Ein Mann in blauen Anorak steht in der Natur mit einem Tablet in der Hand. Das Tablet produziert Zahlen im Binärsystem.
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08.07.2021 Satelliten-Internet Publikation

Bis in den letzten Winkel

Satelliten aus dem erdnahen Orbit könnten künftig Internet in digital abgehängte Regionen in Deutschland und der Welt bringen. Mit seinem Satellitennetzwerk Starlink ist Elon Musk bereits in der Betaphase für das Internet aus dem All. Doch auch andere Unternehmen wie Amazon mischen mit. Eine Herausforderung dabei: die Empfangsantenne.

Von Markus Strehlitz

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Die Corona-Pandemie hat die Schwächen in Sachen Digitalisierung hierzulande offengelegt. Ein Problem, das schon vorher für viel Diskussionsstoff sorgte, ist dabei die Netzabdeckung in Deutschland. Noch immer gibt es zu viele weiße Flecken, in denen Internetnutzer nicht über Anschlüsse mit ausreichender Geschwindigkeit und Bandbreite verfügen. Wenig tröstlich: Vielen Regionen der Welt geht es ähnlich. Und viele entlegene Teile der Welt sind ganz vom World Wide Web ausgeschlossen.

Eine Lösung dafür könnte aus dem All kommen. Denn wenn kein Glasfaserkabel verfügbar ist, übernehmen eben Satelliten den Datentransport. Die Idee ist nicht neu: Satelliten bringen schon seit vielen Jahren das Internet auf die Erde. Doch diese befinden sich im geostationären Orbit (GEO) und somit in einer Höhe von etwa 36.000 Kilometern. Das hat den Vorteil, dass ein Satellit relativ große Flächen abdecken kann und somit nur wenige der Trabanten benötigt werden.

Wo es auf Millisekunden ankommt, darf es keine langen Latenzzeiten geben

Es gibt jedoch auch einen Nachteil: Aufgrund der weiten Entfernung ist auch die Latenzzeit relativ groß. Viele Anwendungen, die entweder bereits heute wichtig sind oder in naher Zukunft von großer Bedeutung sein werden, benötigen aber eine geringe Latenz. Dazu zählen etwa Online-Gaming, Autonomes Fahren oder industrielle Anwendungen. Auch für Online-Broker zählen mittlerweile Millisekunden. Die Hoffnungen ruhen daher auf dem Low Earth Orbit (LEO). Damit wird eine niedrige Erdumlaufbahn mit einer Höhe von etwa 1000 Kilometern beschrieben. Dieser Orbit ist das Ziel von einer Reihe Unternehmungen, die mit LEO-Satelliten das Geschäft mit dem Internet aus dem All an sich reißen wollen.

Die größte Aufmerksamkeit gehört zur Zeit sicherlich Starlink – dem Satellitenprojekt von Elon Musks Raumfahrtprogramm SpaceX. Die große öffentliche Wahrnehmung ist dabei nicht nur der schillernden Persönlichkeit Elon Musk zu verdanken, der weiß, wie man für die eigenen Projekte die Werbetrommel rührt. Vielmehr kann er für sich verbuchen, dass Starlink im Rennen der LEO-Breitband-Projekte bisher vorne liegt. Derzeit sind bereits 1300 seiner Satelliten im All – auf einer Höhe von 550 Kilometern. Insgesamt 12.000 sind in der ersten Ausbaustufe geplant, langfristig soll die Zahl auf 42.000 erhöht werden. Allein in den USA sind bereits rund 10.000 Gateways aufgebaut, die für die Verbindung von Internet und Satellit sorgen.

Zudem ist der Service bereits verfügbar, wenn auch zunächst nur für Betatester. Das ist unter anderem in den USA, Kanada, Großbritannien und Deutschland der Fall. Laut dem US-Nachrichtendienst haben sich mittlerweile mehr als 500.000 Nutzer dafür angemeldet. Die Experten von Quilty Analytics rechnen damit, dass Starlink ab einer Zahl von 1584 Satelliten in eine kommerzielle Phase übergehen wird. Dies könnte zu Beginn des kommenden Jahres der Fall sein.

