Batterie erneuerbare Energie Innovation EV Lithium
RareStock / stock.adobe.com
01.04.2024 VDE dialog

EU-Batteriepass: "Das gibt es bisher noch nirgendwo auf der Welt."

Das Projekt The Battery Pass unter der Leitung des Unternehmens Systemiq will beim Aufbau des EU-Batteriepasses unterstützen. Tilmann Vahle, der bei Systemiq für die Themen nachhaltige Automobilwirtschaft und Batterien zuständig ist, erklärt, welchen Wert der Pass für die Kreislaufwirtschaft hat und warum die Herausforderungen überwindbar sind.

Interview: Markus Strehlitz

VDE dialog: Sie haben das Projektkonsortium The Battery Pass gegründet. Was kann man sich darunter vorstellen?

Tilmann Vahle: Wir haben mit einem Konsortium aus Industrie und Wissenschaft ein Drei-Jahres-Programm entwickelt, um Unternehmen zu vermitteln, wie Batteriepässe entsprechend der EU-Batterieverordnung auszusehen haben. Denn es wird nicht nur einen Batteriepass geben, sondern viele. Das Ziel unseres Projektes ist es, Grundlagen zu erarbeiten, mit denen Firmen diese einfacher und effizienter umsetzen können. Dafür haben wir Leitlinien für die nötigen Inhalte, technische Anforderungen sowie einen technischen Demonstrator entwickelt. Außerdem erstellen wir Analysen, die aufzeigen sollen, welchen Wert der Pass für Unternehmen und die Wirtschaft haben kann. Wichtig ist: Wir entwickeln nicht den Batteriepass. Das können Technologieanbieter wie etwa Siemens, SAP oder Amazon besser.

Porträt von Tilmann Vahle, Director Sustainable Mobility and Batterie, Systemiq

Tilmann Vahle, Director Sustainable Mobility and Batteries, Systemiq

| Systemiq

Sie haben gesagt, es wird nicht nur einen Batteriepass geben, sondern viele. Das müssen Sie erklären.

Ab Februar 2027 wird für den Batteriepass für jede große Batterie, die in der EU verkauft wird, der sogenannte Economic Operator verantwortlich und haftbar sein – also die Organisation, welche die Batterien in Verkehr bringt. Bei Automobilbatterien beispielsweise ist das der Fahrzeughersteller, der das Auto verkauft, in dem die Batterie installiert ist. Also nicht die Batteriezellhersteller – das ist eine wichtige Unterscheidung. Bei stationären Batterien werden es die Systemanbieter sein, welche die fertige Batterie auf dem Strommarkt zum Beispiel dem Netzanbieter verkaufen. Wie er die Umsetzung angeht, bleibt ihm überlassen. Das bedeutet, ein Autobauer wie zum Beispiel Volkswagen wird eine eigene Lösung entwickeln oder entwickeln lassen können. BMW wird möglicherweise eine andere haben. BYD ebenso. Und so weiter. Aber wenn jeder seine eigene Lösung baut, wird es unübersichtlich und extrem teuer, weil ja jeder wieder von vorne anfängt. Daher haben wir versucht, für die inhaltlichen Methoden und die technischen Systeme Vorschläge zu unterbreiten, um eine harmonisierte Grundlage zu schaffen.


Wie beurteilen Sie denn den Batteriepass? Wird damit das Ziel erreicht werden, die Kreislaufwirtschaft zu unterstützen?

Ich denke schon. Dass zum Beispiel granulare CO2-Daten, die produktspezifisch sind, erhoben werden – das ist revolutionär. Das gibt es bisher noch nirgendwo auf der Welt. Und das ist für das Management von CO2 über Lieferketten hinweg wirklich ganz entscheidend. Weil es jetzt erstmals möglich sein wird, dass beispielsweise Automobilhersteller von den Batteriezellen-Herstellern abfragen können: „Wie viel CO2 hat denn diese Zelle jetzt als Rucksack an deinem spezifischen Produktionsstandort?“ Somit kann ein Unternehmen mit den CO2-Kosten viel aktiver und strategischer umgehen. Dass auch Konstruktionsskizzen und Daten zum Gesundheitszustand der jeweiligen Batterie im Batteriepass enthalten sein müssen, ist ebenfalls großartig. Gerade für die breite Masse von Reparaturwerkstätten. Diese wären sonst abhängig davon, dass ihnen die Automobilhersteller den Zugang zu diesen Daten gewähren.


Aber wie groß ist der Aufwand für die Unternehmen, der durch die Anforderungen des Batteriepasses entsteht?

