Smartmeter: nach mehr als 15 Jahren Entwicklung endlich auf dem Markt
Diese Idee ist nicht neu. Schon vor 15 Jahren sprach man zum Beispiel von Smartmetern, von intelligenten Stromzählern, die über einen Router mit dem Stromnetz kommunizieren sollten. Eine der ersten griffigen Ideen bestand darin, dass die Smartmeter künftig elektrische Geräte starten könnten, wenn der Strom an den Energiebörsen billig sei. Doch die Kunden waren lange Zeit nicht sicher eingebunden. „Der Anspruch an die Smartmeter war hoch“, sagt Prof. Sebastian Lehnhoff, Vorstandsvorsitzender des OFFIS-Instituts für Informatik in Oldenburg. „Sie sollten zugleich vieles können.“ Sie sollten sich beispielsweise nicht nur nach dem Strompreis richten, sondern auch dazu beitragen, das Stromnetz zu stabilisieren. Zudem sollten sie sicher gegen Hackerangriffe sein und Daten verschlüsselt übertragen. Außerdem war lange unklar, wie man den Datenschutz umsetzen sollte. Man befürchtete, dass Smartmeter viel über das Verhalten der Hausbewohner verraten könnten. Lehnhoff: „Die Entwicklung hat extrem lange gedauert. Es war ein schwieriger Prozess.“
Mittlerweile ist Bewegung ins Ortsnetz gekommen. Trafos werden mit Sensorik und Schnittstellen für die Kommunikation ausgestattet. Zudem sind Smartmeter auf dem Markt, die vielseitig einsetzbar und sicher sind. „Seit etwa zwei Jahren kommt diese Technik deutlich schneller in die Fläche als in den Jahren zuvor“, sagt Sebastian Lehnhoff.
Die Roadmap „Zum Klimaschutznetz bis 2030“, die das Forum Netztechnik / Netzbetrieb im VDE (VDE FNN) Ende März vorgestellt hat, konkretisiert dies. Das zentrale Element für klimaneutralen Strom sei demnach ein intelligentes Messsystem, das Kundenanwendungen wie Wärmepumpen oder Wallboxen gezielt steuert. Der Stromverbrauch müsse in solche Stunden verschoben werden, in denen viel erneuerbare Leistung zur Verfügung stehe. „Die Technik für die Infrastruktur steht. Der Rollout läuft“, heißt es in der Roadmap. „Offen ist jedoch, wer welche Rechte und Pflichten hat und welche Anreize zum Mitmachen für den Endkunden gesetzt werden.“
Schwärme von Batterien und Ladesäulen – so wertvoll wie ein kleines Kraftwerk
Wie attraktive Lösungen für mehr Intelligenz im Ortsnetz aussehen können, zeigt ein Projekt, das Lehnhoffs OFFIS-Kollegin Prof. Astrid Nieße leitet. Sie ist Bereichsvorstand Energie und hat zusammen mit dem Start-up-Unternehmen be.storaged sogenannte Software-Agenten für Batteriespeicher entwickelt, wie sie beispielsweise an E-Auto-Ladesäulen verwendet werden. Um die Elektromobilität auch in schwach ausgebauten Stromnetzen zu fördern, ist es sinnvoll, Ladesäulen mit einer Batterie auszustatten, aus der E-Autos bei Problemen im Netz geladen werden. Die Software-Agenten erweitern diese simple Funktion der Batterie um ein interessantes Element: Sie machen den Speicher fit für den Stromhandel – und schaffen damit ein ganz neues Geschäftsmodell. Ist der Strompreis gerade hoch, gibt der Agent Befehl, den Strom aus der Batterie zu verkaufen. Ist der Strompreis niedrig, lädt sich die Batterie. Besonders ist, dass die Agenten miteinander kommunizieren. Sie verknüpfen viele Batteriespeicher in einer Region zu einem Schwarm. Dieser Schwarm agiert als Ganzes und kann in Summe entsprechend große Strommengen anbieten oder abnehmen. Die intelligenten Software-Agenten können künftig auch das typische Nutzungsprofil der Ladesäule erlernen – an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten die E-Autos wieviel Strom laden. Die Agenten können daraus ableiten, wann wie viel Strom an das Netz abgegeben werden kann. Letztlich fungiert dieser Ladestationen-Schwarm wie ein kleines Kraftwerk im Stromnetz. Damit kann er künftig auch für die bundesweite Kraftwerksplanung eingesetzt werden – den Dispatch. Beim Dispatch stimmen sich alle Kraftwerksbetreiber in einer Region am Vortag darüber ab, welches Kraftwerk wie viel Strom zur Verfügung stellen wird. Berücksichtigt werden dabei der zu erwartende Strompreis und die Kosten des Kraftwerks – etwa für Kohle oder Erdgas. Das Ergebnis des Dispatchs ist ein genauer Fahrplan aller Kraftwerke, der besagt, wann welches Kraftwerk angeschaltet wird, wie lange es Strom einspeist und auch mit welcher Leistung es arbeitet. Dank der Verknüpfung zu einem Schwarm können künftig auch die Batteriespeicher für den Dispatch genutzt werden.
Sollte eine Ladesäule einmal keinen Strom liefern können, weil die Batterie zu schwach geladen ist, regeln die Agenten automatisch, welche Ladesäule mehr Strom liefert. „Der große Vorteil dieser verteilten Intelligenz besteht darin, dass die Technik robuster als eine große Leitzentrale ist, die alles kontrolliert“, sagt Astrid Nieße. Falle die Zentrale aus, stünde das ganze System still. Beim Agenten-Konzept fielen höchstens einzelne Agenten an den Ladesäulen aus. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass beim Agenten-Konzept nicht Unmengen von Daten zwischen einer Zentrale und Hunderten von Säulen hin- und hergeschickt werden müssen, weil sich die Agenten direkt untereinander abstimmen. Solche Ansätze zur Datenverarbeitung vor Ort seien entscheidend für das intelligente Stromnetz der Zukunft, weil sie dazu beitragen, den Datentransport zu verringern.