Martin Lanzendorf

PROF. DR. MARTIN LANZENDORF, Professor für Mobilitätsforschung an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main

| Uwe Dettmar
18.01.2021 VERKEHRSWENDE Publikation

Interview: Lernen aus der Pandemie

Martin Lanzendorf lehrt und forscht seit 2008 als Professor für Mobilitätsforschung an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Durch die Corona-Pandemie wächst die Bereitschaft, liebgewonnene Gewohnheiten zu überdenken, so seine These. Das könnte auch der Verkehrswende auf die Sprünge helfen. 

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Wie bewerten Sie die MaaS-Angebote in Deutschland im internationalen Vergleich?

MaaS-Dienstleistungen im Sinne einer Sharing Economy findet man international betrachtet überall dort häufiger, wo der Markt weniger reguliert ist als bei uns. Unser Ansatz muss deswegen jedoch nicht schlecht sein. Es macht sehr viel Sinn, Dienstleistungen zu regulieren und sich auch genaue Gedanken über die Auswirkungen auf die Verkehrswende zu machen. Unter Umständen kann ein MaaS-Dienst den eigentlichen Zielen durchaus zuwiderlaufen. Es gibt Studien aus den USA, die zeigen, dass Ridesharing-Angebote sogar mehr Pkw-Verkehr verursachen können, statt ihn zu reduzieren.

Wie hat sich der Stand der Verkehrswende durch Corona verändert?

Erstens hat die Corona-Pandemie zu einer deutlichen Einschränkung des öffentlichen Straßenverkehrs geführt. Der ÖPNV leidet besonders stark darunter, weil die Menschen engen Kontakt zu anderen Personen in Bus und Bahn meiden. Der Pkw-Verkehr hat nur kurzfristig gelitten und ist fast wieder auf dem normalen Niveau. Profiteur der Krise ist der Fahrradverkehr mit starkem Zulauf. Zweitens, und das ist viel wichtiger, sehe ich ein politisches Signal: Die Pandemie zeigt, dass wir als Gesellschaft sehr wohl Maßnahmen ergreifen können, die vorher unvorstellbar waren, um Probleme zu lösen. Und ich denke, dass wir auch hinsichtlich Klimaschutz Veränderungen umsetzen können, die in unsere Routinen und Gewohnheiten eingreifen, wenn wir es als Konsensgesellschaft wollen.

Gehen Sie davon aus, dass der Trend zum Fahrradfahren aufgrund der sinkenden Temperaturen wieder abnimmt?

Wir haben in Deutschland vergleichsweise wenige Schnee- und Eistage und auch wenige sehr kalte Tage. Es hängt mehr davon ab, wie wir mit dem Straßenraum umgehen. Wenn wir gewährleisten, dass Fahrradfahrende einen gesicherten Raum auf der Straße haben, gehe ich davon aus, dass sehr viele Menschen auch über den Winter mit dem Fahrrad fahren werden.

Welche langfristigen Auswirkungen auf die Verkehrswende erwarten Sie durch die Corona-Pandemie?

Das ist aus meiner Sicht noch nicht absehbar und wird stark davon abhängen, wie die Pandemie weiterverläuft. Wie schon gesagt, ist der wichtigste Einflussfaktor möglicherweise, dass wir als Gesellschaft gelernt haben, auf unerwartete Veränderungen zu reagieren und unser Verhalten ändern zu können, um eine Krise zu meistern. Insofern hoffe ich, dass wir diese Erfahrung auch auf die Klima­krise übertragen können.

Welchen Einfluss hat das verstärkte Arbeiten im Homeoffice auf das Wohn- und Mobilitätsverhalten?

Homeoffice hat sehr große Auswirkungen auf das Mobilitätsmuster. Das führt jedoch nicht dazu, dass Pkw-Wege kürzer werden oder dass weniger gefahren wird. Wie Studien zeigen, ändert sich nur der Charakter der Wege. Es wird genauso viel gefahren wie vorher, jedoch sind das keine Fahrten zum Arbeitsplatz, sondern zum Einkaufen oder zu Freizeitaktivitäten. Unter dem Strich bleiben die Mobilitätszeiten relativ konstant. Die Attraktivität der Stadt erstreckt sich aber nicht nur auf die Nähe zur Arbeitsstätte. Es gibt viele andere Dinge, wie ein sehr ausgeprägtes Freizeitangebot, die trotz Homeoffice weiterhin für die Stadt sprechen.

Die Fragen stellte Richard Backhaus. 

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