Man hört zunehmend die Klage, dass der Batteriepass so viel zusätzlichen Aufwand erzeugt. Aber die meisten Daten, die im Batteriepass gefordert sind, werden ohnehin schon erhoben. Unter anderem aufgrund von Gesetzgebungen, die schon existieren – zum Beispiel der Regulierung für gefährliche Chemikalien, REACH, oder auch durch Anforderungen der Batterieregulierung selbst, etwa zum CO2-Fußabdruck. Auch Informationen zur Produktsicherheit müssen ohnehin schon vorgehalten werden. Nur werden jetzt diese Anforderungen eben in einem Gesetz zusammengefasst, digitalisiert und hoffentlich stärker harmonisiert.


Aber Unternehmen müssen nicht nur statische, sondern auch dynamische Daten im Batteriepass bereitstellen – also solche, die sich im Laufe des Lebenszyklus einer Batterie verändern.

Das sind aber nur wenige Punkte. Denn das, was sich über die Lebenszeit hinweg verändern kann, sind de facto nur die negativen Events wie etwa ein Unfall und der State of Health. Und die negativen Events werden jetzt bereits in Pkw ständig mitgeschrieben -schon allein aus Sicherheitsgründen. So werden zum Beispiel Unfälle von jedem neueren Auto festgehalten. Dafür braucht man jetzt keine neue Sensorik. Was wirklich dynamisiert passiert, ist der State of Health – also der aktuelle Lebenszyklus-Status. Wie dieser erhoben werden soll, ist noch eine methodische Frage, die gerade auf Ebene der UN weltweit harmonisiert wird.

Herausforderungen, die sich bewältigen lassen

Sehen Sie trotzdem Herausforderungen?

Ich sehe Herausforderungen in zwei Punkten. Der eine ist die Abbildung über die interne Software in großen Konzernen. Denn es ist ein sehr komplexes Unterfangen, bei einem großen Automobil- oder auch einem Batteriehersteller alle Datenpunkte über die verschiedenen Einheiten und Abteilungen hinweg zusammenzuführen. Aber diese Herausforderung lässt sich bewältigen. Schließlich gibt es ja Software-Lösungen, die so etwas bereits machen. Wenn Sie heute ein Auto über die Website eines Herstellers kaufen, löst das sofort eine komplexe Kaskade von Effekten auf die Daten in dessen Produktionssystem aus. Dagegen ist der Aufwand des Batteriepasses quasi trivial.


Und der zweite Punkt?

Einige der Daten müssen über verschiedene Akteure der Wertschöpfungskette hinweg erhoben werden. Und diese Ketten sind ja global integriert. Ein Unternehmen wie Volkswagen kauft seine Teile von Tausenden von Herstellern. Und diese haben wiederum Zulieferer, von denen ebenfalls Informationen eingeholt werden müssen. Wenn es um Themen wie kritische Rohmaterialien geht, ist das noch relativ einfach, weil die Daten ohnehin schon vorliegen. Aber wenn es um CO2 geht, wird es schon schwieriger. Es ist jedoch nichts grundsätzlich Neues, dass die Hersteller Anforderungslisten an ihre Zulieferer geben, die sie teilweise auch an ihre eigenen Zulieferer weiterreichen. Neue digitale Lösungen wie Catena-X reagieren schon auf diese Anforderungen, unabhängig vom Batteriepass. Hier erwarten wir große Synergieeffekte.


Große Unternehmen mögen dafür die nötigen finanziellen Mittel haben. Kleine und mittlere Firmen könnten überfordert sein.

Für diese soll es daher die Option geben, den Batteriepass als Dienstleistung von Service Providern einzukaufen. Damit sie nicht selbst ein entsprechendes System aufbauen müssen. Denn es ist ja bekannt, dass sich gerade die Mittelständler mit der Digitalisierung oft noch schwertun. Und ohne ein solches Serviceangebot hätten sie einen extremen Wettbewerbsnachteil gegenüber den großen Konzernen.


Das heißt, es gibt keine unüberwindbaren Hürden für den Batteriepass?

Wir haben ja in unserem Projekt einen Software-Demonstrator aufgebaut, der die inhaltlichen und technischen Anforderungen umsetzt, die wir aus der Regulierung abgeleitet haben. Das haben unsere technischen Partner innerhalb von drei Monaten geschafft. Wir wissen außerdem, dass auch die asiatischen Hersteller, die ja den Batteriemarkt dominieren, die Entwicklung schon berücksichtigen. Sie sind sich sehr bewusst, was auf sie zukommt. Und für diese Unternehmen ist es keine Raketenwissenschaft, ihren CO2-Fußabdruck zu erheben. Sie arbeiten bereits an den entsprechenden Systemen. CATL zum Beispiel hat schon auf der IAA 2023 einen Demonstrator für den EU-Batteriepass vorgestellt. LG Energy Solution ist als Supporting Partner von The Battery Pass nah an unserer Arbeit dran. Man kann sich sicher sein, dass 2027 alle Automobilhersteller und Batterieproduzenten einen vollständigen und rechtlich einwandfreien Batteriepass vorweisen können.

Kontakt
VDE dialog - Das Technologie-Magazin