Zwei Astronauten verlassen ein kugelförmiges Gebäude, in dem eine Biofarm untergebracht ist. Erde und Himmel sind orange.
Aleph Farms
08.07.2021 Raumfahrt Publikation

Die Senkrechtstarter

Die Zeiten, in denen wenige Technologieriesen die Raumfahrt dominierten, sind spätestens seit der Jahrtausendwende vorüber. Bis dahin waren Weltraumflüge Staatssache, meist finanziert mit öffentlichen Geldern – Old Space eben. Inzwischen ist das All längst ein attraktiver Markt, auch für private Unternehmen. Ein (kleiner) Überblick über die agile NewSpace-Szene, deren meist junge Akteure mit innovativen Start-ups die traditionelle Raumfahrt gründlich auf den Kopf stellen.


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Aleph Farms

Kosmonauten-Dinner

Kulinarisch ist eine Reise ins All nicht gerade ein 3-Sterne-Highlight. Zwar ist die Zeit reiner Tuben- und Pastenverpflegung inzwischen vorbei, aber die meisten Weltraum-Mahlzeiten dürften eher das Prädikat „hochkalorische Trinknahrung“ führen. Da wirkt die Aussicht des israelischen Start-ups Aleph Farms auf ein frisches Steak im Orbit mehr als verlockend!

Schon 2019 ist es dem Biotech-Unternehmen in einem Experiment auf der ISS gelungen, Fleisch zu produzieren. Rinder mussten dafür freilich keine ins All transportiert werden. Vor dem Rib-Eye-Dinner in luftiger Höhe wurden zuvor auf der Erde extrahierte Rinderzellen zu einem kleinen Stück Muskelgewebe zusammengefügt, das anschließend per Biodruck-Technologie zu einem Steak geformt wurde.

Angesichts künftiger Langstrecken-Raumfahrt von mehreren Jahren Dauer könnten so erzeugte Nahrungsmittel eine wichtige Entwicklung darstellen. Schließlich, fasst es Aleph-Farms-CEO Didier Toubia zusammen, „kann man auf dem Mond nicht einkaufen gehen“. Das Start-up denkt inzwischen schon weiter und plant mit Aleph Zero die erste Space-Bio-Farm. Auf dem Mars. 

OKAPI:Orbits

Raketen- und Trümmerteile, funktionslose Satelliten, ausgediente Nutzlastverkleidungen.
dottedyeti / stock.adobe.com

(Kein) Knall im All

Raketen- und Trümmerteile, funktionslose Satelliten, ausgediente Nutzlastverkleidungen, aber auch verlorene Schraubenzieher: Das All hat raumfahrtbedingt ein Müllproblem – mit weitreichenden Folgen. Nicht nur aktive Satelliten laufen Gefahr, mit Weltraumschrott zu kollidieren, auch die Internationale Raumstation ISS muss jedes Jahr Ausweichmanöver fliegen, weil ihr solche Trümmer gefährlich nahe kommen.

Aber im Weltraum mal eben gründlich aufzuräumen ist kompliziert. Das elfköpfige Team von OKAPI:Orbits um Gründerin und CEO Kristina Nikolaus setzt daher nicht auf Reinemachen, sondern auf die Regelung des Weltraumverkehrs. Das 2018 gegründete Space-Tech-Start-up mit Sitz in Braunschweig berechnet mit einer eigens entwickelten KI-gestützten Software die Flugbahnen von Trümmerteilen im All und warnt Raumfahrtunternehmen vor möglichen Zusammenstößen. Dafür werden Datensätze von Erdobservationsanlagen, Radaranlagen und Teleskopen katalogisiert und zusammengefügt und daraus die Wahrscheinlichkeit berechnet, dass es zum Knall im All kommt. Und ob ein Umlenkmanöver nicht doch sicherer wäre.

