Die Zahlen sind alarmierend: Von 2015 bis 2019 ist die Menge an Elektroschrott laut dem E-waste Monitor 2020 der Global E-waste Statistics Partnership (GESP) um 21 Prozent auf 53,6 Millionen Tonnen weltweit gestiegen. Während mit rund 25 Millionen Tonnen fast die Hälfte davon in Asien entstanden sind, stammen gut 13 Millionen Tonnen aus Amerika, Südamerika und Kanada sowie weitere 12 Millionen Tonnen aus Europa. Afrika und Ozeanien kommen zusammen auf 3,6 Millionen Tonnen. Mit knapp 2 Millionen Tonnen gehört Deutschland zu den größten Schrottverursachern in Europa. In der Pro-Kopf-Betrachtung fällt die Bilanz noch ernüchternder aus: Da steht Deutschland zusammen mit den USA bei mehr als 20 Kilogramm Elektroschrott pro Einwohner. Europa kommt insgesamt auf 16,2 Kilogramm.
So weit der Status quo. Wird nicht weltweit gegengesteuert, dann könnte es nach Berechnungen der GESP bis zum Jahr 2030 zu einem weiteren Anstieg auf 74 Millionen Tonnen kommen. Das wäre eine Verdoppelung gegenüber 2014.
Alle entsorgten Produkte, die über einen Stromanschluss oder Batterie- beziehungsweise Akkubetrieb verfügen, gelten als Elektromüll. Neben den Elektrogroßgeräten wie Waschmaschinen und Kühlschränken sind dies demnach auch Handys, Taschenrechner und Lampen. Das erklärt das hohe Volumen. Doch sind nicht nur die reinen Abfallmengen das Problem: In den entsorgten Elektrogeräten befinden sich oftmals giftige Stoffe – wie etwa Quecksilber. Das gefährdet Umwelt und Gesundheit.
Außerdem produziert der Elektroschrott CO2-Emissionen. Experten geben zu bedenken, dass alleine die im Jahr 2019 auf dem Müllberg gelandeten Kühlschränke und Klimaanlagen für fast 100 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente verantwortlich waren. Das entspricht 0,3 Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen. Zu guter Letzt landen bei der Entsorgung von Elektrogeräten edle Metalle auf dem Müll. Im Vorjahr wurden auf diese Weise rund 50 Milliarden Euro vernichtet.
Obsoleszenz – im Spannungsfeld zwischen Verschleiß und Innovation
Ursache für den zunehmenden Elektromüll ist die sinkende Nutzungsdauer bei Altgeräten und damit einhergehend ein schnellerer Austausch. Dieser Austausch wird als Obsoleszenz bezeichnet und zeigt sich in unterschiedlichen Facetten. Mitunter verwendet die Industrie minderwertige Materialien bei Verschleißteilen, die dann, früher oder später, zu einem Defekt – der werkstofflichen Obsoleszenz – führen. Steht eine mögliche Reparatur in einem ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnis zum Neukauf, wird von ökonomischer Obsoleszenz gesprochen. Wenngleich die Vernetzbarkeit der Elektrogeräte untereinander immer mehr steigt, können eingestellter Support oder fehlende Software-Updates der Hersteller ein technisch einwandfreies Gerät lahmlegen – und so zu einer funktionalen Obsoleszenz führen.
Der Vorwurf der von der Industrie geplanten Obsoleszenz ist hingegen nicht belegbar. In permanenten Analysen der Stiftung Warentest ließ sich nicht nachweisen, dass Elektrogeräte schneller oder häufiger kaputt gehen als früher. Das Umweltbundesamt fand zwar heraus, dass zwischen 2004 und 2012 die Nutzungsdauer von Elektro- und Elektronikgeräten in privaten Haushalten sank, Beweggründe für den Austausch waren aber oft der Verbraucherwunsch nach neuen technologischen oder optischen Trends – beispielsweise bei Flachbild-TVs.
„Obsoleszenz ist die Kehrseite von Innovation“, bringt es Holger Lange von der Deutschen Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik in DIN und VDE (VDE DKE) auf den Punkt und ergänzt: „Jede Innovation macht etwas obsolet. Zur Reduktion von Elektroschrott dürfen Innovationen nicht abgewürgt werden. Wir müssen aber die Auswirkungen der Obsoleszenz besser kontrollieren.“ Damit meint Lange ein Obsoleszenz-Management, das schon bei der Herstellung ansetzt. Geräte müssen reparierbar bleiben und Ersatzteile langfristig verfügbar sein. Um die Nutzungsdauer zu erhöhen, soll Innovation so gestaltet werden, dass ältere Systeme noch funktionieren.
Zukunftsmodell einer globalen, nachhaltigen Kreislaufwirtschaft
Das linearwirtschaftliche Modell, bei dem am Ende die Produkte entsorgt werden, ist überholt und passt nicht mehr in die klimasensible Landschaft. Viele Unternehmen haben bereits die nachhaltige Kreislaufwirtschaft für sich entdeckt. Im Idealfall eines geschlossenen Systems wird bereits bei der Herstellung auf eine lange Nutzungsdauer des Produkts geachtet. Das bedeutet, recyclingfähige Werkstoffe einzusetzen, die Reparierbarkeit zu gewährleisten und Ersatzteile vorzuhalten.