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Konventionelle Energiegewinnung vs. Nutzung Erneuerbarer Energien

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01.01.2023 Publikation

Das Gleiche in Schnell

Strom von Wind und Sonne soll Deutschland aus der Energiekrise helfen. Doch das Tempo des Ökostromausbaus hat stark nachgelassen. Um es wieder zu steigern, müssen über Jahre aufgebaute Hürden aus dem Weg geräumt werden.

von EVA AUGSTEN

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Der Strom kommt aus der Steckdose. In wenigen anderen Ländern ist diese halbironische Aussage so zutreffend wie in Deutschland. Gerade mal für 12,7 Minuten war die Versorgung 2021 im Schnitt unterbrochen. Mit Themen wie Energieautonomie und sicherem Netzbetrieb ließ sich in den letzten Jahrzehnten kein Blumentopf gewinnen, und schon gar keine Wahl. Gegen billige fossile Brennstoffe einerseits und die Abneigung gegen Windräder andererseits kam selbst die breite Klimaschutzbewegung nicht so recht an. 

Dann schickte Putin seine Panzer in die Ukraine und stellte Zug um Zug die Gaslieferungen ein. Plötzlich steht die Zukunft der Energieversorgung ganz oben auf der politischen Agenda. Ist der Ökostrom nun unsere Rettung? Können wir auf russisches Erdgas, Atomenergie, Öl und Kohle zugleich verzichten? Oder müssen wir nun alle hehren Klimaziele über den Haufen werfen, damit das Licht an bleibt?

Die gute Nachricht ist: Auch wenn die Energiewende seit Jahren stockt, sind die Grundlagen für ein deutlich unabhängigeres Stromsystem gelegt. Knapp die Hälfte des Stroms kommt in Deutschland aus erneuerbaren Energiequellen, im Jahr 2030 sollen es laut Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien 80 Prozent sein. Dass Wind und Sonne die Basis unserer künftigen Stromversorgung sein werden, ist keine politische Utopie mehr, sondern das Fundament, auf das Energieversorger und Netzbetreiber ihre Zukunftspläne gründen. Die Schwierigkeit der Energiekrise besteht also nicht in einer Änderung der Richtung, sondern darin, die eingerostete Maschinerie der Energiewende in kürzester Zeit und unter erschwerten Umständen auf Hochtouren zu bringen. „Lieferketten sind unterbrochen. Überall fehlen Mikrochips. Der Fachkräftemangel hat eine neue Qualität erreicht. Das sind keine Herausforderungen mehr, sondern echte Probleme“, sagt Dr. Thomas Benz, Geschäftsführer der Energietechnischen Gesellschaft im VDE (VDE ETG). Trotz allem ist er überzeugt, dass der Umstieg nicht nur gelingen muss, sondern auch kann, wenn die Politik nun die passenden Regeln vorgibt. „Technisch sind wir vorbereitet und haben die Lösungen weitgehend in der Schublade. Nur müssen wir eben auch handeln.“

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Gas geben beim Systemumbau – oder lieber nicht?

Wie das Stromsystem der Zukunft aussehen kann, spielen Expertenteams immer wieder in Computermodellen durch. Die Gaskraftwerke sollen in den meisten dieser Modelle als „Brückentechnologie“ den flexiblen Gegenpol zur schwankenden Erzeugung aus Wind- und Solarenergie bilden. So ist es auch im Szenario „Klimaneutrales Stromsystem 2035“ des Thinktanks Agora Energiewende, das im Juni 2022 erschien. Beauftragt wurde das Szenario im Jahr davor, als die Energiepreise schon kräftig stiegen, aber noch kein Krieg mit Russland in Sicht war. Doch mittlerweile ist die Tragfähigkeit der Brücke „Erdgas“ für die nächsten Jahre ungewiss – und eine solide Alternativroute fehlt noch. Ein Kurzdossier aus dem Energiewende-Projekt Ariadne geht davon aus, dass das Erdgas-Angebot in Deutschland in den nächsten Jahren um rund 30 Prozent geringer ausfallen wird als vor der Krise. Dabei ist ein deutlich gesteigerter Import in flüssiger Form als Liquid Natural Gas (LNG) über Schwimmterminals und europäische Häfen bereits eingerechnet. 

