu Studienabbrüchen in der Elektro- und Informationstechnik bestätigt das. Unter den Ingenieurwissenschaften ist in diesem Fach die Schwundquote am höchsten. Nach VDE Berechnungen brechen sechs von zehn Studierende das Studium der Elektro- und Informationstechnik wieder ab. 2023 waren dies rund 9000 Personen. Die Gründe sind vielfältig. Aus Sicht derjenigen, die das Studium abgebrochen haben oder sich gerade mit dem Gedanken eines Studienabbruchs tragen und für die VDE Studie befragt wurden, waren die Anforderungen zu hoch, der Stoff zu umfangreich, der Leistungsdruck zu hoch, die Theorie zu praxisfern und viele hatten von Beginn an das Gefühl, nicht mitzukommen. Aber die Studie legt nahe, dass auch soziale Bedingungen eine Rolle spielen. Demnach kann es auch identitätsbezogene Gründe wie „sich nicht wohlfühlen am Studienort“ geben. Ein Drittel der Befragten konnte für sich keine passende Lerngruppe finden und ein Viertel keine Freundschaften aufbauen. Dies habe aufgrund des Befragungszeitraumes sicherlich etwas mit der Coronapandemie zu tun, es zeige aber noch einmal mehr die Bedeutung von guten Lernorten und sozialen Events, so die Studie. Dementsprechend sei das Studium für einige zu unpersönlich, wobei dies häufiger bei denjenigen vorkam, die an Universitäten studierten.


Tatsächlich macht es im Hinblick auf den Anschluss an Mitstudierende einen erheblichen Unterschied, ob an einer Universität oder an einer Fachhochschule und dort eventuell sogar dual studiert wird. Davon kann Tomo Clement berichten. Er studiert Informatik als dualen Studiengang bei Philips. Das heißt, er arbeitet abwechselnd im Unternehmen und hat Theorieblöcke an der Hochschule. Hier sitzt er immer mit den gleichen Leuten zusammen. „Es ist wie in einem Klassenverband, nicht groß und unpersönlich wie in einem Uni-Hörsaal“, sagt Tomo. Das schafft Nähe. „Ich habe schnell Leute mit gleichen Interessen kennengelernt. Wir sind ein fester Freundeskreis, der auch zusammen lernt.“ Gleiche Ziele und Interessen verbinden ihn auch mit Jonas Pohlmann. Der 19-Jährige startet in diesem Herbst sein duales Studium der Wirtschaftsinformatik mit Schwerpunkt Data Science bei IBM in Stuttgart. Kennengelernt haben sich beide beim INVENT a CHIP Camp im Rahmen des VDE Mikrochipwettbewerbs 2022. „Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden“, sagt Jonas, „und sind seitdem immer in Kontakt geblieben.“ Auch fachlich haben sie sich ausgetauscht und gegenseitig Feedback gegeben, als beide an eigenen App-Projekten arbeiteten. „Wir hatten beide bereits Erfahrung mit Softwareentwicklung. In meinem Freundeskreis kennt sich sonst keiner so gut damit aus“, sagt Tomo. „Wenn ich Jonas nicht kennengelernt hätte, hätte ich wahrscheinlich meine App irgendwann aufgegeben.“ Von Tomo hat Jonas schon einiges über das duale Studium erfahren und freut sich darauf. „Im Unternehmen und an der Hochschule lerne ich bestimmt schnell Leute kennen“, sagt er. „So allein für mich zu studieren – das wäre nichts für mich.“

Jonas Pohlmann und Tomo Clement stehen aneinander gelehnt.

»Es tut gut, jemanden an der Seite zu haben, der die gleichen Interessen und Ziele verfolgt und weiß, was man durchmacht.« Jonas Pohlmann und Tomo Clement

| Sarah Kastner / VDE

Für Rosalia Virga vom VDE Young Net geht es in dem Netzwerk und in den Hochschulgruppen allerdings nicht nur darum, beim Studieren nicht zu vereinsamen: „Wir versuchen, eine gute Mischung aus fachlichen Impulsen und Freizeitgestaltung anzubieten. Die Community trifft sich nicht nur zum Lernen, sondern um gemeinsam Messen zu besuchen, Städte zu erkunden, Unternehmen kennenzulernen.“ Wie intensiv man mitmachen will, entscheidet jeder und jede selbst: „Man kann einfach teilnehmen und sich immer auch selbst engagieren. Mit dem VDE hat man auf einen Schlag ein bundesweites Netzwerk.

Zum engen Kontakt zu anderen Studierenden und Young Professionals kommt in den VDE Hochschulgruppen ein besonderer Zugang zu Lehrenden. Die VDE Vertrauensdozenten, die es an vielen Hochschulen schon gibt, repräsentieren einerseits den VDE und seine Ziele – und stehen andererseits den Studierenden auch jenseits des regulären Hochschulbetriebs für vertrauliche und offene Gespräche zur Verfügung, sowohl bei Fragen der Studien- und Berufsplanung wie auch bei der Unterstützung ihres gesellschaftlichen wie wissenschaftlichen Engagements. Und sie können ganz praktisch helfen, weiß Virga. „Sie fungieren oft als Türöffner – im mehrfachen Sinn.“ So könnten sie zum Beispiel helfen, an der Hochschule geeignete Räume für Veranstaltungen und Treffen zu bekommen oder auch einen Draht zur lokalen Industrie, zu Unternehmen oder Forschungseinrichtungen herstellen sowie Praktika oder Werkstudierendenstellen vermitteln. „Das alles ist Teil des Auftrags des VDE Young Net“, sagt Virga. „Ein Beitrag, den wir gerne leisten, um die Hochschulgruppen und damit die Studierenden zu unterstützen.“

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Beatrice Hüper ist freie Autorin aus Hamburg und Chefin vom Dienst beim VDE dialog.

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