PLANET

Ein Dove genannter Cube-Satellit von PLANET.
Planet

Eye in the Sky

Zwar hat Berlin keinen Weltraumbahnhof, ein wichtiger Standort der Raumfahrtindustrie ist die Stadt dennoch: Von dort aus wird ein aktuell 150 Stück zählender Satellitenschwarm gesteuert. 

Das 2010 in San Francisco – klassisch in einer Garage – gegründete Start-up Planet hat sich inzwischen zu einem der wichtigsten Erdbeobachter mit Sitz in den USA und Deutschland entwickelt. Ihre kleinen Cube-Satelliten, Dove genannt, kreisen permanent um die Erde und liefern Bilder von ihr. Das „Mission Control“-Team in der Berliner Schaltzentrale steuert die Satellitenflotte per eigener Software. Über die ebenfalls inhouse entwickelte Onlineplattform können die Kunden, darunter die NASA, Airbus und auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, die Bilder abrufen und so zum Beispiel signifikante Veränderungen im Laufe der Zeit dokumentieren – eine Art fortwährende Inventur des Planeten. 

Und wer schon immer den Traum hatte, ein eigenes Kunstwerk ins All zu schicken: Über den Download einer Vorlage kann jeder eine individuelle Dove-Außenhaut gestalten und den Entwurf bei Planet einreichen.

Astrobotic

Ein silber-goldfarbener, quaderförmiger Satellit von Astrobotic auf vier Beinen steht im Sand auf dem Mond.
Astrobotic

Lunare Lieferflotte

Bis 2024 wieder US-amerikanische Astronauten auf dem Mond landen, gibt es noch viel zu tun. Unter anderem gilt es, eine Mondstation zu etablieren, schließlich sollen die Raumfahrer künftig dort längere Zeit bleiben. Dafür wird einiges an Hardware benötigt, um dessen Vorab-Versand sich das amerikanische Start-up Astrobotic kümmert. Vorausgesetzt, der für Herbst 2021 anberaumte Flug des Astrobotic-Landers namens Peregrine gelingt. Mit prominenter Kundschaft kann Astrobotic schon jetzt aufwarten. So hat etwa die NASA für rund 80 Millionen US-Dollar „Porto“ den Transport von 14 Geräten gebucht.

Auf den ersten Blick kurios mutet die Kooperation von Astrobotic mit DHL an. Der Logistikonzern bietet Privatleuten eine sogenannte Moon Box an. Ab 460 Dollar aufwärts ist darin der Versand kleinerer Dinge – etwa in Größe eines Speicherchips oder Briefes – auf den Himmelskörper möglich. Der Service kommt an: Alle 120 Moon-Box-Plätze der ersten geplanten Peregrine Mission sind bereits ausgebucht. Dafür kann der Versender dann mitverfolgen, wie sein Paket zum Mond fliegt und dort landet. Vielleicht in der Hoffnung, dabei zu sein, wenn kommende Generationen es vor Ort auspacken.

Isar Aerospace Technologies

Im mit zahlreichen Wolken bedeckten Himmel steigt eine schmale, weiß-blaue Rakete mit der Aufschrift „Spectrum“ auf
Isar Aerospace Technologies

Pocket Rocket

Einen Satelliten ins All zu befördern war bislang ein kostspieliges Unterfangen. Ein solcher Transport konnte schnell mit rund 50 Millionen Euro zu Buche schlagen. Moderne Satelliten sind aber längst nicht mehr so groß und schwer wie ihre Vorgänger und benötigen entsprechend nur noch kleinere, günstigere Transportraketen. Damit eröffnet sich sogenannten Mikrolaunchern, also Herstellern von kleinen Trägerraketen, ein heiß umkämpfter Markt. Ende 2020 kreisten knapp 3400 Satelliten um die Erde. In den kommenden Jahren werden etliche Tausend hinzukommen, die Mehrzahl davon Kleinsatelliten.