Das 18-köpfige Autorenteam des Ariadne-Papiers rechnet damit, dass sich die Gasverstromung bis 2025 um bis zu 80 Prozent senken lässt. Zentral sei dafür, ältere Kohle- und Ölkraftwerke aus der Netzreserve und Sicherheitsbereitschaft zu mobilisieren. In den kommenden Jahren könnten einige von ihnen wieder in den normalen Strommarkt einsteigen, heißt es. Auch einige Kohlekraftwerke müssten dafür länger laufen als geplant.

Wer unabhängig von Gas sein will, braucht eine Alternative

Doch ähnlich wie Kontaktbeschränkungen in der Pandemie-Bekämpfung ist diese akute Krisenreaktion keine langfristige Perspektive. Weder ist sie mit dem Klimaschutz kompatibel, noch reduziert sie die Abhängigkeit. Deshalb brauche es auch Maßnahmen, die langfristig wirken, heißt es in dem Agora-Papier „Volle Leistung aus der Energiekrise“. Dazu zählt der Thinktank den Ausbau erneuerbarer Energien, die stärkere Elektrifizierung und mehr Effizienz. Gerade weil diese Maßnahmen erst zeitverzögert wirken, müssten sie umso schneller angegangen werden – ähnlich wie die Impfstoffentwicklung in der Corona-Pandemie.

VDE ETG Positionspapier „Zeit zum Handeln“

Mit dem Positionspapier „Zeit zum Handeln“ haben die Expertinnen und Experten des VDE ETG Fachbereichs „Erzeugung und Speicherung elektrischer Energie“ bereits 2021 ihre Kernaussagen zum Stromsektor zusammengefasst – und wie sie dessen Zukunft sehen. Demnach hat Deutschland prinzipiell ein ausreichendes Potenzial für eine erneuerbare Vollversorgung. Dennoch gehen die Expertinnen und Experten davon aus, dass zukünftig Energieträger auf Basis von erneuerbaren Energien international gehandelt und aus ökonomischen Gründen auch nach Deutschland importiert werden. Gleichzeitig werde die Sektorenkopplung immer wichtiger, um in allen Sektoren fossile Energieträger durch erneuerbare Energien zu substituieren. In einer Übergangsphase werde auch Erdgas für die planbar einsetzbare Erzeugung elektrischer Energie weiterhin erforderlich sein. Die Position wird durch Hintergrundpapiere technisch konkret ergänzt, wie zuletzt mit Veröffentlichungen im November 2022 zum Betrieb und zur Stabilität des Gesamtsystems und zum Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung. 

VDE ETG Positionspapier „Zeit zum Handeln – für eine zukunftsfähige Energiestrategie“


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Der Aufbau einer Infrastruktur für Wasserstoff ist eine solche Maßnahme, die zeitverzögert wirkt. Der Ruf nach dem Wundermittel wird laut, sobald es um den Ersatz von fossilen Brennstoffen geht. „Aus der Gasverstromung ganz auszusteigen, ist erst realistisch, wenn wir einen Ersatz in Form von Wasserstoff haben“, sagt Dr. Benz von der VDE ETG. Dementsprechend fordert auch das Agora-Papier, Gaskraftwerke, die heute noch nötig sind, für eine schnelle Umrüstung vorzubereiten. „Wasserstoff hat im Vergleich zu fossilen Energieträgern den Vorteil, dass er sich in viel mehr Ländern gewinnen lässt. In Europa gibt es große Pläne in Schottland, Skandinavien, auf der iberischen Halbinsel und Osteuropa. Außerhalb Europas kommen unter anderem Länder in Nordafrika oder Kanada infrage. Das bedeutet, dass Energiepartnerschaften diversifiziert werden können und neue Partnerschaften auf Augenhöhe entstehen können“, sagt Andrea Appel, VDE Projektleiterin Wasserstoff.