Ein Wettstreit um Datenübertragungsraten und die Anzahl an Satelliten

Zahlreiche Satelliten, die symbolisch gekennzeichnet durch gestrichelte Linien alle Winkel der Erde mit Internet versorgen.

Das Internet aus dem All bringt schnelle Datenverbindungen nicht nur in städtische Zentren, sondern auch in entlegene Regionen der Erde. Um über den Globus verteilt überall einen breitbandigen Internetzugang per Satellit zu gewährleisten, braucht es einen ganzen Schwarm an Satelliten und leistungsstarke Antennen.

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Aufschluss, mit welchen Datenübertragungsraten die User zumindest hierzulande rechnen können, gibt die Bundesnetzagentur. Diese meldete im März, dass bei Tests der Datenübertragungsrate zwischen Nutzerterminal und Satellit circa 100 Megabit pro Sekunde im Download und circa 25 Megabit pro Sekunde im Upload gemessen wurden. Die mittlere Latenz betrug 40 Millisekunden.

In den USA berichtete ein Nutzer in einem Tweet von einem Speed-Test, der 130 Megabit pro Sekunde ergab. Eine Reaktion kam von ganz oben – ebenfalls per Twitter. Elon Musk versprach, dass sich die Geschwindigkeit auf rund 300 Megabit pro Sekunde verdoppeln werde. Die Latenz würde sich außerdem auf rund 20 Millisekunden verkürzen. Ebenfalls per Twitter verkündete Musk, dass bis Ende des Jahres ein Großteil der Erde per Starlink mit Internet versorgt sein werde. Spätestens 2022 will er eine vollständige Abdeckung erreichen.

Auch wenn Starlink schon weit vorangekommen ist auf seinem Weg, es gibt ernst zu nehmende Konkurrenz in der erdnahen Umlaufbahn. Das Unternehmen OneWeb musste zwar bereits eine Insolvenz überstehen, aber mittlerweile hat es 182 Satelliten im All. In einer ersten Phase sollen es 648 werden. Diese gehören zum „Five to 50“-Programm. Dahinter verbirgt sich der Plan, bis Juni dieses Jahres die Regionen der Erde, die nördlich des 50. Breitengrades liegen, mit Internet aus dem All zu versorgen. Langfristig sollen es sogar mehr Satelliten als bei Starlink werden – nämlich 48.000. Als Datengeschwindigkeit wird ein Terabit pro Sekunde anvisiert.

An OneWeb sind die britische Regierung sowie der indische Konzern Bharti Global beteiligt. Vor kurzem verkündete außerdem Satellitenbetreiber Eutelsat seinen Plan, einen Anteil von 24 Prozent an OneWeb zu erwerben. Eutelsat bietet bereits Internet aus dem All mit Geschwindigkeiten von bis zu 100 Megabit pro Sekunde – allerdings mit einem geostationären Satelliten.

Doch OneWeb ist nicht das einzige Unternehmen, das Starlink die dominante Position streitig machen möchte. Und Elon Musk ist nicht der einzige Tech-Promi, der das All erobern will. Jeff Bezos hat ebenfalls das Ziel, das Internet über Satelliten zu den Menschen zu bringen. Das Amazon-Projekt Kuiper soll zunächst 236 Satelliten in den Low Earth Orbit bringen. Das Problem: Bisher ist noch keiner der Kuiper-Satelliten auf seinem vorgesehenen Platz. Amazon fehlt es derzeit noch an einem Transportmittel aus dem eigenen Haus. Im Gegensatz dazu kann Musk mithilfe von SpaceX seine Starlink-Satelliten ins All befördern. Die Falcon-9-Raketen haben ihre Zuverlässigkeit bereits in einer Vielzahl von Starts unter Beweis gestellt. Allein im vergangenen Jahr flogen sie 25 Mal ins All (siehe auch Beitrag S. 12 ff).

