Katze spielt mit einem Staubsaugerroboter in der Wohnung
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01.07.2024 VDE dialog

Innovationen: Nichts ist unmöglich

Smarte Technologien kochen frische Mahlzeiten, sorgen für die perfekte Raumtemperatur und kümmern sich um die Haustiere. Diese Vision ist zum Teil schon real, anderes wird gerade entwickelt. Und dank Künstlicher Intelligenz gibt es kaum Grenzen bei der smarten Haushaltshilfe der Zukunft.

Von Markus Strehlitz

„Das Ziel eines Smart Homes ist, dass alles im Haus vollautomatisch geschieht“, sagt Sven Öhrke vom VDE Institut. Und ganz oben auf der Wunschliste stehen Anwendungen, die zwei grundlegende Bedürfnisse im Zusammenhang mit einem Zuhause bedienen: Sicherheit und Sparen.

Zu Ersterem bietet der Markt bereits viel: Vernetzte Kameras und Alarmsysteme überwachen Haus sowie Grundstück und benachrichtigen im Verdachtsfall die zuständigen Personen. Intelligente Zugangssysteme arbeiten mit biometrischen Technologien wie Fingerabdruck- oder Gesichtserkennung.

Und zu Letzterem tut sich gerade ganz viel. Der Schlüssel lautet hier Energieeffizienz. „Gerade in der heutigen Zeit, in der die Energiepreise durch die Decke gehen, ist das ein wichtiges Thema“, sagt Öhrke. Denn wer Strom spart, spart automatisch auch Geld. Dabei kann smarte Technik helfen. In einem automatisierten Gebäude wird zum Beispiel in einem Raum die Temperatur gesenkt, wenn sich dort keine Personen mehr aufhalten – auf Basis eines vorab definierten Zeitplans. Allein das automatische Absenken der Temperatur bei Abwesenheit kombiniert mit dem Wiederaufheizen vor der Heimkehr kann laut Schätzung der Verbraucherzentrale zwei bis acht Prozent Heizkosten sparen – je nach vorherigem Verhalten.

Es gibt aber noch mehr Möglichkeiten: Digitale Thermostate an den Heizkörpern können mit einem Sensor am Fenster kommunizieren. Wird dieses geöffnet, wird die Raumtemperatur automatisch gesenkt. Oder das Smart Home fährt bei einer bestimmten Sonneneinstrahlung selbstständig Rollläden zur Verschattung herunter.

Technik managt die Energienutzung in Haus und Garage

Die Technik kann aber noch mehr, bis hin zur Übernahme des gesamten Energiemanagements eines Hauses, sagt Öhrke. So lässt sich etwa zentral steuern, wann bestimmte Geräte ihren Strom aus dem Netz ziehen, um die Energienutzung möglichst effizient zu gestalten.

Eine Frau schaltet einen Rasenmäherroboter ein.

Moderne Mähroboter pflegen Rasenflächen so gut wie selbstständig, erkennen Steigungen und fahren bei Regen zurück zu ihrer Station.

| Stiehl

Das hat Auswirkungen bis in die Garage, denn es bezieht auch das Thema Elektromobilität mit ein. So hat zum Beispiel Schneider Electric eine Wallbox in sein Smart-Home-System Wiser integriert. Über eine App hat der Nutzer Überblick über den Energieverbrauch der Ladestation und kann die Ladevorgänge per Zeitplan steuern. Das System lässt sich außerdem mit einem sogenannten Peak Controller ausstatten, der den Stromverbrauch des Wohnhauses kontrolliert. Abhängig von den verfügbaren Kapazitäten passt der Lastspitzenregler die von der Wallbox an das Fahrzeug abgegebene Leistung an und unterbricht den Ladevorgang, sobald die maximale Leistung des Hausanschlusses überschritten wird.

Richtig schlau wird das Smart Home aber mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI). Statt lediglich zuvor definierten Regeln zu folgen, denkt die Technik dank KI selbst mit. Beispiel dafür sind die digitalen Thermostate des Anbieters vilisto aus Hamburg. In diese sind drei Sensoren verbaut, die Schall, Licht und Bewegung registrieren. Damit kann das System erkennen, ob sich in einem Raum Personen aufhalten oder nicht und ob folglich Wärme benötigt wird. Dazu werden die Daten aus den Thermostaten verschlüsselt an die Online-Plattform von vilisto übergeben. Dort verarbeitet eine KI die Informationen dann für eine optimale Beheizung der Räume. Zwei Wochen braucht das System, um trainiert zu werden. Danach kümmern sich die intelligenten Algorithmen um die Einstellung der Thermostate. Das System lernt aber stetig weiter und registriert zum Beispiel Änderungen im Nutzungsverhalten, die wiederum eine Anpassung der Heizzeiten zur Folge haben.

