Die Automatisierung schreitet stetig voran. Roboter übernehmen in den Fabriken zunehmend vielfältigere Aufgaben. Für jede einzelne dieser Aufgabe müssen sie zunächst angelernt werden. Und das ist keine triviale Angelegenheit. Es braucht Fachleute, welche die komplexe Programmierung der Roboter beherrschen. Die großen Hersteller bieten ein breites Spektrum an Trainings an. Laut der International Federation of Robotics schulen zum Beispiel die Anbieter ABB, FANUC und KUKA in Robotikkursen jedes Jahr zwischen 10.000 und 30.000 Teilnehmer in mehr als 30 Ländern. Doch die Programmiersprache eines einzigen Herstellers zu sprechen, reicht häufig nicht aus. Denn in den Werkshallen stehen oft Roboter von mehr als einem Anbieter – und jeder arbeitet mit seinem eigenen spezifischen Code. Das alles macht die Programmierung und Inbetriebnahme eines Roboters aufwendig und teuer. Mehr als 30 Prozent der Kosten für ein Robotersystem müssen dafür eingeplant werden.
Bewegungs-Nachahmung statt Programmierung
Der Bedarf an Ideen, die Programmierung zu vereinfachen, ist also groß, und inzwischen gibt es einige davon. Und die kommen vor allem aus Deutschland. Wandelbots ist ein Vertreter einer ganzen Reihe von Start-ups, die Unternehmen den Einsatz von Robotern erleichtern wollen. „Die Gründer von Wandelbots kommen aus dem Informatik-Umfeld und waren vor zehn Jahren geschockt, als sie gesehen haben, dass die Bedienkonzepte von Industrierobotern damals noch aus den 80er-Jahren stammten“, sagt Jan Drechsler, der bei Wandelbots das Marketing leitet. „Und sie waren der Meinung: Das geht besser.“
Der Ansatz, den Wandelbots für dieses Ziel verfolgt, lautet: no code. Will heißen: Wer einem Roboter eine neue Aufgabe beibringen möchte, muss dafür nicht mehr programmieren. Stattdessen macht er mit einem Stift – dem sogenannten TracePen – die Bewegung vor, die der Roboter ausführen soll. Wird der Roboter etwa fürs Schweißen genutzt, fährt der Anwender mit dem sensorbestückten Stift einfach die Schweißbahn an dem entsprechenden Werkstück ab. In der dazugehörigen App stellt er die spezifischen Parameter ein und feinjustiert den aufgezeichneten Pfad. Die Software erzeugt daraus dann den Code in der entsprechenden Programmiersprache des Roboters. Dabei ist sie nicht nur auf eine Sprache beschränkt. Mit dem Wandelbots-System können Nutzer die Roboter aller großen Hersteller anlernen, ohne selbst eine einzige Zeile Code zu schreiben.
Laut Drechsler lässt sich ein Roboter mithilfe von Wandelbots 70 mal schneller programmieren als auf herkömmliche Weise. Dies ist ein Ergebnis aus einem Pilotprojekt bei BMW. Dort wurde mithilfe des TracePen einem Roboter die Aufgabe gelehrt, Frontscheiben zu kleben.
Drechsler berichtet außerdem, dass sich dank der Wandelbots-Software die Kosten um 90 Prozent reduzieren lassen. So benötigt das Unternehmen keinen Systemintegrator, der neben der Installation eines Industrieroboters häufig auch dessen Programmierung übernimmt. Und da diese schneller möglich ist, verkürzt sich auch die Stillstandszeit des Roboters – und der damit einhergehende Produktionsausfall.
Software übersetzt zwischen Mensch und Roboter
Hauptvorteil der Software sei aber die einfache Bedienung, so Drechsler. „Jeder kann damit einen Roboter anlernen.“ Auch Produktionsmitarbeiter ohne Robotererfahrung seien dazu in der Lage. „Statt einem Experten im Unternehmen können jetzt auf einmal 20 Mitarbeiter mit Robotern arbeiten“, sagt Drechsler. Der entscheidende Faktor ist die Software von Wandelbots. Sie leistet quasi die Übersetzungsarbeit zwischen Mensch und Maschine. Rein theoretisch ließe sie sich auch mit anderen Eingabegeräten verwenden. So starteten die Wandelbots-Gründer zunächst mit einer smarten Jacke. Diese konnte ein Bediener überziehen und damit dem Roboter Bewegungsabläufe beibringen. Hob der Träger der Jacke den Arm, machte der Roboter die gleiche Bewegung.
Der Einsatz von intelligenter Kleidung für die Programmierung sei damals jedoch zu komplex gewesen, so Drechsler. „Man braucht verschiedene Größen und die Jacke muss auch mal gewaschen werden. Zudem ist ein Stift viel näher an der natürlichen Handhabung eines Werkzeugs.“
Dank Künstlicher Intelligenz zu intuitiver Bedienung
Das Unternehmen drag and bot will ebenfalls die Handhabung von Robotern vereinfachen. Das Start-up ist eine Ausgründung des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA). Es bietet Unternehmen ein Paket aus fertigen Softwarebausteinen, die sich einfach per Drag and Drop zum gewünschten Roboterprogramm zusammenstellen lassen. Spezielles Robotik-Know-how ist nicht notwendig. Auch ihre Software drag&bot kann für Roboter verschiedener Hersteller genutzt werden.
Das Gleiche gilt für ArtiMinds. Wie drag and bot ist das Start-up ein Spinoff einer Forschungseinrichtung – nämlich des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Und ArtiMinds verfolgt einen ähnlichen Ansatz. Aus vorkonfigurierten Komponenten können Nutzer ein komplexes Roboterprogramm erstellen, ohne selbst einen Code schreiben zu müssen. Anwender berichten, die Software lasse sich so intuitiv bedienen, dass keine Schulungen nötig seien.
Um intuitive Bedienung geht es auch bei Micropsi mit Hauptsitz in Berlin. Dieses Start-up nutzt Machine Learning, um den Roboter für seinen Job zu trainieren. Der Nutzer zeigt dem Roboter seine Aufgabe, indem er dessen Arm per Hand führt. Diese Bewegungen werden von einer Kamera und einem Kraft-Momenten-Sensor aufgezeichnet und anschließend mithilfe von Künstlicher Intelligenz verarbeitet. Auf diese Weise erlernt der Roboter nicht nur seine Tätigkeit. Er ist auch in der Lage selbstständig zu reagieren, wenn sich die Situation verändert – etwa weil ein zu greifendes Teil an einem anderen Ort liegt.
Mit den Systemen von ArtiMinds, drag&bot oder auch Micropsi können Roboter eine Vielzahl unterschiedlicher Aufgaben erlernen. Dazu zählen zum Beispiel verschiedene Tätigkeiten in der Montage oder sogenannte Pick-and-Place-Aufgaben – also Teile greifen und an anderer Stelle wieder ablegen. Wandelbots konzentriert sich mit seinem TracePen dagegen noch auf Aufgaben, in denen der Roboter einer Bahn folgen muss – wie beim Schweißen oder Kleben. „Beim Schweißen gibt es viele Kurven oder auch lange Pfade, bei denen es auf Genauigkeit ankommt“, erklärt Drechsler. „Das lässt sich mit dem TracePen sehr gut abbilden.“ Aufgrund des Fachkräftemangels herrsche in diesem Bereich auch ein besonderer Druck, Abläufe zu automatisieren.