So weit ist das Raumfahrtprogramm von Amazon mit dem Namen Blue Origin noch nicht. Daher hat Bezos vor, die ersten Kuiper-Satelliten auf einer Atlas-V-Rakete der United Launch Alliance auf LEO-Position zu bringen. Mit dem Unternehmen wurde ein Vertrag über neun Starts abgeschlossen. „Wir haben unsere Satelliten und unser Verteilungssystem so konzipiert, dass sie mit mehreren Trägerraketen gestartet werden können“, sagt Rajeev Badyal, Vice President of Technology beim Projekt Kuiper. „Das gibt uns die Flexibilität, viele verschiedene Raketen und Anbieter für den Start unseres Satellitensystems zu verwenden.“

Laser als LEO-Erfolgsfaktor

Ein wichtiger Faktor für den Erfolg von LEO-Breitband-Projekten wird die Lasertechnologie sein. Der Vorteil: Mit geringer Leistung können große Mengen an Daten übertragen werden. Da die Technik nur Punkt-zu-Punkt-Kommunikation erlaubt, ist sie besonders interessant für die Verbindung der Satelliten untereinander. Dabei könnte sie ein Problem lösen: Ein LEO-Satellit kann immer nur einen kleinen Bereich auf der Erde abdecken. Daher bräuchte es relativ viele Bodenstationen, damit die Verbindung zwischen Internet und Satellit stets sichergestellt ist. Eine Alternative wäre daher die Verknüpfung mehrerer Satelliten per Laser. Mit Tesat und Mynaric gibt es zwei deutsche Unternehmen, die diese Technologie vorantreiben. So hat Tesat gemeinsam mit dem DLR ein extrem kleines Laserterminal entwickelt, das gerade mal zehn Zentimeter breit und zehn Zentimeter hoch ist. Seit Januar umkreist der Prototyp die Erde.

Amazons Vorteil: LEO-Trabanten brauchen bewegliche Bodenantennen

Während Starlink im All momentan die Nase deutlich vorne hat, könnte Amazon mit seiner Technologie auf dem Boden punkten. Denn die größte Herausforderung bei den LEO-Konzepten seien die Boden-Terminals, sagt Sandro Scalise, Abteilungsleiter am Institut für Kommunikation und Navigation des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Im Gegensatz zu GEO-Satelliten bleiben die LEO-Trabanten nicht fest an einem Punkt. Das erfordert auch von den Antennen am Boden Beweglichkeit. Sie müssen in der Lage sein, den Satelliten zu verfolgen sowie auf den nächsten zu wechseln. „Das macht ein Bodenterminal kompliziert und teuer“, erklärt Scalise. Zum Einsatz kommen dabei sogenannte Phased-Array-Antennen, die quasi wie eine virtuelle Parabolantenne funktionieren. Starlink hat dafür seine eigene Technik entwickelt. Doch die rechnet sich noch nicht. Starlink müsse seine Terminalkosten von derzeit circa 2500 US-Dollar senken, um ein nachhaltiges Kundenmodell zu erreichen, heißt es in einem Bericht von Quilty Analytics. Die Analysten sehen die Wirtschaftlichkeit der Bodenstation ebenfalls als die Hauptherausforderung für das Projekt von Elon Musk.

Amazon hat sich daher darauf konzentriert, eine möglichst kompakte und kostengünstige Phased-Array-Antenne zu entwickeln. Mit Erfolg – so lässt es zumindest das Unternehmen selbst verlautbaren. Laut Amazon ist die Antenne um den Faktor 3 kleiner als Antennen im bisher üblichen Design. Konkret beträgt der Durchmesser gerade mal 30 Zentimeter. Die Reduzierung von Gewicht, Größe und Komplexität sei der beste Weg, um auch die Produktionskosten für das Bodenterminal zu verringern, heißt es in einer Mitteilung von Amazon.

Erste Prototypen der Eigenentwicklung sollen sich in Tests als zuverlässig erwiesen haben. Dabei konnte eine Geschwindigkeit von 400 Megabit pro Sekunde erreicht werden – allerdings in der Kommunikation mit einem GEO-Satelliten. Amazon verspricht daher für die Zukunft noch weitere Performance-Steigerungen.

