Anschlüsse eines Steckersolargerätes, im Hintergrund ein Solardach
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01.01.2024 VDE dialog

Steckersolargeräte: Mit Norm und Siegel

Kleine Photovoltaik-Sets für zu Hause erleben in Deutschland einen Boom. Klare Standards gibt es bisher nicht, sodass hochwertige nur schwer von zweifelhaften Geräten zu unterscheiden sind. Mit der Zertifizierung nach der neuen Produktnorm für Steckersolargeräte soll sich das ändern.

Von Eva Augsten

Solarstrom selbst zu erzeugen, geht leicht. Ein Steckersolar-Set aus dem Internet oder dem Baumarkt kostet nur wenige hundert Euro. Je nach Montageart sind manche Systeme in weniger als einer Stunde aufgebaut. Einfach die Module auf dem mitgelieferten Montagesystem in der Sonne positionieren, ein paar Steckverbinder zusammenklicken, Stecker in die Dose – fertig. Angesichts der hohen Strompreise und der Mehrwertsteuerbefreiung für Photovoltaik-Produkte verkauften sich die Mini-PV-Systeme zuletzt so gut wie nie. Die genauen Zahlen sind schwer zu greifen. Im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur fanden sich bei Redaktionsschluss knapp 400.000 PV-Anlagen mit vier oder weniger Modulen, bei denen es sich zu einem Großteil um Steckersolargeräte handeln dürfte. Doch obwohl die Anmeldung rechtlich verpflichtend ist und sogar ein Bußgeld droht, wenn man es versäumt, produzieren viele der Steckersolarbetreiber ihren Strom weiterhin im Guerilla-Modus. Christian Ofenheusle von EmpowerSource, der die Entwicklung der Steckersolargeräte seit Jahren verfolgt, schätzt, dass im Sommer 2023 rund 1,5 Millionen Geräte in Deutschland am Netz waren. Grundlage dafür seien Gespräche mit den führenden Anbietern, erklärt er.

Erste Norm für Einspeisung in Endstromkreis

Durch ihre schiere Zahl sind die Steckersolargeräte zu einer Normalität geworden. Doch die Gewöhnung schafft noch keine sicheren Produkte. Mit den Steckersolarsystemen nehmen technische Laien immerhin auf eigene Faust ein Gerät in Betrieb, das Strom in einen Endstromkreis speist, der dafür weder konzipiert noch eigens abgesichert ist. Wie der Strom sicher in die Dose kommt, wurde daher 2016 erstmals in einer Novelle der Errichtungsnorm für Niederspannungsanlagen DIN VDE V 0100-551-1 (VDE V 0100-551-1) beschrieben. Ein Knackpunkt war dabei die Steckvorrichtung. Diese muss laut der Niederspannungsnorm die Nutzer davor schützen, einen elektrischen Schlag an den Kontaktstiften zu bekommen. Neben einem festen Anschluss sah die Norm dafür eine spezielle Energiesteckdose vor. Der Netz- und Anlagenschutz im Wechselrichter, der die Einspeisung stoppt, sobald er kein Frequenzsignal aus dem Netz mehr erhält, genügt hingegen nicht den grundlegenden Sicherheitsnormen zum Schutz vor elektrischem Schlag.

Eine zweite Neuerung aus jener Zeit war, dass auch elektrotechnische Laien die Anlagen bis zu einer Leistung von 600 Watt selbst beim Netzbetreiber anmelden durften. Für die Mini-PV-Systeme war die Novelle der Niederspannungsnorm ein Meilenstein, da das Einspeisen darin erstmals überhaupt normativ geregelt war. Da eine Norm keine Gesetzeskraft hat und es insbesondere in Einfamilienhäusern kaum Möglichkeiten gibt, das Einspeisen über einen Schutzkontaktstecker zu verhindern, ignorierten viele Steckersolar-Betreiber diesen Teil des Regelwerks.

Praxisnahes Siegel gefordert

Der VDE wollte diesen wenig zufriedenstellenden Zustand ändern und plädierte in einem Positionspapier Anfang 2023 für Vereinfachungen in verschiedenen Normen. Dazu sollte auch eine sichere Lösung gehören, um die Geräte an Schutzkontakt-Steckdosen anzuschließen. Wie das Steckersolarsystem aussah und ob Gebrauchsanleitung und Sicherheitshinweise beilagen, blieb bisher allerdings weitgehend den Herstellern überlassen.