Das Schweizer Start-up viboo will mit Hilfe von KI die Heizungssteuerung sogar vorausschauend machen. Es bietet einen Service an, der durch selbstlernende Algorithmen den Wärmebedarf von einzelnen Räumen prognostiziert und die Heizkörper entsprechend regelt. Grundlage für die Berechnung sind Wettervorhersagen und die thermischen Eigenschaften des Gebäudes. Auch die Belegung der Räume wird in die Berechnung miteinbezogen, „zurzeit per direkter Eingabe der Heizpläne durch das Facility Management“, erklärt Felix Bünning, Mitgründer und CEO von viboo. In Kürze werde es aber eine neue Funktion geben, bei der die Belegung automatisch durch Analyse der Luftfeuchtigkeit erkannt wird.

Sowohl vilisto als auch viboo zielen mit ihrem Angebot auf Nichtwohngebäude. Denn erst ab einer gewissen Zahl beheizbarer Räume rechnet sich eine solche Automatisierung. Dafür locken beide Unternehmen mit Energieeinsparungen, die zwischen 20 und 40 Prozent liegen.

Mit smarten Technologien soll das Leben leichter werden

Die Beispiele zeigen, wie KI die smarte Steuerung von Gebäuden voranbringen kann. „Künstliche Intelligenz wird immer mehr zum zentralen Element des Smart Home, indem sie aus Nutzerinteraktionen lernt und individuell zugeschnittene Automatisierungen sowie Lösungen bietet“, sagt Sahin Albayrak, Professor für Agententechnologien an der TU Berlin und Leiter des DAI-Labors, das sich mit smarter Technik in vielen verschiedenen Bereichen beschäftigt. Die Branche befinde sich in einer transformativen Phase, so Albayrak, „bei der die Technologie nicht nur Alltagsaufgaben vereinfacht, sondern auch die Lebensqualität durch Anpassung an die individuellen Bedürfnisse und Lebensstile der Benutzer signifikant verbessert“.

Mit ihren Innovationen fokussieren sich viele Anbieter jetzt also nicht mehr nur auf zählbaren Nutzen durch das Smart Home wie etwa Energieeinsparungen. Die Technik soll den Menschen das Leben erleichtern. Dazu zählen zum Beispiel Aufgaben in der Küche. VDE Experte Sven Öhrke weiß von Backöfen namhafter Hersteller, die dank KI erkennen, wann ein Kuchen oder ein Braten perfekt gegart ist.


Nutzer bedient ein Tablet mit einer Ernährungsapp

Digitale Ernährungsassistenten bieten nicht nur Rezepte auf Basis vorhandener Zutaten an, sondern kennen auch Vorlieben und etwaige Allergien der Hausbewohner. 

| Miele

Und Samsung hat einen Kühlschrank entwickelt, der ebenfalls mit KI und einer internen Kamera ausgerüstet ist. Damit identifiziert die Technik bis zu 33 verschiedene Lebensmittel, die in den Kühlschrank gelegt oder aus ihm entnommen werden. Das System kann dem Nutzer dann Rezepte vorschlagen, die zu den Zutaten passen.

Auch Hersteller Miele will Menschen das Kochen vereinfachen. Mit der Funktion MealSync arbeiten die vernetzten Küchengeräte optimal aufeinander abgestimmt zusammen. Dazu ein Beispiel: Zu einem Gericht aus dem Backofen sollen Beilagen aus dem Dampfgarer serviert werden. Der Backofen startet zeitversetzt nach dem Dampfgarer – alle Speisen sind so zur festgelegten Zeit fertig, ohne dass man selbst groß herumrechnen muss. Das System soll Ende dieses Jahres in ersten europäischen Ländern verfügbar sein.

Wie die Zukunft des Kochens aussieht, erprobt Miele außerdem in seinem Food Lab bei Brüssel. Dort testet der Hersteller zusammen mit über 80 Partnerunternehmen, wie sich digitale Technik, KI und die hauseigenen Küchengeräte miteinander kombinieren lassen.

Das Ergebnis sind unter anderem zwei Assistenzsysteme, die zurzeit als Prototypen vorliegen und die sich über Displays auf der Arbeitsplatte bedienen lassen. Das System mit der Bezeichnung Nutrition Assistant kennt die Lieblingsrezepte der Familienmitglieder, aber auch deren Unverträglichkeiten oder Vorlieben für bestimmte Lebensmittel. Auf dieser Basis erstellt das System Wochenspeisepläne und berücksichtigt, wer jeweils an den Mahlzeiten teilnehmen möchte.

