Die Bildmontage zeigt eine Platine in Herzform, von der gezeichnete rote Drähte aus in alle Richtungen verlaufen
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28.09.2021 KI-CHIPS Publikation

Leistungsstark und energiesparend

Die „Klugheit“ der rechenintensiven Künstlichen Intelligenz hat eine materielle Grundlage: eine hocheffiziente Mikroelektronik, die sogenannte KI-Hardware. Die Krux: Die Chips müssen immer leistungsfähiger und zugleich energieeffizienter arbeiten. Dieser Entwicklungsherausforderung stellten sich im Pilotinnovationswettbewerb der Initiative „Sprunginnovationen“ bundesweit 27 Teams aus 18 Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Vier der eingereichten Projekte sind nun in der Finalrunde.

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Der Pilotinnovationswettbewerb „Energieeffizientes KI-System“ ist einer von insgesamt drei Wettbewerben, die im Vorfeld der Gründung der Agentur für Sprunginnovationen (SPRIND) vom BMBF als „Ideenradar“ ausgeschrieben wurden. Der Wettbewerb startete am 1. Oktober 2019 und hatte zum Ziel, einen Chip zu entwerfen, der in EKG-Daten bestimmte Herzrhythmusstörungen, das „Vorhofflimmern“, mit mindestens 90 Prozent Genauigkeit erkennen kann.

Aus der ersten Kandidatenrunde, die das BMBF mit vier Millionen Euro unterstützte, wurden im Frühjahr vier Siegerprojekte ausgewählt:

  • Energieeffiziente Elektronik für mobile KI-gestützte EKG-Analyse in der Telemedizin (Pilot-Inno HALF2)
  • KI-Prozessoren mit nichtflüchtigen Speichern für quantisierte Synapsen von neuronalen Netzen (Pilot-Inno LODRIC)
  • Vollintegrierte Neuroelektronik zur Mustererkennung und Signalanalyse an lebenden Zellen (Pilot-Inno PRISTINE)
  •  Rekonfigurierbarer KI-Chip zur besonders energieeffizienten Verarbeitung von Sensordaten (Pilot-Inno Seventh SensIC)

„Künstliche Intelligenz verschlingt heute noch zu viel Energie, bietet aber enormes Potential für den Wirtschafts- und Innovationsstandort Deutschland“, erklärte Bundesforschungsministerin Anja Karliczek bei der Preisverleihung im März 2021. Die vier Siegerteams erhielten nun die einzigartige Chance, ihre Ideen zur Entwicklung eines energiesparsamen KI-Chips mit Anwendungspartnern in die Realisierung zu bringen.

Die Auswahl begleitete ein Beirat aus renommierten Experten der Mikroelektronik, den Anwendungsindustrien, der Künstlichen Intelligenz sowie der Medizin, der auch eine fachliche Begutachtung der Messergebnisse am Ende der Finalrunde durchführte. Einer dieser Experten ist Prof. Dr. Schotten, Vorsitzender der Informationstechnischen Gesellschaft (ITG) und VDE Präsidiumsmitglied, der sich über die Ergebnisse sehr erfreut zeigte: „Meine Erwartungen sind voll erfüllt worden.“ (siehe Interview)

Die Projekte sind planmäßig zum 1. August 2021 gestartet, haben eine dreijährige Laufzeit und enden im Juli 2024. Jedes Siegerprojekt hat als Preis die exklusive Möglichkeit erhalten, ein Forschungsprojekt zur Umsetzung seiner Idee mit Anwendungspartnern in Höhe von 1 Million Euro beim BMBF einzureichen.

KI-gestützte EGK-Analyse

Am Projekt HALF2 (Energieeffiziente Elektronik für mobile KI-gestützte EKG-Analyse in der Telemedizin), das vom Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM in Kaiserslautern koordiniert wird, sind auch die Technische Universität Kaiserslautern, die Charité - Universitätsmedizin Berlin sowie das Unternehmen GETEMED Medizin- und Informationstechnik AG aus Teltow beteiligt. Das Team strebt eine Verbesserung der automatischen EKG-Analyse in tragbaren Geräten durch eine optimierte Erkennung von Artefakten an. Mittels energieeffizienter Elektroniklösung soll die Nutzungsdauer verdoppelt werden. Die entwickelten Funktionsdemonstratoren werden anschließend von Patientinnen und Patienten in einer klinischen Studie erprobt und evaluiert. Die Verwertung liegt einerseits in der Kommerzialisierung der EKG-Geräte und andererseits auch im Verkauf der KI-Software.