Grund genug für die Deutsche Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), einen Mikrolauncher-Wettbewerb auszurufen, den das Start-up Isar Aerospace Technologies aus Ottobrunn bei München Ende April für sich entscheiden konnte. Mit dem Preisgeld in Höhe von elf Millionen Euro sollen die Gründer und ihr Team ihre 27 Meter lange Kleinrakete Spectrum weiterentwickeln. Bis spätestens 2023 sind zwei Demonstrationsflüge geplant.Die Spectrum soll bis zu einer Tonne Nutzlast in eine niedrige Erdumlaufbahn befördern können. Veranschlagt werden dafür vergleichsweise schlanke Transportkosten von rund 10.000 – 15.000 Euro pro Kilogramm.

ALE

Ein Himmel übersät mit Sternen und zahlreichen Sternschnuppen auf einer Waldlichtung
Belish / stock.adobe.com

Schnuppenshow

Um eine Sternschnuppe zu sehen, braucht man Geduld und gewöhnlich etwas Glück. Auf Glück allerdings will sich das japanische Start-up ALE nicht verlassen und hat daher bereits zwei Satelliten ins All geschossen, die auf Knopfdruck künstliche Sternschnuppen auslösen. Die Satelliten kreisen in 400 und 500 Kilometer Entfernung um die Erde und sind bestückt mit je 400 kleinen Kugeln. Auf Wunsch entlassen die Satelliten pro Schnuppenshow fünf bis 20 dieser Kugeln in den Weltraum, die dann in etwa 80 Kilometer Höhe in die mittlere Schicht der Erdatmosphäre (Mesospähre) eintreten und verglühen. Das dabei ausgestrahlte Licht kann man auf der Erde im Umkreis von 200 Kilometern dann am Himmel sehen.

„Meteorquellen-Partikel“ nennt ALE diese Kugeln, über dessen Zusammensetzung sich Gründerin Lena Okajima allerdings in Schweigen hüllt.  Bleibt die Frage nach der Sinnhaftigkeit des künstlichen Sternschnuppenregens, die das Unternehmen neben dem künstlerischen Wert mit der Forschung an Meteor-Flugbahnen und der Mesosphäre beantwortet.

Wer eine Sternschnuppe sieht, darf sich was wünschen, sagt man. Für ALE-Kunden gilt das indes schon vor der Sichtung. Sie nämlich dürfen wählen, welche Farbe ihr gebuchtes Kosmosspektakel haben soll: Weiß, Orange, Pink, Grün oder  Blau.

Hyperganic Group

Eine behandschuhte Hand hält das Modell eines Raketenantriebs, das im 3-Druck-Verfahren hergestellt wurde
Hyperganic Group

Druckerantrieb

Komplexe Bauteile werden gewöhnlich zunächst von Ingenieuren geplant und konstruiert, dann von Designern entworfen, bis sie schließlich in die Produktion gehen. Das Unternehmen Hyperganic will nicht weniger als einen Paradigmenwechsel dieses Fertigungsprozesses einläuten: Ingenieure sollen „nur noch“ die Funktion der Gegenstände definieren, die Formgestaltung übernimmt die Künstliche Intelligenz der Hyperganic-Design-Software. Ist das gewünschte Produkt etwa ein Raketentriebwerk, füllen die vom Münchner Start-up für diesen Zweck programmierten Algorithmen eine Excel-Tabelle mit den nötigen Informationen und Anforderungen an die Brennkammer aus. Anschließend wird ohne weiteres menschliches Zutun ein virtuelles Modell am Computer erzeugt. Die Produktion übernimmt dann ein 3-D-Drucker, der alle möglichen Arten von Materialien drucken kann, auch Metall wie im Fall des Triebwerks.

Einen solchen Triebwerk-Prototypen hat Hyperganic inzwischen sogar schon gedruckt. Abgehoben hat dieser allerdings in der Realität noch nicht. Kleinere Satelliten könnte man mit der Größe des 3-D-Druck-Modells aber durchaus ins All bringen, sind die Münchner Unternehmer überzeugt.