Doch klimafreundlich hergestellter Wasserstoff ist bisher ähnlich knapp wie die COVID-19-Impfstoffe im Frühjahr 2021. Mit grünem Strom betriebene Elektrolysekapazitäten sind gerade erst im Aufbau. Ändern wird sich das den meisten Modellrechnungen zufolge um das Jahr 2030. Dann sollen allein in Deutschland Elektrolyseure mit zehn Gigawatt Gesamtleistung grünen Wasserstoff herstellen. Die Europäische Union, die sonst hinter jedem Zuschuss für Industrieprojekte mögliche Wettbewerbsverzerrungen wittert, winkte im Sommer 2021 mehr als 60 Wasserstoffprojekte mit hohen Förderungen des Bundeswirtschaftsministeriums durch. Sie gelten als „wichtige Projekte im gemeinsamen europäischen Interesse“, kurz IPCEI. Im Sommer 2022 kamen gut 40 weitere hinzu. Und die Wüstenenergie-Initiative Dii Desert Energy, die aus dem Desertec-Projekt hervorging, verspricht, bis 2030 mehr als zehn Millionen Tonnen grünen Wasserstoff jährlich nach Europa liefern zu können. Das entspricht etwa der Hälfte des Bedarfs, den der REPowerEU-Plan zu jenem Zeitpunkt in Europa erwartet. Die andere Hälfte soll Europa selbst erzeugen. Das Nadelöhr dabei ist der Ausbau der erneuerbaren Energien im großen Stil.

Angesichts der steigenden Energiepreise und des politischen Rückenwinds müsste der Ausbau der Wind- und Solarenergie mittlerweile ein Selbstläufer sein. Tatsächlich bestätigen Branchenverbände und andere Fachleute eine neue Dynamik. „Erneuerbare Energien sind zu einer Doppellösung geworden, für das Klima und die fossile Krise“, sagt Wolfram Axthelm, Geschäftsführer des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE).

Die Auftragsbücher der Installationsbetriebe sind voll, das Limit sind derzeit Engpässe bei der Lieferung von Komponenten und fehlende Fachkräfte. Für viele Privatleute und Unternehmen lohnt es sich, Sonnenstrom für den Eigenbedarf zu erzeugen, in manchen Bundesländern sind sie dazu sogar verpflichtet. Im Vergleich zum Vorjahr haben die Neuinstallationen merklich zugelegt. Knapp fünf Gigawatt Photovoltaikanlagen gingen von Januar bis September 2022 neu ans Netz, etwa ein Fünftel mehr als im selben Zeitraum des Vorjahres. Doch das ist noch lange nicht genug. Um 2035 ein klimaneutrales Stromsystem zu erreichen, wird sich der jährliche Zubau laut dem Agora-Szenario bis Mitte des Jahrzehnts etwa verdreifachen müssen.

Der Ausbau von Solar- und Windparks stockt

Dafür werden auch große Solar- und Windparks nötig sein. Deren Ausbautempo will die Bundesregierung zwar mit höheren Zielzahlen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) deutlich steigern, doch bisher klappte das noch nicht so recht. Im Juni 2022 sollten zum Beispiel Photovoltaik-Freiflächenanlagen mit einer Leistung von 1125 Megawatt per Ausschreibung einen Zuschlag für die EEG-Förderung erhalten. Doch das Interesse war so gering, dass die Bundesnetzagentur nach Abzug fehlerhafter Angebote nur Zuschläge für knapp 700 Megawatt vergeben konnte. Bei der Windenergie-Ausschreibung im Oktober für 1320 Megawatt kamen nur Projekte mit 772 Megawatt zusammen. Ein Problem ist dabei, dass die Projektentwickler bis zum Bauch in einem Bodensatz aus „Wenn und Aber“ stecken, die sich in Form von Paragrafen und Regelwerken über die Jahre angesammelt haben. Laut dem Bundesverband WindEnergie (BWE)dauert es im Schnitt vier bis fünf Jahre, bis ein Windpark geplant und genehmigt ist. Nun ist allerdings noch eine neue Schwierigkeit hinzugekommen: Einkaufspreise und Zinsen sind auch in der Wind- und Solarbranche stark gestiegen, der Höchstpreis für die Gebote ist allerdings festgelegt. Einnahmen, die im vorigen Jahr noch komfortabel schienen, lassen Projekte heute unwirtschaftlich werden.

