Abbildung einer Testanlage im Hamburger Hafen

Die Magnetschwebetechnologie soll eines Tages auch für öffentliche Nahverkehrssysteme eingesetzt werden. Premiere feierte das von Max Bögl entwickelte TSB Cargo System zunächst auf einer eigens dafür errichteten Demonstrationsanlage anlässlich des ITS World Congress 2021 in Hamburg. Dort wurde es erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. 

| Max Bögl Bauservice GmbH & Co. KG
03.01.2022 Publikation

Zurück in die Zukunft

Seit dem Scheitern des Transrapid war es ruhig geworden um Magnetschwebebahnen. Nun verspricht ein innovatives System das Comeback einer Zukunftstechnologie, die im Personen- und Güterverkehr eine emissionsfreie und geräuscharme Ergänzung zu den herkömmlichen Verkehrsmitteln darstellt.  

Von Markus Strehlitz

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Magnetschwebetechnik

Auf einer grauen Hochbahntrasse ist die Simulation einer schwarz/weißen Magnetschwebebahn
Max Bögl Bauservice GmbH & Co. KG

„Unsere Technologie ist kein Transrapid 2.0“, stellt Dr. Bert Zamzow gleich zu Beginn klar. Zamzow leitet den Geschäftsbereich, der sich in der Firmengruppe Max Bögl mit der Entwicklung des TSB beschäftigt. Die drei Buchstaben stehen für Transport System Bögl. Damit will das Unternehmen der Magnetbahntechnologie zum Durchbruch verhelfen, nachdem diese 2008 mit dem Transrapid schon gescheitert schien.

Doch mit diesem habe das TSB eben nur wenig gemein, so Zamzow. Lediglich das grundlegende Prinzip sei das Gleiche. Das TSB wird wie der Transrapid durch magnetische Kräfte, die zwischen Fahrzeug und Fahrweg wirken, in der Schwebe gehalten und elektrisch angetrieben. Das ermöglicht eine emissionsfreie und geräuscharme Fortbewegung.

Das System von Max Bögl ist jedoch auf den Nahverkehr ausgelegt – für eine Strecke von einem bis etwa 70 Kilometer. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 150 km/h. Der Transrapid war dagegen ein Fernverkehrssystem, das sich mit einem Tempo von 500 km/h fortbewegt hat. Beide Technologien hätten daher in etwa so viel miteinander zu tun „wie eine Straßenbahn mit einem ICE“, so Zamzow. Beim TSB liegen das Fahrwerk und seine aktiven Teile wie etwa die Leistungselektronik innerhalb des Fahrwegträgers – gekapselt durch 20 Zentimeter dicken Stahlbeton. Der Fahrweg umfasst also das Fahrwerk, beim Transrapid ist das umgekehrt. Zudem befindet sich der Antrieb beim TSB komplett im Fahrzeug. Linearmotoren sorgen für die Vortriebskraft.

Das Konzept bringt einige Vorteile mit sich. Da alle aktiven Komponenten mit Stahlbeton umhüllt sind, bewegt sich die Magnetbahn noch leiser als bei dieser Technologie sonst üblich. Und durch den Antrieb im Fahrzeug ist der Fahrweg, auf dem das TSB entlanggleitet, sehr simpel konstruiert. „Es gibt zwei Stahlschienen, an denen das Fahrzeug hängt. Und zwei Stromschienen versorgen den Motor mit 750 Volt Gleichstrom – wie bei einer Straßenbahn. Das wars“, erklärt Zamzow. 

Autonom, kostengünstig, umweltfreundlich

Die Infrastruktur lässt sich besonders schlank konstruieren, da das Magnetsystem die Lasten, die aus dem Fahrzeug kommen, gleichmäßig verteilt. Konkret hat ein Fahrwegträger eine Höhe von 1,20 Meter und eine Spannweite von 24 Metern. Damit wird für die Infrastruktur vergleichsweise wenig Material benötigt. Ein entscheidender Faktor, denn 70 Prozent der Kosten stecken bei spurgebundenen Verkehrssystemen in der Infrastruktur.

Das TSB lässt sich sowohl für den Personen- als auch für den Güterverkehr einsetzen. Welche Möglichkeiten das System im Cargo-Bereich eröffnet, konnte Max Bögl auf dem Verkehrskongress ITS in Hamburg zeigen. Innerhalb von sechs Monaten errichtete das Unternehmen im Hamburger Hafen eine Demonstrationsstrecke von 120 Metern. Auf dieser Strecke brachte das TSB Container zu einer Ladestation, wo sie dann von einem Lkw in Empfang genommen wurden.

Auf diese Weise könnte das TSB künftig Container von der Hafenkante zu einem Umschlagplatz im Landesinneren transportieren. Denn gerade beim individuellen Gütertransport auf Kurzstecken kann die Magnetbahn ihre Stärken ausspielen. Wie ein Lkw, der sonst dafür im Einsatz ist, kann sie Container einzeln transportieren. Im Vergleich zum Lastwagen erledige das TSB diese Aufgabe aber kostengünstiger und umweltfreundlicher, so Zamzow. Schätzungen von Max Bögl zufolge könnte das TSB für die Hälfte der Kosten arbeiten, die für einen Transport per Lkw zu veranschlagen seien. Auch der Personalaufwand ist geringer, denn das TSB fährt autonom.

Vorteile für Güter- und Personentransport

Hinzu kommt, dass das System keine Staus verursacht. Schließlich hat die Magnetbahn ihre eigene Fahrspur. Im Güterverkehr sind mit dem TSB Taktzeiten von 20 Sekunden möglich. Für die großen Seehäfen könnte die Magnetbahn von Max Bögl also eine interessante Alternative darstellen. Immerhin sind die internationalen Warenumschlagplätze nicht erst seit der Corona-Pandemie überlastet.

