Prof. Dr. Jan Stallkamp vom Mannheimer Institut für Intelligente Systeme in der Medizin (MIISM)

»Der Robotereinsatz kann Eingriffe beschleunigen, den Arzt entlasten und die Patientensicherheit erhöhen.« Prof. Dr. Jan Stallkamp vom Mannheimer Institut für Intelligente Systeme in der Medizin (MIISM), Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg

| Jan Stallkamp
15.09.2021 Robotische OP-Systeme Publikation

»Roboter müssen intelligenter werden«

Sind robotische Systeme die Zukunft der operativen Medizin? Prof. Dr. Jan Stallkamp vom Mannheimer Institut für Intelligente Systeme in der Medizin (MIISM), Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, sieht noch große Herausforderungen, bevor „Kollege Roboter“ sich wirklich etablieren kann.

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Sie beschäftigen sich seit 25 Jahren mit medizinischer Robotik. Welche Art von Systemen werden wir künftig in den OP-Sälen antreffen?

Ich glaube, dass die direkte Übertragung manueller chirurgischer Methoden auf den Roboter für die Zukunft nicht ausreicht, um solche teuren und komplexen Systeme zum flächendeckenden Standard für OPs zu machen. Natürlich gibt es technisch ausgereifte Manipulatorsysteme. Aber ich bin nicht sicher, ob jemals ein akzeptables Kosten-Nutzen-Verhältnis erreicht werden kann. Meiner Einschätzung nach müssen wir die reinen Manipulatorsysteme weiterentwickeln. Wenn sich Roboter in der Breite etablieren sollen, müssen sie einzelne Arbeitsschritte auch automatisch oder in Zukunft sogar autonom durchführen können. Dazu müssen sie noch wesentlich intelligenter und besser integriert werden. Parallel dazu ist eine Zusammenarbeit mit den Medizinern bei der Entwicklung automatisierungsgerechter medizinischer Methoden erforderlich.

Was sind aus Ihrer Sicht attraktive Konzepte für solche Systeme?

Zum einen das hybride System, bei dem Operateur und Roboter quasi Hand in Hand arbeiten. Dabei würden Instrumente manuell vorpositioniert und einzelne operative Arbeitsschritte automatisch durchgeführt werden. Solche Konzepte vermeiden den technischen Aufwand für die Durchführung von Aufgaben, die manuell gut zu bewältigen sind. Zugleich sind sie auf die Funktionen beschränkt, die einen Mehrwert durch die Automatisierung erwarten lassen. Der zweite Bereich sind bildgestützte Interventionen. Bei Eingriffen aus den Bereichen der interventionellen Radiologie, Strahlentherapie und der minimalinvasiven Chirurgie stehen die notwendigen Daten für die Programmierung von Robotern durch die Bildgebung vorab zur Verfügung. Diese Daten können für die Programmierung genutzt und die Führung der Instrumente einem Roboter überlassen werden. Der Robotereinsatz kann Eingriffe deutlich beschleunigen, den Arzt entlasten und die Patientensicherheit unter Umständen stark erhöhen.

Wie steht es mit dem Thema Vernetzung bei der chirurgischen Robotik?

Es ist eine technisch-organisatorische Herausforderung und es gibt bisher keine wirklichen Vorbilder, wie eine OP-Plattform in Zukunft aussehen sollte, damit Daten beliebig bereitgestellt, Prozesse automatisch ablaufen und Abläufe als Ganzes gesteuert werden können. Gerade wenn wir von Robotersystemen für automatisierte, komplexere Aufgaben reden, ist dieses Defizit ein Kernproblem. Seit Jahren bemüht sich die Community um Projekte, die den positiven Effekt interoperabler OP-Plattformen nachweisen. Es ist nicht einfach, die nötigen Partner und eine ausreichende Förderung für eine derartig umfangreiche Aufgabe zu finden.

Das Projekt OR.NET hat sich genau dieser Vernetzung im OP angenommen. Das hat nicht gereicht?

OR.NET verfolgte den richtigen Ansatz und ist ja auch weiter als Verein aktiv (https://ornet.org). Aber bis heute passen zu wenige Firmen ihre Schnittstellen an. Solange es niemanden gibt, der die Autorität hat, Standards zu setzen, bleibt die Verbreitung eines Standards wegen der vielen Partikularinteressen schwierig. Roboter in eine solche Struktur einzubetten, macht die Aufgabe natürlich nicht einfacher, da die Schnittstellen beispielsweise in Hinblick auf Sicherheit und Echtzeitkommunikation extrem aufwendig sind. Da wird es im medizinischen Umfeld wirklich technisch anspruchsvoll.