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Auch beim Bau und Betrieb der Stromnetze hat sich die Realität schneller verändert als die Regeln. Windparks in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg könnten seit Jahren deutlich mehr Strom einspeisen, als die Netze der dünn besiedelten Regionen abtransportieren können. Trotzdem geht der Netzausbau schleppend voran. Über die SuedLink-Trasse von Thüringen nach Bayern wird seit mehr als zehn Jahren gestritten. Bis heute, drei Jahre nach dem Netzausbaubeschleunigungsgesetz, ist sie gerade mal in die zweite von sechs Genehmigungsstufen vorgerückt. Und die Genehmigung der sogenannten Uckermark-Leitung, die Strom aus dem Nordosten nach Berlin bringen soll, dauerte laut dem Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz ganze 17 Jahre. Nahezu gleiche Sachverhalte seien immer wieder geprüft worden, heißt es aus dem Unternehmen. Mittlerweile ist zumindest der erste Abschnitt in Betrieb.

In der Energiekrise schmerzt es nun doppelt, wenn auf der anderen Seite des Netzengpasses ein fossiles Kraftwerk anspringen muss, um abgeregelten Windstrom zu ersetzen. Hinzu kommt, dass sich Technologien, Energiemärkte und politische Vorgaben heute so schnell ändern, dass die Netzplanung oft veraltet ist, bevor der erste Mast steht. Das Agora-Szenario für ein klimaneutrales Stromsystem geht davon aus, dass bis zu 50 Prozent mehr Leitungskilometer gebaut und verstärkt werden müssen als bisher vorgesehen. Es könnte aber auch ganz anders kommen – zum Beispiel, wenn sich Menschen vor Ort weiterhin gegen Windparks wehren, wenn dezentrale Elektrolyseure den Windstrom schon vor dem Engpass zu Wasserstoff umwandeln oder wenn stattdessen Wasserstoff aus der Wüste das Erdgas weitgehend ersetzt. Das Projekt UPTAKE, in dem das Fraunhofer IEE, Öko-Institut und die RWTH Aachen mit dem Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz kooperierten, adressiert genau diese Unwägbarkeiten. Die Projektpartner raten dazu, die Entwicklung präzise zu beobachten und eine gewisse Fehlbarkeit in die Planungen einzubeziehen. Netzplanung müsse mehr Aspekte einer Vorsorge für verschiedene, wahrscheinliche Szenarien enthalten. „Früher war ein vorsorglicher Leitungsbau eher üblich. Heute müssen die Netzbetreiber vor der Bundesnetzagentur jeden zusätzlichen Euro rechtfertigen, wenn sie eine Leitung mit mehr Reserven planen wollen“, erklärt Dr. Benz. Der Vorschlag aus dem Projekt UPTAKE, der in ähnlicher Form auch in dem Agora-Papier auftaucht, wäre also ein Paradigmenwechsel.

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Ein Gleichgewicht mit vielen Variablen

In den letzten Jahren und Monaten haben sich neben der räumlichen Schieflage im Netz noch weitere Stressfaktoren für das Stromsystem verschärft. Auf der einen Seite steigt – teilweise ganz im Sinne der Energiewende – der Strombedarf: Wärmepumpen verkaufen sich schneller, als die Monteure schrauben können. Förderungen für Elektro-autos, Ladesäulen und Wallboxen führten in den letzten Jahren zu einer Auftragsflut. Frankreich braucht im Winter Strom aus Deutschland, weil seine Atomkraftwerke an Altersschwäche leiden. Auf der anderen Seite ist das Angebot an Strom und gesicherter Leistung geschrumpft: Die hiesigen Kernkraftwerke gehen im Frühjahr in den Ruhestand. Kohle- und Wasserkraftwerke arbeiten eingeschränkt, weil in den Flüssen zu wenig Wasser fließt. Und neue Spitzenlastkraftwerke hat in Deutschland schon seit Jahren niemand mehr gebaut, weil nicht absehbar war, ob sie sich jemals lohnen würden.

„In dieser Lage zahlt es sich aus, dass das deutsche Stromsystem zusätzlich zum Gürtel noch mehrere Hosenträger besitzt“, sagt Dr. Benz. Zeitweise Importe von Wasserkraft aus Österreich, Netz-, Kapazitäts- und Sicherheitsreserven sowie gesteuert abschaltbare Lasten können kritische Situationen abfedern. Auch wenn diese Netz-Hosenträger schon lange nicht mehr so unter Spannung standen wie heute, zeigt der jüngste „Stresstest“ der Übertragungsnetzbetreiber: Gemeinsam halten sie.