Zwei Arbeiter montieren ein Solarpaneel auf dem Dach eines Wohnhauses

Das technische PV-Potenzial der Dachflächen liegt in Deutschland laut einer aktuellen Studie von Agora Energiewende bei stattlichen 409 GW.

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Häufig stellten sich Kunden nach Gutdünken selbst Montagesysteme, Wechselrichter und Module zusammen – nicht wissend, dass sie sich dabei in Haftungsfragen auf dünnes Eis begaben. Seriöse Steckersolar-Anbieter, Solarenergie-Organisationen und die Normungsfachleute des VDE waren sich daher schon lange einig, dass neben der Niederspannungsnorm auch eine Produktnorm hermusste. Doch bis diese auf dem Tisch lag, war es ein weiter Weg.

Drei Jahre lang, von August 2020 bis Juli 2023, diskutierten die Konsortiumsmitglieder des vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Projekts „SteckerSolar“ die Details der zukünftigen Produktnorm. Mit dabei waren neben der DKE unter anderem Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) sowie der Steckersolar-Anbieter indielux und SolarInvert. Die Veröffentlichung der Norm mit verbindlichen Aussagen zur Leistungsgrenze 600 oder 800 VA sowie zur viel diskutierten Steckerfrage wurde Anfang Januar erwartet.

Update: Weg zur Produktnorm

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Die Produktnorm für Steckersolargeräte ist lang diskutiert worden, im Dezember fand nun die Einspruchsberatung statt. Das zuständige Normungsgremium veröffentlicht Anfang 2024 eine überarbeitete Fassung mit dem Ziel, für die noch offenen Punkte einen Konsens zu erreichen. Das Einspruchsverfahren geht in eine neue Runde.

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Ein weiterer Kernpunkt der Produktnorm ist die sichere Befestigung, die bisher weitgehend den Nutzern überlassen blieb. Nun müssen die Anbieter eine Anleitung zur Montage mitliefern und nachweisen, dass die Montageart auch statisch geeignet ist.

Dass ein Steckersolargerät die neue Produktnorm erfüllt, können Anbieter von einem anerkannten Prüfinstitut wie dem VDE Institut zertifizieren lassen. Anhand des Zertifikats können Verbraucher so auf einen Blick erkennen, ob es sich um ein sicheres Gerät handelt. „Wer ein genormtes Gerät gemäß der Bedienungsanleitung nutzt, kann im Falle eines Schadens der Versicherung nachweisen, dass er nicht grob fahrlässig gehandelt hat“, erläutert Arnd Roth einen Vorteil für Verbraucher. Er ist als Technischer Leiter bei VDE Renewables auch für die Prüfung von Steckersolargeräten verantwortlich.

Stromerzeugung lohnt sich bei gutem Standort

Der VDE bietet bereits seit September eine Zertifizierung für Steckersolargeräte an, allerdings zunächst noch auf Basis des Normentwurfs vom Oktober 2022. Sobald die finalisierte Fassung der Norm vorliegt, soll die Zertifizierung nach den neuen Regeln starten. Bisweilen werden die Steckersolargeräte mit beeindruckend kurzen Amortisationszeiten beworben. Die Stromvergleichsplattform Verivox nennt zum Beispiel vier bis sechs Jahre, unter „idealen Bedingungen“. Dabei geht sie von einem Jahresertrag von 570 kWh aus, den ein 600-Watt-System bringen soll. Platziert man ein schräg aufgeständertes Modul zum Beispiel auf einem sonnigen Carport in Süddeutschland, ist das durchaus möglich. Wer ein günstiges Solarset erwischt und den Strom weitgehend selbst verbraucht, kann den Anschaffungspreis so schnell wieder einspielen.

leicht schräg angebrachte Solaranlage an einem Balkongeländer eines Wohnhauses

Nahezu senkrecht montierte Steckersolaranlagen an Balkonen mit leichter Verschattung hingegen liefern oft weniger Strom als erhofft.

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Doch in einer Wohnung im Mehrfamilienhaus kann man sich den Montageort nicht unbedingt aussuchen. Die HTW Berlin hat daher einen Steckersolar-Rechner entwickelt, mit dem sich die Stromernte im Voraus abschätzen lässt. Die Ergebnisse dämpfen die Euphorie etwas. Bei senkrechter Montage an einem Westbalkon und leichter Verschattung kommt der Rechner zum Beispiel zu dem Ergebnis, dass ein 600-Watt-Gerät etwa 309 kWh jährlich liefern wird. Je nach Lebensdauer, Strom- und Anschaffungspreis kann es sich aber auch so noch rechnen.

