Am 30. März 2020 flogen am Startplatz des US-amerikanischen Raumfahrtunternehmens SpaceX im texanischen Boca Chica sprichwörtlich die Fetzen. Es regnete Trümmerstücke in allen Größen, die Reste von SN11, dem vierten Prototypen des neuen SpaceX-Raumschiffs „Starship“. SN11 war zunächst zehn Kilometer hoch aufgestiegen und nach dem Abschalten der Triebwerke wie geplant im Gleitflug zurück zur Erde gesunken. Doch statt sich für die Landung wieder aufzurichten, war es noch vor dem Aufsetzen in der Luft explodiert. Ursache: Eine undichte Treibstoffleitung. Schon die drei SN11-Vorgängermodelle waren ebenfalls in die Luft geflogen. Wer darin allerdings einen Beweis des Scheiterns erkennt, der täuscht sich. Es lässt sich daran lediglich ablesen, wie Elon Musk und seine Ingenieure die Entwicklung von Raketen angehen: schnell und mit einem ausgeprägten Trial-and-Error-Prinzip.
Verinnerlicht hat Musk diese Vorgehensweise im Silicon Valley, dem globalen Zentrum der Digitalisierung, wo er den Online-Zahldienst PayPal mitgründete. Dort gilt es nicht nur, das richtige Produkt anzubieten, sondern vor allem schneller als die Konkurrenz – und selbst nach Verkaufsstart wird es noch weiterentwickelt. Was dort als Einmaleins gilt, wirkt in der herkömmlichen Raumfahrt – bisweilen despektierlich Old Space genannt – äußerst gewöhnungsbedürftig. In der Welt von NewSpace hingegen, der neuen kommerziellen Raumfahrt, ist Musks Vorgehen vergleichsweise üblich. Dass dieses Prinzip funktioniert, zeigte dann auch der nachfolgende Testflug keine zwei Monate später: SN15 landete unversehrt. Dabei ist das Starship bereits Ausdruck einer neuen, zweiten Phase, eines NewSpace 2.0. Den ersten Abschnitt, gekennzeichnet von der Neugründung zahlreicher Raumfahrt-Start-ups und dem kometenhaften Aufstieg von SpaceX, hat Elon Musk zweifellos für sich entschieden. Er hat mit der äußerst erfolgreichen Falcon-9-Rakete der europäischen Ariane 5 und vor allem den russischen Raketen die Herrschaft im kommerziellen Satellitentransport abgenommen. In weniger als zehn Jahren eroberte SpaceX mit ihr zwei Drittel des Weltmarktes.
Nun konsolidiert Musk seine Marktmacht und die jungen Raumfahrtunternehmen bringen ihre Produkte auf den Markt. Zudem steht der Weltraumtourismus kurz vor dem Durchbruch und es entstehen die größten Satellitennetzwerke, die die Menschheit je gesehen hat.