Der Strom kommt aus der Steckdose. In wenigen anderen Ländern ist diese halbironische Aussage so zutreffend wie in Deutschland. Gerade mal für 12,7 Minuten war die Versorgung 2021 im Schnitt unterbrochen. Mit Themen wie Energieautonomie und sicherem Netzbetrieb ließ sich in den letzten Jahrzehnten kein Blumentopf gewinnen, und schon gar keine Wahl. Gegen billige fossile Brennstoffe einerseits und die Abneigung gegen Windräder andererseits kam selbst die breite Klimaschutzbewegung nicht so recht an.
Dann schickte Putin seine Panzer in die Ukraine und stellte Zug um Zug die Gaslieferungen ein. Plötzlich steht die Zukunft der Energieversorgung ganz oben auf der politischen Agenda. Ist der Ökostrom nun unsere Rettung? Können wir auf russisches Erdgas, Atomenergie, Öl und Kohle zugleich verzichten? Oder müssen wir nun alle hehren Klimaziele über den Haufen werfen, damit das Licht an bleibt?
Die gute Nachricht ist: Auch wenn die Energiewende seit Jahren stockt, sind die Grundlagen für ein deutlich unabhängigeres Stromsystem gelegt. Knapp die Hälfte des Stroms kommt in Deutschland aus erneuerbaren Energiequellen, im Jahr 2030 sollen es laut Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien 80 Prozent sein. Dass Wind und Sonne die Basis unserer künftigen Stromversorgung sein werden, ist keine politische Utopie mehr, sondern das Fundament, auf das Energieversorger und Netzbetreiber ihre Zukunftspläne gründen. Die Schwierigkeit der Energiekrise besteht also nicht in einer Änderung der Richtung, sondern darin, die eingerostete Maschinerie der Energiewende in kürzester Zeit und unter erschwerten Umständen auf Hochtouren zu bringen. „Lieferketten sind unterbrochen. Überall fehlen Mikrochips. Der Fachkräftemangel hat eine neue Qualität erreicht. Das sind keine Herausforderungen mehr, sondern echte Probleme“, sagt Dr. Thomas Benz, Geschäftsführer der Energietechnischen Gesellschaft im VDE (VDE ETG). Trotz allem ist er überzeugt, dass der Umstieg nicht nur gelingen muss, sondern auch kann, wenn die Politik nun die passenden Regeln vorgibt. „Technisch sind wir vorbereitet und haben die Lösungen weitgehend in der Schublade. Nur müssen wir eben auch handeln.“