Ökologisch punkten mit Qualitätsprodukten

Während die finanzielle Amortisation je nach Standort dauern kann, stehen die Vorzeichen gut, dass sich die Anlage aus ökologischer Sicht schneller lohnt. Laut aktuellen Angaben des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE hat eine PV-Anlage aus monokristallinen Solarmodulen in Deutschland nach etwa 1,3 Jahren die Energie wieder eingespielt, die zu ihrer Herstellung nötig ist. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die PV-Module am Balkongeländer nur knapp die Hälfte des möglichen Ertrages einfahren, wird sich das Steckersolargerät energetisch in etwa drei Jahren amortisieren. Für Standard-Photovoltaikmodule haben sich mittlerweile Garantiezeiträume von 25 Jahren etabliert. Mikrowechselrichter-Hersteller, wie zum Beispiel Enphase, versprechen für ihre Geräte teilweise eine ebenso lange Lebensdauer.

Roth äußert allerdings Vorbehalte, dass man aus der Haltbarkeit konventioneller PV-Anlagen auf die Lebensdauer der Steckersolargeräte schließen könne, insbesondere angesichts des Preiskampfs der Anbieter. „Wir haben im Labor Wechselrichter geöffnet, in denen die elektronischen Bauteile nur für 25 Grad Umgebungstemperatur ausgelegt waren. Die Geräte sind dauerhaft auf dem Balkon angebracht und hohen Temperaturen ausgesetzt. Sie werden vermutlich schon nach wenigen Jahren nicht mehr funktionieren“, sagt er. Ein Qualitätssiegel, das diese Faktoren berücksichtigt, gibt es bisher nicht.

Das 9-Euro-Ticket der Energiewende

Rechnerisch betrachtet ist der Nutzen der Steckersolargeräte für die Energiewende begrenzt. Bis 2030 soll in Deutschland laut den Plänen der Bundesregierung eine PV-Leistung von 215 GW installiert werden. Selbst wenn in jedem vierten der 40 Millionen Privathaushalte in Deutschland ein Steckersolargerät mit 800 Watt angeschlossen würde, kämen so nicht mehr als 8 GW zusammen – das ist nicht nichts, aber deutlich weniger, als die hohe Aufmerksamkeit für die Geräte erwarten ließe. Sie punkten allerdings auf ähnliche Weise wie das 9-Euro-Ticket für den öffentlichen Nahverkehr: Sie sind greifbar und niederschwellig, bringen einen direkten Effekt für den Einzelnen und sorgen so bei vielen Menschen für Begeisterung. Ab 2024 sollen zudem neue Gesetze (bei Redaktionsschluss noch nicht verabschiedet) die Nutzung der Steckersolargeräte weiter vereinfachen. Unter anderem sollen sie in Wohnungseigentümergemeinschaften und Mietshäusern ähnlich privilegiert werden, wie es bereits bei Wallboxen für E-Fahrzeuge der Fall ist.

Eines der betreffenden Gesetzespakete, das Solarpaket I, schafft allerdings zugleich für Mehrfamilienhäuser die Möglichkeit, recht unkompliziert auf dem Dach gemeinsam Solarstrom zu ernten und diesen unter sich aufzuteilen. Der Vorteil: Auf dem Dach winkt in der Regel ein sonniges Plätzchen mit deutlich besseren Ertragsaussichten als an einem Balkongeländer. Das technische PV-Potenzial der Dachflächen liegt in Deutschland laut einer aktuellen Studie von Agora Energiewende bei stattlichen 409 GW. Im Gegenzug erfordert eine gemeinsame PV-Anlage auf dem Dach auch mit minimaler Bürokratie natürlich noch einiges an Planungsaufwand und Einigkeit. Ofenheusle von EmpowerSource sieht den größten Nutzen der Energiezwerge daher im niederschwelligen Einstieg: „Viele Menschen entscheiden sich zum Einstieg für ein günstiges Steckersolargerät. Nachdem sie damit Vertrauen in die eigene Energieerzeugung gewinnen konnten, folgt dann bald eine große Photovoltaikanlage.“


Eva Augsten ist freie Journalistin in Hamburg mit dem Schwerpunkt Erneuerbare Energien.

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