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Markus Peukert, Leiter der Abteilung für Raumfahrt-Antriebssysteme bei OHB System in Bremen

| OHB System
13.07.2021 Publikation

„Der Warp-Antrieb muss kommen!“

Der Warp-Antrieb von Star Trek ist mehr als eine Spinnerei! Warum er auf diesen Antrieb hofft und wann er (vielleicht) kommen wird, erklärt Markus Peukert, Leiter der Abteilung für Raumfahrt-Antriebssysteme bei OHB System in Bremen, im Interview mit dem VDE dialog. Für Peukert ist der Mars nicht genug. Doch bevor interstellare Flüge möglich sind, werden grundlegende physikalische Durchbrüche erst noch stattfinden müssen.

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Und was halten Sie von dem Konzept einer Fusionsrakete, die eine iranisch-amerikanische Physikerin jüngst im Journal of Plasma Physics vorgestellt hat – mit maximalen Austritts-Geschwindigkeiten von immerhin 500 Kilometern pro Sekunde?

Da bin ich deutlich skeptischer. Im Prinzip ist das ja ein riesiger Plasma-Antrieb. Viel kleinere dieser Triebwerke haben wir heute bereits in unseren Satelliten im Einsatz. Die produzieren einen Schub von wenigen hundert Millinewton und brauchen dafür vielleicht zehn oder 20 Kilowatt elektrische Leistung. In dem Konzept wird jedoch davon ausgegangen, dass man dafür zehn Megawatt elektrische Leistung hätte. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wo die herkommen sollte. 

Die Satelliten werden mit Sonnenenergie versorgt.

Genau. Aber die wird für ein großes Raumschiff bei weitem nicht ausreichen. Selbst wenn es gelänge, einen Wirkungsgrad von 100 Prozent zu haben und ich all meine elektrische Energie in kinetische Energie umwandeln könnte, bräuchte ich immer noch eine immens große Energiequelle in dem Raumfahrzeug – zum Beispiel einen Kern- oder Fusionsreaktor. Und das ist zumindest auf absehbare Zeit eher unrealistisch, selbst wenn in dieser Richtung natürlich auch schon geforscht wird.

Und was heißt das für die Mars-Raumfahrt?

Eigentlich nichts. Zum Mars wird man auch künftig bemannt mit chemischen Triebwerken fliegen, diese braucht man insbesondere zum Landen und Starten. Das gilt auch für Elon Musk und seine Starships. Er setzt allerdings auf Methan und Sauerstoff. Beides kann – so zumindest die Hoffnung – auch auf dem Mars hergestellt werden. Seine Idee ist, dass er auf dem Mars nachtanken kann, um wieder zurückfliegen zu können.

Das heißt die ganzen neuen Antriebe braucht man eigentlich nur für interstellare Flüge?

Genau. Mit der heutigen Technologie können wir uns nur in Erdnähe, maximal in unserem Sonnensystem bewegen. Wir werden es aber nicht wirklich verlassen können. Zumindest nicht in Lebzeiten von Menschen. Um da wirklich etwas ändern zu wollen, sind wir wieder bei den erwähnten Breakthrough-Konzepten. Dazwischen gibt es nichts. Und das ist das Traurige an der Sache. 

Die Fragen stellte Martin Schmitz-Kuhl.

Bei Star Trek sind Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit möglich. Wie groß ist die Chance, dass daraus mal Wirklichkeit werden könnte?

Der Warp-Antrieb von Star Trek hat mich immer sehr fasziniert; er war einer der Gründe, warum ich letztlich diesen Beruf gewählt habe. Und ich glaube auch fest daran, dass es diesen Antrieb irgendwann einmal geben wird. Allerdings fürchte ich, dass ich das wohl nicht mehr erleben werde. Denn die Antriebe, die wir zurzeit nutzen, sind leider auch Lichtjahre von dem entfernt, was man bei Star Trek sehen kann. Trotzdem ist mein Wunsch, mein Traum und auch meine Motivation, dass wir irgendwann einmal dahin kommen, uns nicht nur im eigenen Sonnensystem zu bewegen, sondern auch tatsächlich mal fremde Galaxien erforschen können.

Sie halten das tatsächlich für möglich?

Der Warp-Antrieb ist auf jeden Fall mehr als eine Spinnerei, da steckt tatsächlich echte Physik dahinter. Miguel Alcubierre, ein mexikanischer Physiker, hat bereits in den 1990er Jahren einen solchen Antrieb beschrieben. Das ist natürlich theoretische Physik mit „abgefahrenen“ theoretischen Zusammenhängen, bei dem ein Ingenieur wie ich aussteigt und nicht mehr mitkommt. Aber weltweit wird daran weitergeforscht, durchaus auch in namhaften universitären Einrichtungen, auch in Deutschland und genauso bei der NASA. Dabei geht es nicht zuletzt um die Frage, wie soviel Energie zu Verfügung gestellt werden kann, um das Raum-Zeit-Gefüge verbiegen zu können – eine Voraussetzung des Warp-Antriebes – und ob das Gebilde stabil gehalten werden kann. All das ist ganz weit weg von einer technischen Realisierung, aber es scheint möglich zu sein. 

Vor fünf Jahren sorgte ein Photonenantrieb für Furore, mit dem man – theoretisch – bemannte Raumschiffe auf 1000 Kilometer pro Sekunde beschleunigen könnte. Immerhin ein Dreihundertstel der Lichtgeschwindigkeit. Ist das genauso weit weg?

Das ist schon konkreter. Es gibt eine Einordnung, nach der zukünftige Antriebstechnologien eingeordnet werden: Der Warp-Antrieb fällt unter „Breakthrough-Propulsion“, das heißt, dafür braucht man erst einmal einen bahnbrechenden Durchbruch in der Physik, um ihn möglich machen zu können. Was wir heute machen, ist „State-of-the art Propulsion“. Und dazwischen gibt es noch die „Advanced Propulsion“. Das ist unsere Aufgabe für die absehbare Zukunft. Darunter fallen solche Antriebe wie der Photonenantrieb.

Wie funktioniert dieser Antrieb?

Der Antrieb ist definitiv machbar, allerdings stellt sich schon die Frage, ob er Sinn macht. Und es gibt dabei ganz viele Probleme, die noch nicht gelöst sind. Angefangen mit der gar nicht so banalen Frage, wie man am Zielort wieder abbremsen sollte. Aber auch: Wie steuert man das Raumschiff? Und wie verhindert man Kollisionen, wenn schon kleinste Partikelchen bei den enormen Geschwindigkeiten dem eben erwähnten, benötigten Sonnensegel gefährlich werden könnten. Und last but not least: man bräuchte einen oder mehrere Laser von immenser Energieleistung – also die Leistung von mehreren großen Kraftwerken. Das ist auf der Erde noch vorstellbar, aber wie soll das funktionieren, wenn die Laser im Erdorbit platziert sein müssten, um der hiesigen Atmosphäre zu entgehen?

Das klingt alles nach einer guten theoretischen Lösung, die sich praktisch aber kaum umsetzen lässt.

Zumindest nicht derzeit. Die Probleme sind bestimmt lösbar, aber es ist ein immenser Aufwand und es wird noch lange dauern. Wenn man sich aber anschaut, was für technische Sprünge in den letzten Jahren und Jahrzehnten möglich waren, halte ich nicht mehr viel für unmöglich. Will sagen: Ja, das sind noch gewaltige Hürden und Herausforderungen. Aber ich wäre nicht so pessimistisch, dass sich diese nicht bewältigen ließen.