Plattform zur Automatisierung des Chip-Designs

Das Projekt LODRIC (KI-Prozessoren mit nichtflüchtigen Speichern für quantisierte Synapsen von neuronalen Netzen) wird von zwei Partnern in Erlangen ausgeführt: der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg als Verbundkoordinator, zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS. Ziel ist eine Entwicklungsplattform für das automatisierte Design von energieeffizienten KI-Prozessoren. Durch ein angepasstes Chip-Design soll die Bandbreite der Anwendungen auf Fälle wie vorausschauende Wartung in Industrie 4.0 oder Audio- und Radar(sensor)datenverarbeitung erweitert werden. Zur Demonstration wird ein Chip für mehrere Applikationen entworfen. Die Verwertung soll durch Lizensierung des Chip-Designs sowie der Plattform erfolgen.

Mustererkennung von organischem Gewebe

Beim Projekt PRISTINE (Vollintegrierte Neuroelektronik zur Mustererkennung und Signalanalyse an lebenden Zellen) arbeiten die Technischen Universitäten in Dresden (Koordinator) und München zusammen. Um zu einer Mustererkennung an organischem Gewebe zu gelangen, wird mit Modellorganismen gearbeitet, an die biokompatible Elektroden zur Messdatenerfassung angeschlossen sind. Die damit verbundene KI wird angelernt, aus den Signalen pathologisches Gewebe zu erkennen. Vorgesehen ist eine Chip-Fertigung in der 22-Nanometer-Technologie von Globalfoundries in Dresden, auf dessen Basis dann ein geeigneter Demonstrator als Gesamtsystem realisiert werden soll.

Flexibel konfigurierbare KI-Chips

Das Projekt „Seventh SensIC“ (Rekonfigurierbarer KI-Chip zur besonders energieeffizienten Verarbeitung von Sensordaten) verbindet zwei Freiburger Akteure: die Hahn-Schickard-Gesellschaft für angewandte Forschung und die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Gemeinsam sollen flexibel konfigurierbare KI-Chips in verschiedenen Anwendungsfällen eingesetzt werden. Dazu zählen eine EKG-Analyse, eine Sensorauswertung für Kraft und Beschleunigung in der Robotik und industriellen Zustandsüberwachung sowie für Gaskonzentrationen und -flüsse in der Umweltmesstechnik. Auch bei diesem Projekt sollen auf der Basis des entwickelten hochintegrierten Chips dann geeignete Demonstratoren realisiert und validiert werden.

Interview mit Professor Dr. Hans Schotten

Prof. Dr. Schotten ist Vorsitzender der Informationstechnischen Gesellschaft (ITG), VDE Präsidiumsmitglied und Mitglied des Fachbeirats zur fachlichen Begutachtung der eingereichten Projekte des SPRIND-Pilotinnovationswettbewerbs. Er hat zudem an der Technischen Universität Kaiserslautern (TUK) den Lehrstuhl für Funkkommunikation und Navigation inne und leitet am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) den Forschungsbereich Intelligente Netze.


Prof. Dr. Hans Schotten im Portrait. Er trägt eine Brille, ein hellblau- gestreiftes Hemd mit Krawatte und einen dunklen Sakko.

Stimulierender Effekt

Prof. Dr. Hans Schotten im Portrait. Er trägt eine Brille, ein hellblau- gestreiftes Hemd mit Krawatte und einen dunklen Sakko.

Wie bewerten Sie Verlauf und Ergebnis des Wettbewerbs?

Ich habe als Fachberater den Wettbewerb begleitet und kann feststellen, dass meine Erwartungen voll erfüllt worden sind. Der beabsichtigte stimulierende Effekt hat bei den teilnehmenden Mikroelektronik-Forschern und -Entwicklern voll gegriffen. Auch der Zeitdruck, der mit einem Wettbewerb verbunden ist, hat zu einem zielorientierten Arbeiten geführt. Überdies kam die Teambildung in einer Reihe von Fällen zustande.

Welche Lehren sind für mögliche künftige Wettbewerbe zu ziehen?

Der Einsatz von wettbewerblichen Verfahren in der Innovationspolitik hat eine positive Wirkung, wie unser Pilotansatz gezeigt hat. Das Ziel, die gesamte Innovationskette zu fördern, sollte auf jeden Fall beibehalten werden. Nicht alle Teams konnten diesmal schon am Anfang einen klaren Verwertungsplan für ihre Innovation vorlegen. Darauf wäre künftig stärker zu achten.

In welchen Bereichen sehen Sie besondere Chancen für Innovationen in der Mikroelektronik?

In Deutschland hat die Mikroelektronik gute Ausgangsbedingungen, sowohl in der Forschung wie auch in der wirtschaftlichen Anwendung. Die Rahmenprogramme des BMBF haben in den letzten Jahren erkennbar Früchte getragen. Das hat auch Einfluss auf die Gründung von neuen Technologieunternehmen, was im Innovationskontext von hoher Bedeutung ist. Sorge bereiten mir als Hochschullehrer die stagnierenden Anfängerzahlen in den technischen Studiengängen. Aus den Hochschulen kommt derzeit als Absolventen nur die Hälfte dessen, was in der Wirtschaft an Fachkräften benötigt wird.

(Die Fragen stellte Manfred Ronzheimer)