Zugleich gab es noch nie so viele technische Möglichkeiten wie heute, in den kritischsten Stunden des Jahres schnell und effektiv für Entlastung zu sorgen. Die Verteilnetzbetreiber könnten dabei in Zukunft eine deutlich größere Rolle spielen, indem sie dezentrale Erzeuger und Verbraucher gezielt ansprechen. Die wohl bekannteste Option: Indem man Elektroautos, Wärmepumpen und andere flexible Einheiten steuert, könnte man Lastspitzen deutlich gezielter managen, als das heute geschieht. Je nach Situation könnten diese Verbraucher auf das Stromangebot oder die Netzauslastung reagieren. Bei Wärmepumpen ist das zumindest in einfacher Form Realität. Sogenannte Zweitarifzähler bilden das Angebot am Strommarkt ab, und mit günstigeren Netzentgelten revanchieren sich die Netzbetreiber dafür, die Wärmepumpen stundenweise abschalten zu dürfen. Das Potenzial der Elektroautos und anderer flexibler Verbraucher in den Haushalten liegt hingegen noch komplett brach. Das Energiewirtschaftsgesetz sieht zwar schon seit Jahren vor, dass sich die Ladeleistung vom Netzbetreiber begrenzen lassen soll. Doch im Falle der Elektroautos blieb das Wirtschaftsministerium in der vorigen Legislatur die Verordnung schuldig, die die Details hätte regeln sollen. Auch die Zulassung und der Rollout der Smart Meter, die für eine einheitliche und sichere Schnittstelle für die Ansteuerung sorgen sollten, stockt seit vielen Jahren. Manche E-Autos könnten sogar Strom ins Netz zurückspeisen. Ohne Einbußen für die Verfügbarkeit ließen sich so 1500 Euro pro Fahrzeug jährlich verdienen, haben The Mobility House und Audi in einem Feldtest ermittelt. Doch die mobilen Batterien zählen rechtlich nicht als Stromspeicher, sondern als Endverbraucher. Selbst wenn der Strom ins Netz zurückfließt, würden die Betreiber also auf Umlagen und Abgaben sitzenbleiben. So würden aus zusätzlichen Einnahmen zusätzliche Kosten. Und so ist diese Flexibilitätsressource bisher ungenutzt.

Die Zeiten für feste Pläne sind vorbei

Schnellere Genehmigungen, mehr erneuerbarer Strom, netzdienlich gesteuerte Elektrolyseure und Wasserstoffimport, intelligente Wärmepumpen und Wallboxen sowie starke, intelligente Stromnetze sind zentrale Aspekte, um das Stromsystem auch in Zukunft stabil zu halten. Viele weitere kommen noch dazu: Damit in einer Dunkelflaute genügend Kraftwerksleistung bereitsteht, muss es sich lohnen, diese zu bauen, auch wenn sie nur wenige Stunden im Jahr gefragt sind. Damit all die dezentralen Erzeuger und Verbraucher miteinander kommunizieren können, braucht es sichere Schnittstellen. Damit die Abhängigkeit nicht von den Brennstoffimporten auf die Importe von Solarmodulen und Steuerungen verlagert wird, braucht es eine europäische Wertschöpfungskette. Damit jemand all diese innovativen Technologien einbauen kann, braucht es deutlich mehr Fachkräfte.

All diese aufgestauten Aufgaben muss die Politik zusammen mit den zuständigen Branchen nun zügig abarbeiten. Die technischen Möglichkeiten sind erforscht, die Argumente für verschiedene Herangehensweisen vielfach aufgezählt und auch die Komplexität des Themas scheint bei den Akteuren endlich angekommen. Nun gilt es, Entscheidungen zu treffen – in dem Wissen, dass sie nicht perfekt sein können, da sämtliche Variablen des Systems ständig in Bewegung sind.


EVA AUGSTEN ist freie Journalistin aus Hamburg mit dem Schwerpunkt Erneuerbare Energien.

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"Oft wird Dezentralität immer noch mit kleinräumiger Autarkie gleichgesetzt." Prof. Dr. Jochen Kreusel ist Market Innovation Manager bei Hitachi Energy und Mitglied des VDE Präsidiums

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01.01.2023 Publikation

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