Die Türme der Windräder strecken sich aus gutem Grund immer weiter in die Höhe: Weit oben wehen die Winde verlässlicher und schneller als in Bodennähe, also lässt sich dort mehr Energie ernten. Dazu müssen jedoch Fundament, Turm, Maschinenhaus und Rotor gebaut werden, was viele Tonnen Material frisst, das energieaufwendig hergestellt werden muss. Das Windrad tritt also mit einem großen CO2-Fußabdruck in die Welt.
Visionäre Ingenieure kamen allerdings schon früh auf die Idee, die Sache einfach umzudrehen: Den Turm ganz entfallen zu lassen, den Generator auf den Boden zu stellen und den Rotor fliegen zu lassen. Doch ist das mehr als ein Hirngespinst? „Ja!“, antworten die Flugwindkraftenthusiasten, es sei im Grunde ganz einfach. Erste Erfahrungen damit dürften wir alle in unserer Kindheit gesammelt haben: Beim Drachen steigen lassen! Das überzeugt auf den ersten Blick wenig?
Ein zweiter Blick lohnt sich: Weltweit gibt es nicht weniger als 50 Unternehmen – meist Start-ups –, die auf Basis dieser Idee Flugwindkraftwerke entwickeln. Diese sparen gegenüber Windrädern bis zu 95 Prozent Material, der CO2-Fußabdruck verringert sich um 75 Prozent. „Europa und Deutschland sind hier führend“, sagt Udo Zillmann, Generalsekretär der Airborne Wind Europe mit Sitz in Brüssel. Allerdings: Die Flugwindkraftwerk-Branche steht noch ganz am Anfang: Derzeit starten die ersten Pilotprojekte, es muss sich erst noch in der Realität zeigen, was die Technik kann. Doch ist sie hochkomplex, vieles kann schiefgehen.
Erste Misserfolge waren ein Schock für die Branche
Das zeigte das Beispiel der amerikanischen Makani, die 2013 von Alphabet gekauft wurde. Das Prinzip: Ein autonom fliegendes Flugzeug mit 26 Meter Spannweite startet von einer Plattform im Meer mithilfe seiner acht über Propeller angetriebenen Elektromotoren. In der Zone günstiger Höhenwinde angekommen, schalten die Motoren in Generatorbetrieb, die erzeugte Energie (600 kW) wird über ein Kabel zur Bodenstation geleitet. Doch 2019 verlor Alphabet die Geduld und als das Flugzeug bei einem Probeflug vor der Küste Norwegens auch noch ins Meer stürzte, kam das endgültige Aus. Das Unternehmen hatte wohl zu schnell zu viel auf einmal gewollt – und scheiterte. „Ein Schock für die Branche“, erinnert sich Udo Zillmann.