Der digitale Assistent mit dem Namen Cooking Companion gibt dem Nutzer Hinweise, wann welche Zutaten in den Ofen gegeben oder die Pfanne auf dem Kochfeld vorgeheizt werden sollen. Einstellungen wie etwa Betriebsart und Temperatur steuert das System im Hintergrund.

Der Roboter mäht Rasen, schneidet Büsche – und macht bei Regen Pause

Intelligente Technik findet sich aber nicht nur im Haus selbst, sondern auch im Garten. Dass mobile Roboter den Rasen mähen, ist ja schon länger möglich. Die kleinen Helfer nehmen aber dank Sensoren ihre Umgebung mittlerweile so gut wahr, dass sie auch selbstständig auf diese reagieren können. Heißt konkret: Der Mähroboter iMOW von Stihl beispielsweise umfährt dank Ultraschallsensoren Hindernisse. Ein Neigungssensor erkennt, wenn sich das Gerät an einer Steigung befindet, und drosselt automatisch die Geschwindigkeit. Und wenn das Gerät per Sensor Regentropfen registriert, fährt es automatisch zurück in die Dockingstation. Erkennt der Roboter dann aufgrund seiner Sensoren, dass es wieder trocken ist, nimmt er das Mähen eigenständig wieder auf.

Und auch im Garten kommt wieder Künstliche Intelligenz zum Einsatz. Der Roboter Verdie des US-Anbieters Electric Sheep Robotics bewegt sich auf zwei Rädern fort und kann Rasen mähen, Kantenschneiden, Büsche kürzen sowie als Laubbläser eingesetzt werden. Dafür kann man die Geräte jeweils mit den entsprechenden Aufsätzen ausrüsten. Dank generativer KI kann er seine Aufgaben autonom erledigen.

Und nicht nur Menschen profitieren von den neuesten technischen Entwicklungen. Unter dem Schlagwort Pet Care hat zum Beispiel Samsung seine Smart-Home-Lösungen um Funktionen für Haustiere erweitert. Wenn es aus Sicht des Katzen- oder Hundebesitzers angebracht ist, lässt sich über das System beruhigende Musik für die Vierbeiner einspielen. Und wenn ein Nutzer mal nicht weiß, wo sich sein Haustier gerade aufhält, kann er auf die Hilfe der intelligenten Samsung-Geräte zurückgreifen. So kann er etwa dem smarten Staubsauger-Roboter JetBot AI+ den Befehl geben, in der Wohnung nach dem Tier zu suchen. Der Roboter, der mit einer Kamera ausgestattet ist, meldet sich im Erfolgsfall per App und macht eine Videoaufnahme von dem Vermissten.

Der Kleiderschrank wird zum individuellen Modeberater

Grenzen scheint es kaum zu geben. Laut Professor Albayrak können wir „noch einige bemerkenswerte Entwicklungen erwarten, die unsere Lebensweise weiter verändern werden“. Dazu zähle unter anderem die Integration von smarter Technologie in Möbel. „Dies könnte beispielsweise Sofas einschließen, die die Sitzposition automatisch anpassen, um Rückenschmerzen vorzubeugen, oder Kleiderschränke, die Kleidungsvorschläge basierend auf dem Wetter und geplanten Ereignissen machen“, so Albayrak. Assistenzsysteme werden außerdem Beleuchtung und Ton modulieren, um optimale Atmosphären für Entspannung oder gesellige Zusammenkünfte zu schaffen. Und auch das Schlafzimmer wird smart. „Technologien werden darauf abzielen, die Schlafqualität durch Steuerung von Licht und Ton zu verbessern, um ideale Bedingungen für Ruhe zu gewährleisten“, erklärt Albayrak.

Der Weg in eine solche Zukunft wird durch Standards geebnet. Denn damit alle Geräte in einem Smart Home – vom Backofen bis zur Wallbox – miteinander kommunizieren können, müssen sie auch eine gemeinsame Sprache sprechen. Eine wichtige Rolle in diesem Zusammenhang spielen die Kommunikationsschnittstelle EEBUS, die es schon relativ lange gibt, sowie das Übertragungsprotokoll Matter, das von vielen namhaften Herstellern wie Amazon, Google, Apple oder Bosch vorangetrieben wird. Sie ermöglichen die Interoperabilität von Smart-Home-Komponenten verschiedener Hersteller und sind die Grundlage dafür, dass sich diese zentral steuern lassen. Somit treiben sie die Entwicklung voran – hin zu einem Zuhause, in dem fast alle Aufgaben von der Technik erledigt werden.

Markus Strehlitz ist freier Journalist und Redakteur beim VDE dialog.


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