Auch beim Transport von Personen bietet das TSB Vorteile. Ursprünglich wurde das System sogar für diesen Zweck entwickelt. Die zugrunde liegende Technik bleibt die gleiche, nur der Aufbau ändert sich. Die Taktzeiten liegen in diesem Fall allerdings bei 80 Sekunden. Schließlich müssen die Fahrgäste noch genügend Zeit zum Ein- und Ausstieg haben. Im Personentransport könnte das TSB eine Ergänzung zu den bisher existierenden öffentlichen Verkehrsmitteln sein. Zamzow erläutert das am Beispiel München. Das dortige öffentliche Verkehrssystem sei nach wie vor im Wesentlichen ein sternförmiges Netz. Nun stelle sich die Frage, wie dieses in die Peripherie ausgedehnt und um tangentiale Verbindungen ergänzt werden könne. „Dafür bieten wir mit unserer Technologie eine durchaus konkurrenzfähige Alternative zu den klassischen Systemen“, sagt Zamzow. Da der Fahrweg für das TSB auf Stelzen steht, „zerschneiden wir keine Flächen, benötigen keine Bahnübergänge und behindern keine anderen Verkehrsteilnehmer“, so Zamzow.

China als attraktiver Zielmarkt mit viel Potenzial

Die Kosten für das TSB liegen beim Personentransport mit Fahrspuren in beide Richtungen laut Zamzow bei 30 bis 50 Millionen Euro pro Kilometer – inklusive Fahrzeugen, Infrastruktur, Bahnhöfen und Energieversorgung. Max Bögl bietet das System aus einer Hand an – neben den Fahrzeugen errichtet das Unternehmen auch den Fahrweg und stellt die Betriebsleittechnik. So sei gewährleistet, dass alle Komponenten optimal aufeinander abgestimmt sind, meint Zamzow. Beim Transrapid war dagegen ein Konsortium aus mehreren Firmen am Werk. Neben Max Bögl waren auch Siemens und Thyssenkrupp beteiligt. Die Kommunikation über Konzerngrenzen hinweg habe die Abstimmung erschwert.

„Da bei einem solchen System die Hauptkosten sowieso in der Infrastruktur liegen und wir als Baufirma darauf spezialisiert sind, erschien es uns sinnvoll, das Portfolio auch noch um die restlichen 30 Prozent zu erweitern“, erklärt Zamzow. Das habe auch den Vorteil, dass man bestimmte Dinge nicht nacheinander, sondern parallel angehen könne. So lässt sich ein entsprechendes Projekt schneller realisieren. „Wir sind in der Lage, innerhalb von zwei Jahren ab Baubeginn eine TSB-Anlage betriebsfertig zu übergeben“, sagt Zamzow.

Noch kann Max Bögl dies in keinem konkreten Projekt unter Beweis stellen. Derzeit laufen noch mehrere Studien, die das System hinsichtlich verschiedener Kriterien unter die Lupe nehmen. Dazu zählen etwa die Umweltverträglichkeit, Energieverbrauch und verschiedene Anwendungsfälle. Eine Studie für den Personennahverkehr im Münchner Umland hat laut Zamzow bereits sehr positive Ergebnisse geliefert.

Wo das erste TSB unter realen Bedingungen Personen oder Güter transportieren wird, ist noch unklar. Der Demonstrator in Hamburg musste im November wie vereinbart wieder abgebaut werden. Eine Demonstrationsstrecke, die in China errichtet wurde, ist dagegen bereits im Einsatz und wird zu Vorführungen genutzt. Max Bögl sieht in China großes Potenzial für die eigene Technologie. China sei ein Markt, der gegenüber neuen Technologien sehr aufgeschlossenen sei und in dem eine große Investitionsbereitschaft herrsche, heißt es in einer Pressemeldung des Unternehmens. Um diese Chancen zu nutzen, arbeitet Max Bögl dort mit einem lokalen Partner, dem Fahrzeughersteller Xinzhu, zusammen.

Wiederbelebung einer totgeglaubten Technik

Aber auch in Deutschland gibt es viele Anwendungsmöglichkeiten und schon etliche Städte haben Interesse bekundet. Das Eisenbahn-Bundesamt hat wesentliche Teile des Fahrzeugs und des Fahrwegs zugelassen. Unternehmensintern ist man zuversichtlich, dass auch der Rest bald folgen wird. Die größte Herausforderung sieht Zamzow ohnehin nicht auf technischer Seite. Im öffentlichen Personennahverkehr denke man in Deutschland leider in Jahrzehnten. „Wir stellen in Gesprächen oft fest, dass wir eigentlich sehr viel schneller könnten, aber unsere Gegenüber das so nicht gewohnt sind“, berichtet Zamzow. Möglicherweise könnte das TSB im Güterverkehr früher umgesetzt werden. „Die Magnetbahn hat in Deutschland eine lange Geschichte, die nicht immer von großen Erfolgen geprägt war“, so der Geschäftsbereichsleiter. „Jetzt wäre ein optimaler Zeitraum, um das zu ändern.“

Dr. Bert Zamzow, Leiter Gesamtsystem Nahverkehr, Max Bögl:

»Da der Fahrweg für das TSB auf Stelzen steht, zerschneiden wir keine Flächen, benötigen keine Bahnübergänge und behindern keine anderen Verkehrsteilnehmer.«

MARKUS STREHLITZ
ist freier Journalist und Redakteur beim VDE dialog.