Der kurze Weg der EU zu den Landesregierungen könnte Nachteile aufheben

Die Nutzung von Internet aus dem All möglichst einfach und kostengünstig zu gestalten, ist ein wesentlicher Faktor für den Erfolg der verschiedenen Projekte. Denn sowohl Starlink als auch OneWeb und Kuiper haben den Markt der Privatnutzer im Fokus. Und die werden sich sehr genau überlegen, was sie für einen breitbandigen Internetzugang per Satellit ausgeben wollen. In Deutschland gibt es das Starlink-Paket bislang nur für eine ausgewählte Gruppe an Betatestern. Ende 2021, vielleicht auch erst 2022 soll der Service dann inklusive Satellitenempfänger und Router für 499 Euro und eine monatliche Nutzungsgebühr von 99 Euro für alle verfügbar sein. Scalise geht davon aus, dass der wachsende Markt positive Effekte auf die Kosten haben wird. „Je mehr Angebote es gibt, desto stärker sollten die Preise sinken.“ Und neben den erwähnten Projekten gibt es noch viele weitere Unternehmen, die in das Geschäft einsteigen wollen.

Dazu könnte sich vielleicht auch die EU gesellen. Eine Studie prüft gerade, ob ein eigenes LEO-Satellitennetz umsetzbar ist. Als mögliche Beteiligte eines entsprechenden Projekts sind verschiedene Firmen wie etwa das Luftfahrtunternehmen Airbus oder der Satellitenhersteller Thales Alenia Space im Gespräch.

Es lässt sich diskutieren, wie sinnvoll der Einstieg der EU in einen Markt ist, in den bereits große Unternehmen viel Geld investiert haben. Doch die Quilty-Analysten weisen darauf hin, dass – anders als in den USA – europäische Raumfahrtunternehmen eng mit den jeweiligen nationalen Regierungen verknüpft sind. „Dies ermöglicht es Europa, trotz Kostenüberschreitungen und Verzögerungen bei seinen Raumfahrtprojekten auf Kurs zu bleiben“, heißt es im Quilty-Bericht. Außerdem sei den Politikern und Unternehmern bewusst, dass die europäischen Marktanteile in anderen Raumfahrtbereichen geschrumpft sind. Eine ähnliche Situation werde Europa beim LEO-Breitband vermeiden wollen. Die Experten erwarten daher, dass sich die EU in irgendeiner Form engagieren wird. Scalise verweist darauf, dass die Abhängigkeit von einem nichteuropäischen Anbieter sicherlich nicht erwünscht sei. Dies gelte besonders für Anwendungen, in denen Sicherheit eine große Rolle spielt.

Schon jetzt herrscht reger Satellitenflugverkehr im Orbit

Unabhängig davon, ob die EU nun in das Geschäft einsteigt oder nicht – im erdnahen Orbit wird es künftig eng werden. So gab es etwa schon Berichte über Beinahe-Zusammenstöße von Starlink- und OneWeb-Satelliten. Und Amazon befürchtete, dass die SpaceX-Trabanten mit einer Flughöhe von 540 bis 570 km den Kuiper-Satelliten der Bezos-Company, die in 590 bis 630 km Höhe kreisen werden, zu nahe kommen könnten. Um die Gefahr von Kollisionen aus dem Weg zu räumen, musste die US-Kommunikationsbehörde FCC den Fall regeln. SpaceX muss nun sicherstellen, dass die eigenen Satelliten nicht höher als 580 Kilometer fliegen und halbjährliche Reports zu deren Zuverlässigkeit bereitstellen. Laut Scalise dürfe aber die zunehmende Verkehrsdichte im erdnahen Orbit kein Showstopper für Internet aus dem All werden. „Lösungen müssen gefunden werden und dies wird mit Sicherheit auch der Fall sein.“ Er erwartet, dass es schon „in wenigen Jahren“ ein breites Angebot an Internet aus dem All geben wird. Sicherlich würden nicht alle aktuellen Projekte überleben. „Aber es gibt genug Bedarf für mehr als einen Anbieter.“

Wer sich schon jetzt für die Nutzung von Starlink registrieren möchte, kann sich hier anmelden:

www.starlink.com

MARKUS STREHLITZ ist freier Journalist und Redakteur beim VDE dialog.