Seien wir einmal ehrlich: Haben wir nicht in Deutschland wertvolle Jahre auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft verschenkt? Und zwar aus technologischer, ökologischer und auch aus ökonomischer Sicht? Deutschland hatte – man denke an die 1990er-Jahre – als damaliger Vorreiter der regenerativen Energieerzeugung das Potenzial, Weltmarktführer zu werden. Chancen geopfert?
Es waren und sind "hausgemachte"" Gründe. Das sind der gesteuerte Niedergang der deutschen Solarindustrie, die nur träge Digitalisierung der Netze, der notwendige, aber im Genehmigungs-Dschungel steckende Netzausbau und die fachlich oft inkompetenten Diskussionen rund um den Verlust von stabilisierenden rotierenden Massen im Erzeugungssystem. Oder auch die Abstandsregeln für Windräder, ein ewiges Hin und Her um eine deutsche Wasserstoffstrategie und die nur träge durchsickernde Erkenntnis, dass auch der Wärme-, Transport- und der Industriesektor zwingend zu dekarbonisieren sind. Die Liste ließe sich fortführen. Die Konsequenz aus all dem: Heute scheinen es eher andere Nationen zu sein, die sich als Wegbereiter einer klimaneutralen Zukunft profilieren. Chancen verspielt?
Aus meiner Sicht ist es noch nicht zu spät, Deutschland im Zentrum Europas als Leitmarkt und Leuchtturm eines zukunftssicheren Energiesystems zu positionieren. Wir müssen nur wollen! Erneuerung heißt, in einer Change-Kurve den Tiefpunkt zu durchlaufen, dann aber sich bietende Gelegenheiten beim Schopfe zu packen, Kompromisse einzugehen und konsequent und mit einer klaren Fokussierung in die Umsetzung zu gehen. Chancen ergreifen!
In dieser Ausgabe beleuchten wir einige der vielen Aspekte rund um die Energiethemen der Zukunft: Welchen Herausforderungen müssen wir uns in Sachen Energiesystem aktuell stellen? Wie schaffen wir es, energieeffizienter zu werden – da Energie, die nicht verbraucht wird, nun einmal nicht produziert, transportiert, gewandelt oder bezahlt werden muss. Und wie kann der Consumer zum Prosumer werden? Denn verteilte Erzeugung muss endlich technologisch, regulatorisch und partizipativ umgesetzt werden – und zwar ohne die individuelle Sicherheit des Anwenders zu gefährden. All dies sind Themen, die den Kern unserer Arbeit bilden und bei denen der VDE einen wichtigen Beitrag leisten kann. Seien Sie gespannt!
Ihr Ansgar Hinz, VDE Vorstandsvorsitzender